mobile Navigation

News

Amerikanische Ureinwohner sollen in Zürichs Schulbüchern nicht mehr mit dem Sammelbegriff «Indianer» bezeichnet werden. Symbolbild: Adobe Stock

Bildungsdirektion geht gegen «Indianer» vor

Von: Sacha Beuth

04. Juli 2023

Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus hat in den Lehrmitteln der Schulen Defizite beim Thema Rassismus und Kolonialismus festgestellt. Die Bildungsdirektion des Kantons Zürich weist darauf hin, dass in Zürich schon zuvor darauf geachtet wurde, dass in Schulbüchern keine diskriminierenden Aussagen vorkommen. 

Nicht zuletzt wegen der «Mohrenkopf»-Debatten ist das Thema Rassismus und Kolonialismus seit einigen Jahren ein Dauerthema unter der Stadtzürcher Bevölkerung. Nun dürften die Diskussionen darüber neuen Schub erhalten. Denn vor einigen Tagen veröffentlichte die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) die Ergebnisse einer Studie, welche besagtes Thema in den Schulbüchern untersuchte. Die Autoren lobten dabei einerseits die fortschreitende Sensibilisierung für rassistische Begriffe. So würden Ausdrücke wie «Mohrenkopf», «Eskimo» oder «Indianer» nur noch selten vorkommen. Andererseits kritisieren sie, dass Rassismus mehrheitlich als nichtnationales historisches oder zwischenmenschliches Phänomen dargestellt werde, aber kaum Bezüge zum eigenen Lebensraum – den Alltag in der Schweiz oder deren Geschichte – habe. Zudem hätten die Lehrmittel beim Thema Rassismus und Kolonialismus einen starken «eurozentrischen» Blick und die gesellschaftliche «Normalität» würde eher «homogen weiss» dargestellt. Um diese Mängel zu beheben, sollen Lehrmittel entsprechend angepasst und Lehrpersonen gezielter auf das Thema geschult werden. Dazu empfiehlt die EKR, Rassismus in den jeweiligen Lehrplänen zu verankern.

Permanent am Ändern

Die Bildungsdirektion des Kantons Zürich weist darauf hin, dass der Lehrmittelverlag Zürich LMVZ, der zur Bildungsdirektion gehört und von dem ein Grossteil der Lehrmittel an den Zürcher Volksschulen stammt, schon seit mehreren Jahren bei der Entwicklung von Lehrmitteln konsequent darauf achte, dass darin keine diskriminierenden Aussagen vorkommen. Zudem werde bei der Darstellung beziehungsweise bei den Illustrationen eine diverse Gesellschaft gezeigt. «Bei der Überarbeitung von älteren Lehrmitteln durch Entwicklungsteams aus internen und externen Fachpersonen wird darauf geachtet, dass Passagen, die den heutigen Ansprüchen nicht genügen, angepasst werden. Die Anforderungen an Lehrmittel ändern sich, darum ist der LMVZ permanent daran, die Lehrmittel zu sichten, zu adaptieren und zu korrigieren», schreibt die Bildungsdirektion.

Der Korrektur zum Opfer fällt beispielsweise der Begriff «Indianer». Dieser gilt zwar allgemein nicht per se als rassistisch, ist in deutschsprachigen Ländern unter anderem wegen der Karl-May-Romane sogar positiv behaftet. Dennoch gilt er wegen der falschen geografischen Verortung – Columbus glaubte, er habe einen Seeweg nach Indien entdeckt und die von ihm angetroffenen Einheimischen seien Teil des Subkontinents – als heikel. So würde laut Bildungsdirektion in «Gesellschaften im Wandel», dem Lehrmittel für Geschichte und Politik für die Sekundarstufe I, statt Indianer der Begriff «indigene Bevölkerung Amerikas» verwendet. Eine konkrete Liste, welche Passagen oder Begriffe angepasst werden müssen, gäbe es nicht. «Über allfällig heikle Begriffe wird beim LMVZ innerhalb der Entwicklungsteams diskutiert und dann eine Bezeichnung ausgewählt.»

In den Lehrplan oder nicht?

Auf den Kritikpunkt, dass die gesellschaftliche «Normalität» laut EKR in der Schule und ihren Lehrmitteln als eher «homogen weiss» dargestellt werde, entgegnet die Bildungsdirektion: «Neuere Lehrmittel wie zum Beispiel ‹Kinder begegnen Natur und Technik›, ‹NaTech 7–9› und ‹Schauplatz Ethik› stellen die Gesellschaft zunehmend heterogen dar.» Auch gibt es zumindest für die Stadtzürcher Schulen durchaus Unterrichtsmaterial, das entgegen der Kritik der EKR Bezüge zum «eigenen Lebensraum» beim Thema Rassismus nimmt. So verweist das Schulamt der Stadt Zürich auf das von der Pädagogischen Hochschule Zürich PHZH im Auftrag des Präsidialdepartements entwickelte «Zürich und der Kolonialismus». Mit diesem soll rassistische Diskriminierung bekämpft und etwa auf die Verwicklungen Zürichs und seiner Bürger in Kolonialismus und Sklavenhandel hingewiesen werden. Laut Schulamt fokussiert es dabei auf die Perspektive der Betroffenen und bietet den Lehrpersonen Hilfestellung, um mit Respekt über Rassismus und Rassismuserfahrungen zu sprechen.

Im Übrigen werde das Thema Rassismus laut Bildungsdirektion im Lehrplan 21 mehrfach behandelt, auch wenn der Begriff selber nicht enthalten sei. Dennoch habe man die Empfehlungen der EKR mit Interesse zur Kenntnis genommen und werde diese nun prüfen. «Ob und in welcher Form das Thema Rassismus im Sinne der EKR aber Eingang in den Lehrplan 21 finden soll, muss politisch auf der Ebene der Erziehungsdirektorinnen und -direktoren entschieden werden», so die Bildungsdirektion.

Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

zurück zu News

Artikel bewerten

Gefällt mir 1 ·  
4.0 von 5

Leserkommentare

Keine Kommentare