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Dominique Schori (kl. Bild) leitet das Zürcher Drogeninformationszentrum (DIZ). Derzeit sind hochdosierte MDMA-Pillen und 2C-B im Umlauf (Bilder in der Reihe). Fotos: DIZ

Diese Drogen konsumieren die Stadtzürcher

Von: Ginger Hebel

19. Mai 2023

Kokain, hoch dosierte MDMA-Pillen und legales Cannabis: im Freizeitdrogen-Konsum tut sich einiges. Dominique Schori, Leiter Drogeninformationszentrum (DIZ) Zürich, weiss, wo die Gefahren lauern. 

Dass in der Stadt Zürich allerlei Drogen konsumiert werden, ist kein Geheimnis. Allerdings interessieren sich immer mehr Freizeitdrogen-Konsumierende für die Angebote des Drogeninformationszentrums (DIZ) Zürich und lassen ihre Substanzen testen. «Diese Nachfrage ist eine erfreuliche Entwicklung. Die Personen, die zu uns kommen, haben eine Bereitschaft, eine Substanz zu konsumieren. Uns bietet das die Möglichkeit, Schadensminderung zu betreiben», erklärt Dominique Schori, Leiter DIZ.

Im ambulanten Drug Checking und an Partys und Festivals wurden 2022 knapp 3000 Substanzen getestet – rund 500 mehr als im Vorjahr. Am häufigsten sind dies Kokain, Cannabis, MDMA, Amphetamin und LSD. Die Website saferparty.ch informiert über aktuelle Warnungen. Netflix, Casa de Papel, Dom Péri­gnon oder Heineken heissen die Pillen, die auf dem Markt kursieren. «Bei rund der Hälfte der MDMA-­Pillen publizieren wir eine Warnung, weil diese zu hoch dosiert sind oder Inhaltsstoffe wie Neue psychoaktive Substanzen (NPS) enthalten», sagt Schori. Das Problem bei NPS: Ihre Risiken sind weitgehend unerforscht.

Nach einem Konsumerlebnis benötigt der Körper mindestens vier Wochen, um den Serotoninhaushalt zu regenerieren. Bei Überdosierungen steigt die Körpertemperatur stark an, es kann zu Kollapsen, Krampfanfällen und Halluzinationen kommen. Bei den analysierten kristallinen Proben hat die Anzahl der Proben mit unerwarteten Substanzen erneut zugenommen.

Legales Cannabis

Ab August 2023 kann im Rahmen des Pilotversuchs «Züri Can» legal THC-haltiges Cannabis verkauft und im privaten Raum konsumiert werden. Das BAG gibt grünes Licht zum Studienstart von «Züri Can – Cannabis mit Verantwortung». Mit der Bewilligung sind die Voraussetzungen für die Produktion von Studien-Cannabis gegeben. Es stammt aus einheimischer Bioproduktion. Die Stadt Zürich und die Universität Zürich untersuchen mit der Studie Auswirkungen eines regulierten Cannabis-Bezugs auf den Konsum und die Gesundheit der Teilnehmenden. Dominique Schori begrüsst es, dass es hierzulande eine begleitete Studie gibt, die einen Beitrag zu einer auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden Cannabis-Politik leistet.

Interessierte können in Apotheken, in privaten Social Clubs oder beim Drogeninformationszentrum Studiencannabis beziehen. Der nicht regulierte Konsum von Cannabis ist nicht unbedenklich. Derzeit etablieren sich neue, halbsynthetische Cannabinoide wie HHC auf dem Markt. «Diese Stoffe sind mit einem noch unbekannten Gesundheitsrisiko verbunden, weil wenig Wissen vorhanden ist», sagt Schori. Eine Studie aus Dänemark kommt jetzt zum Schluss, dass Schizophrenie bei Männern häufig von Cannabis-Missbrauch verursacht wird. Menschen mit solchen Krankheitsbildern sind aus Sicherheitsgründen von der Studie ausgeschlossen.

Die Forschung beschäftigt sich derzeit intensiv mit Drogen zur medizinischen Verwendung. Der Wirkstoff Psilocybin aus den Zauberpilzen (Magic Mushrooms) wird immer häufiger als Alternative zur herkömmlichen Standardmedikation bei therapieresistenten Depressionen diskutiert. In der Medizin wird er synthetisch in Pulverform hergestellt. Dominique Schori kennt diese Studien und sagt: «Man darf keine Wundersubstanzen erwarten. Aber die Resultate sind durchaus spannend. Therapeutisches Potenzial ist vorhanden. Wir stellen auch beim Freizeitgebrauch von Psychedelika ein zunehmendes Interesse fest.»

Alkohol und Schmerzmittel

Im Durchschnitt sind die Personen, die Drogen konsumieren und diese im DIZ testen lassen, 34 Jahre alt, die Bandbreite reicht jedoch von 14 bis 79. «Früher kursierten Partydrogen vermehrt in der Techno-Szene, heute konsumieren Menschen aller Gesellschafts- und Bildungsschichten Drogen, nicht nur im Ausgang, sondern auch daheim und im Freundeskreis», weiss Schori aus den obligatorischen Beratungsgesprächen. Was den Experten allerdings grosse Sorgen bereitet, ist die Veränderung des Konsumverhaltens bei den Jungen. Sie mischen vermehrt Alkohol mit opioidhaltigen Schmerzmitteln, um einen Rausch zu erleben. «Das ist lebensgefährlich. Wir versuchen daher verstärkt, die jungen Konsumentinnen und Konsumenten auf Kanälen wie Instagram zu sensibilisieren.» Digitale Beratungsangebote werden für das DIZ zuneh­­mend wichtiger.

Kokain ist in Städten wie Zürich stark verbreitet. Letztes Jahr erreichte der durchschnittliche Kokaingehalt mit 83 Prozent ein Allzeithoch. «Das hängt vermutlich mit Rekord-Ernten in den Anbauländern zusammen», sagt Schori. Ein hoher Kokaingehalt erhöht das Risiko für Überdosierungen mit gefährlichen Folgen wie Schlaganfälle und Herzinfarkte. Ein Viertel aller Kokain-Proben ist mit mindestens einem potenziell gesundheitsgefährdenden Streckmittel versetzt. Jede fünfte Probe enthält ein Tier-Entwurmungsmittel, das zu einer Veränderung des Blutbilds, Immunschwäche und Kreislaufproblemen führen kann. Dominique Schori: «Bei Streckmitteln geht es primär um Gewinn-Maximierung. Sie enthalten hohes Schädigungs-Potenzial, daher ist es wichtig, einem Dealer nie blind zu vertrauen, sondern die Drogen testen zu lassen.»

Weitere Informationen: www.saferparty.ch

Sicherer Konsum:

– Substanzen anonym in einem Drug Check-in testen lassen.
– Antesten: Max. einen Drittel der Pille nehmen, da viele hoch­dosierte Pillen im Umlauf sind.
– Genügend alkoholfreie und isotonische Getränke zu sich nehmen und Pausen an der frischen Luft machen, um Dehydration vorzubeugen.
– Mischkonsum vermeiden.
– Wer nasal psychoaktive Sub­stanzen konsumiert, sollte einen Nasenspray verwenden, um die Dosierung individuell zu steuern.

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