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Kreiskommandant Daniel Bosshard verabschiedet im Beisein von Stadträtin Karin Rykart, Divisionär Willy Brülisauer und weiteren Gästen die Soldaten. Bild: SB

Entlastet und entbunden

Von: Sacha Beuth

21. November 2023

Am Montag haben 338 Angehörige der Armee in der Kaserne Reppischtal ihre militärische Ausrüstung abgegeben und sind aus ihrer Dienstpflicht entlassen worden. Beim feierlichen Abschied mit Stadträtin Karin Rykart und weiteren Polit- und Militärprominenz gab es frohe wie wehmütige Gesichter.

Bedeckt mit zwischenzeitlichen Aufhellungen. Passender könnte das Wetter an diesem Montag nicht sein, an dem 337 Wehrmänner und eine Wehrfrau mit Wohnsitz Stadt Zürich in der Kaserne Reppischtal ihre militärische Ausrüstung abgeben und aus ihrem Dienst in der Schweizer Armee entlassen werden. Denn neben frohgemuten gibt es auch wehmütige Gesichter zu sehen. So etwa jenes von Harry Baumgartner. Der 33-Jährige springt gegen 9.30 Uhr mit ein paar Dutzend Kameraden aus einem Militärfahrzeug, welches die Männer vom Bahnhof Birmensdorf und dem Truppenparkplatz zur Kaserne gefahren hat. «Es ist echt schade, dass ich mein Zeug abgeben muss. Noch nie habe ich so viel erlebt wie im Militär. Man hat gelernt, an etwas dranzubleiben, auf die Zähne zu beissen. Aber auch, wie man mit Mitmenschen umgeht. Alles Lektionen für das Leben», schwärmt Baumgartner, während er sich in die «Abgabestrasse» einreiht. Diese führt von aussen durch ein langgezogenes Gewölbe unterhalb eines Kasernengebäudes und wieder zurück. Wie die weitere Abgabe-Infrastruktur wird sie von 55 WK-Leistenden des Betriebsdetachements des Kantons Zürich zusammen mit etwa 20 Mitarbeitenden des Armeelogistikcenters ALC Hinwil und der Militärverwaltung des Kantons Zürich betrieben. Sie fassen über fünf Tage insgesamt 30 Tonnen Material von knapp 1600 ausgemusterten und im Kanton Zürich wohnhaften Soldaten zurück.

Den Jungen Platz machen

Erste Station ist die Waffenkontrolle. Hier wird sichergestellt, dass die Adas (= Angehörige der Armee, die Red.) nicht mit geladenen Gewehren auf den Abgabe-Parcours gehen. Alsit Dzafere passiert den Posten «mit einem lachenden und einem weinenden Auge», wie er sagt. «Einerseits bin ich schon froh, dass ich die Sachen endlich loswerde. Andererseits werde ich die tolle Kameradschaft bei der Gebirgsinfanterie vermissen. Aber irgendwann muss man ja Platz machen für die Jungen», frotzelt der 33-Jährige. Immerhin würden ihm die Militär-T-Shirts als Souvenir bleiben.

Beim nächsten Posten muss das Dienstbüchlein vorgewiesen werden, dann geht es weiter zur Waffenrückgabe. Als einer der wenigen hat Cyrill Krähenbühl (31) im Vorfeld einen Waffenerwerbsschein eingeholt, um sein Gewehr behalten zu dürfen. Allerdings erhält er den Verschluss dazu erst wieder, nachdem bei diesem die Steuerkurve abgefräst wurde, um das Schiessen mit Seriefeuer zu verunmöglichen. Die meisten Adas legen hingegen Gewehr, Bajonett und Waffenputzzeug zum Retablieren auf die Tische. Das erfordert vollen Einsatz von WK-Soldat Dominik Winkler vom Betriebsdetachement. «Trotzdem macht es Spass, abgesehen davon ist der WK sonst stressiger», lacht er, während er von Dani Mächler dessen Gewehr und die dazugehörigen Utensilien ausgehändigt bekommt. «Prima, alles vorhanden», lobt Reto Aeberhard, Waffenmechaniker vom ALC Hinwil. Leider sei dies nicht immer so. «Bei rund jedem 20sten Abgeber fehlt entweder das Magazin, das Waffenputzzeug oder das Bajonett. Dafür muss der entsprechende Wehrmann geradestehen und vor Ort bezahlen.» Je nach verlorenem Gegenstand kann das ganz schön ins Geld gehen. So kostet ein verlorenes Magazin 26, ein verlorener Helm dagegen 350 Franken.

Weg mit der Schutzmaske

Mächler begibt sich nun zur Materialabgabe. Hier wartet ALC-Sachbearbeiterin Angela Blasi und nimmt schon mal die F-Tasche entgegen. «Schade, die ist hochwertig und die hätte ich gerne behalten», seufzt der 32-Jährige. Von der ABC-Schutzmaske trennt er sich dagegen noch so gerne. «Mit ihr sind viele negative Erinnerungen mit unangenehmen Übungen verbunden.» Für den 32-jährigen Dominik Willi bringt der Tag vor allem eine Entlastung mit sich. «Besonders froh bin ich, dass die Muschi (= Abkürzung für Mutterschiff, wie die grosse Rolltasche offiziell genannt wird, die Red.) endlich wegkommt. Die hat im Keller doch ziemlich viel Platz weggenommen.» Besagtes Utensil wird am nächsten Posten in Empfang genommen. Nun noch ein Vermerk im Dienstbüchlein, dass alles abgegeben wurde, dann kann die Abgabestrasse verlassen werden.

Im und ausserhalb des Gebäudes G warten die Soldaten hernach auf die offizielle Entlassungsfeier. Die beginnt plangemäss um 12 Uhr in der Turnhalle des Gebäudes. In Achtungstellung und musikalisch unterstützt von einem Marsch der Polizeimusik der Stadt Zürich empfangen die bald ausgemusterten Wehrmänner Gäste aus Politik und Armee. In seiner Eröffnungsrede dankt Kreiskommandant Daniel Bosshard allen Anwesenden, weist dann auf den zu erwartenden Unterbestand in den kommenden Jahren hin und schliesst mit den Worten: «Sie können sich darum vorstellen, dass wir Sie nur sehr ungern ziehen lassen.» Anschliessend übernimmt Stadträtin Karin Rykart, deren Sohn aktuell als Sanitätsrekrut ebenfalls Dienst leistet, das Wort. Sie bedankt sich ebenfalls bei den Soldaten und betont angesichts der Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine sowie der fehlenden Teilnahme an einem Militärbündnis die Wichtigkeit einer eigenen Armee. «Die muss aber bereit sein, ihre Doktrin den aktuellen und zukünftigen Bedrohungen anzupassen.»

Als sie geendet hat, spielt die Polizeimusik «Can you feel the love tonight» aus dem Disneyfilm «The Lion King», was nicht gerade passend erscheint und einigen der in Formation stehenden Soldaten ein Stirnrunzeln oder Schmunzeln entlockt. Doch darauf wird man schnell wieder ernst. Noch einmal werden die 338 Wehrleute in die Hab-Acht-Stellung befohlen, es erklingt der Schweizer Psalm, dann sind sie offiziell ihrer Dienstpflicht entbunden. Während ein Teil auf direktem Weg nach Hause oder zur Arbeit steuert, gesellen sich die anderen zu einem Abschiedsapéro zu den geladenen Gästen. Und während man sich zuprostet, werden noch einmal die schönsten Geschichten, die man im «Tenue Grün» erlebt hat, ausgegraben.

 

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