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Das Internet ist der falsche Ort für das Teilen von Kinderfotos.Bild: Unsplash

Flut an Kinderfotos im Netz

Von: Ginger Hebel

30. Januar 2024

Viele Eltern posten Fotos ihrer Sprösslinge im Internet und teilen sie mit der Öffentlichkeit. «Oft fehlt die nötige Weitsicht», sind Zürcher Politikerinnen und Fachpersonen überzeugt. Die Gefahren seien gross. 

Schöne Momente zur Erinnerung festhalten. Das machen viele. In sozialen Netzwerken werden aber immer mehr Kinderfotos mit Familie, Bekannten, Freunden sowie der breiten Öffentlichkeit geteilt. Die Kleinen in Windeln, mit Kuchen im Gesicht oder nackt am Strand. «Problematisch», findet das die Stadtzürcher SP-Politikerin Rahel Habegger. «Die meisten geteilten Bilder und Videos sind unbedenklich. Oft wird aber vergessen, was achtlos gepostete Bilder von Kindern auslösen oder wozu sie missbraucht werden können.» Mit der Zürcher GLP-Gemeinderätin Serap Kahriman möchte sie dem Thema Kinderschutz in der digitalen Welt mehr Bewusstsein schenken. Sie fordern den Stadtrat deshalb auf, zu prüfen, wie eine breit angelegte Sensibilisierungskampagne gestartet werden und sich die Stadt Zürich mit Bildungseinrichtungen wie Schulen und Kitas, Fachstellen wie der Mütter- und Väterberatung sowie Institutionen vernetzen kann.

Netpa­thie.net schafft das Bewusstsein für die digitale Welt. Geschäftsleiterin Petra Marty: «Das Netz ist der falsche Ort für das Teilen von Kinderfotos.» Das Internet biete zwar viele Chancen, «in diesem Thema gibt es jedoch einige Risiken, so können Bilder im Darknet wieder auftauchen, wo Pädokriminelle sie verwenden. Andere können die Fotos speichern, Screenshots davon machen und sie für Cybermobbing missbrauchen. Oft werden Fotos auch verändert oder gar verunstaltet», warnt Petra Marty.

Das Internet vergisst nie

Sharenting ist eine Wortbildung aus «Share» und «Parenting» und steht für das Phänomen, wenn Eltern Fotos ihrer Kinder und Erziehungsmethoden online stellen und teilen. «Es ist eine grosse Herausforderung in unserer Gesellschaft», ist Politikerin Serap Kahriman überzeugt. Das frischgebackene Mami ist selber mit diesem Thema konfrontiert. In ihrem Umfeld gibt es viele Eltern, die Kinderfotos in sozialen Medien mit offenem Adressatenkreis teilen. Viele seien sich dabei nicht bewusst, dass auch eingegrenzte Gruppen keine Garantie sind, dass Inhalte nicht weiterverbreitet werden. «Ich weiss, wie stolz man als Eltern auf sein Kind ist, und wie gern man süsse Fotos ins Netz stellt. Dennoch käme es mir nie in den Sinn, mein Kind in allen möglichen Situationen zu zeigen. Der Persönlichkeitsschutz ist mir sehr wichtig.»

Auch Rahel Habegger ist Mutter zweier kleiner Kinder. Und auch sie erlebt die zunehmende Flut an Kinderfotos im Netz. «Ich kenne einige Fälle, wo Kinder später in der Schule gemobbt werden, wenn peinliche Fotos von ihnen im Netz auftauchen. Auf der Toilette, bei einem Wutanfall oder mit Spaghetti-Sauce im Gesicht.» Zudem vergesse das Internet nie. «Einmal im Netz, immer im Netz.» Die Juristin weiss, wie mühsam bis teilweise unmöglich es sei, die Bilder wieder zu entfernen und Persönlichkeitsrechte durchzusetzen, auch wenn es das Recht am eigenen Bild gibt.

Ebenfalls heikel findet sie Ultraschall- und Geburt-Fotos, die viele Frauen hochladen. «Das sind sehr intime Momente. Ist es wirklich nötig, sie mit aller Welt zu teilen?» Auch viele Promis teilen ihr Privatleben mit der Öffentlichkeit und machen damit nicht immer gute Erfahrungen. Bei Moderatorin und Zwillings-Mami Christa Rigozzi wurde jüngst in die Villa im Tessin eingebrochen, während sie in den Familienferien in Zermatt weilte. Warum die Einbrecher das wussten? Weil sie in Echtzeit Fotos postete und ihnen damit – wenn auch ungewollt – einen Freipass lieferte.

Rahel Habegger und Serap Kahriman sind sich einig: «In der Schweiz gibt es auf politischer Ebene noch kaum Bestrebungen, das Phänomen Sharenting anzugehen. Die Stadt Zürich darf die Augen vor dieser Entwicklung nicht verschliessen.» Die Stadt verfüge über die notwendigen Kanäle, um Kinder, Eltern und Behörden für die Thematik niederschwellig und ohne Mahnfinger zu sensibilisieren. Regula Bernhard-Hug, Leiterin der Geschäftsstelle Kinderschutz Schweiz, betont: «Das Thema ist von grosser Wichtigkeit. Wir sind bemüht, den Kinderschutz weiter voranzutreiben und mit Kampagnen zu sensibilisieren.»

Die Künstliche Intelligenz sei eine zusätzliche Gefahr. «Es gibt keine Welt ohne Kinder. Entscheidend ist aber, ein Kind online nie von vorne zu zeigen, denn gerade Gesichts-Fotos können für falsche Zwecke missbraucht werden.» Politikerin Rahel Habegger ist überzeugt: «Im Schulalltag ist Medienkompetenz mittlerweile ein wichtiger Bildungspfeiler. Das war in unserer Generation noch ganz anders.» Sie geht davon aus, dass viele Eltern Fotos ihrer Sprösslinge nicht böswillig teilen. «Oft fehlt die nötige Weitsicht.» Serap Kahriman: «Bei der grossen Mitteilungslust geht die Gefahr der Pädophilie im Internet völlig vergessen. Das darf nicht sein.»

Tipps für Eltern:

∙ Posten Sie keine Fotos oder Filmchen, die zeigen, wie Ihrem Kind ein Missgeschick passiert, es einen Wutanfall hat oder krank im Bett liegt. Auch Fotos von nackten Kindern nie teilen (Gefahr der Pädokriminalität).
∙ Kinder haben das Recht auf Privatsphäre. Zudem hat jede/r das Recht am eigenen Bild. Keine Fotos mit anderen Leuten ohne Einverständnis aller Beteiligten.
∙ Sensibilisieren Sie auch Grosseltern und Betreuungspersonen.
∙ Denken Sie daran, dass im Internet auch gelöschte Bilder nie ganz verschwinden und Sie die Kontrolle darüber schnell verlieren.


Quellen: Pro Juventute, Netpathie

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