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Ungewisse Zukunft: Peter Doppelfeld (Theater Stok), Lubosch Held (Keller 62). (Bild: Christian Saggese)

Kleintheatern droht das Aus

Von: Christian Saggese

07. Juni 2023

Die Kleintheater Stok und Keller 62 verlieren in zwei Jahren die finanzielle Unterstützung durch die Stadt. Grund ist die neue Konzeptförderung. Dagegen setzen sich die Kulturschaffenden zur Wehr.

Bei den Kleintheatern Keller 62 und Theater Stok könnte bald der letzte Vorhang fallen. Grund: Die beiden Kulturhäuser erhalten künftig keine städtischen Förderbeiträge mehr. Das lässt nicht nur ihre künstlerischen Leiter Lubosch Held (Keller 62) und Peter Doppelfeld (Stok) ratlos zurück, sondern auch viele Sympathisanten, wie eine Online-Petition zeigt. Dazu später mehr.

Zurückzuführen ist dieser Entscheid auf das neue städtische Fördersystem, das 2020 von der Stimmbevölkerung bewilligt wurde und 2024 startet. Ein wichtiges Argument für dieses neue Instrument ist laut Lukas Wigger, Sprecher des dafür zuständigen Präsidialdepartements, dass dadurch vermehrt auch neue Ideen eine Chance auf eine mehrjährige Förderung durch städtische Gelder erhalten und die Freie Szene mehr unterstützt wird.

Es wurde festgelegt, dass sechs etablierte Häuser, wie das Schauspielhaus und das Tanzhaus, weiterhin unbegrenzt subventioniert werden mit einer Gesamtsumme von über 55 Millionen Franken. Die zentrale Neuerung ist allerdings der flexible Teil, die Konzeptförderung. Sie ermöglicht kleineren Tanz- und Theaterinstitutionen, sich für sechsjährige und Gruppen sowie Einzelpersonen der Freien Szene sich für zwei- oder vierjährige Förderbeiträge zu bewerben. Dafür stellt die Stadt pro Jahr 6,5 Millionen Franken zur Verfügung, davon 3,9 Millionen für die Sechsjahresbeiträge, also für kleinere Theater. Eine durch den Stadtrat gewählte Jury wertet schliesslich die eingereichten Konzepte aus und gibt dem Stadtrat einen Vorschlag für den Verteilschlüssel ab.

Bereits vor dieser Ankündigung äusserten zehn Kleintheater in einem gemeinsamen Positionspapier Bedenken wegen des Verteilschlüssels. «Das hat zur Folge, dass nun von oben bestimmt wird, wie die Kulturvielfalt in der Stadt aussehen soll, dabei sollte sich diese doch von unten entwickeln, sprich von der Gesellschaft und deren Bedürfnissen selbst», kritisiert Lubosch Held. Befürchtet wurde aber auch, dass es zwischen den kleinen Häusern zu einem verstärkten Wettbewerb kommen werde. «Dies liegt daran, und diese Meinung teilen viele meiner Branchenkollegen, dass die Kriterien für die Auswahl bis heute nicht transparent sind», so Peter Doppelfeld.

Im April wurden schliesslich die Fördergelder erstmals nach dem neuen Modell verteilt. 18 Akteure der Freien Szene profitieren. 13 Gesuche gingen für die sechsjährigen Konzeptförderbeiträge ein; von diesen sollen ab 2024 neun Institutionen Geld erhalten. Nicht mehr aber das Theater Stok und der Keller 62, die bisher mit 33 500 (Stok) bzw. 50 000 Franken (Keller) unterstützt wurden. Nun fragen sich die beiden Theaterleiter, worauf das zurückzuführen sei. Aber nicht nur mit Blick auf ihre eigenen Häuser. «Letztlich ist es so, dass die Beiträge an Betriebe gehen, die bereits zuvor subventioniert wurden. Das passt so gar nicht mit der angekündigten Erneuerung des Systems zusammen», so Lubosch Held. «Die für mich einzige, sichtbare Änderung ist die Streichung zweier Theater.»

Warum traf es aber ausgerechnet das Stok und den Keller 62 von den bisher Subventionierten? Lukas Wigger: «Grundlage der Beurteilung bildeten Kriterien in den Bereichen ‹Qualität›, ‹Realisierbarkeit›, ‹Vernetzung und Ausstrahlung› und ‹Öffentlichkeitsrelevanz› sowie – in einem zweiten Schritt – die Bedeutung der Konzepte im Kontext der gesamten Tanz- und Theaterlandschaft.» Im Falle der beiden Institutionen habe die Jury beurteilt, dass die inhaltlichen Kriterien zwar der Konzeptförderung entsprochen hätten, aber die Bedeutung der Konzepte für die Gesamtlandschaft zu wenig dringlich und überzeugend gewesen seien. Dieser Einschätzung sei der Stadtrat gefolgt. Corine Mauch konkretisierte dies laut «Tagi» an einer Medienkonferenz und erklärte, dass beide Theaterkonzepte nicht mehr den neuen Kriterien genügen würden. Das Programm sei zu wenig vielfältig, die Theater zu wenig vernetzt in der Szene und es mangle an Innovation.

«Nach welchen Kriterien wird Innovation gemessen?», fragt sich Peter Doppelfeld. Und Lubosch Held ergänzt: «Noch vor vier Jahren, als Subventionsbeiträge gesprochen wurden, wurde unser Konzept gelobt. Man bedenke, dass der Keller 62 seit 20 Jahren beispielsweise theatrales Flaggschiff des LGBTQ+-Festivals ‹warmer mai› ist und queere Kunstschaffende fördert. Es erschliesst sich nicht, was sich an unserer Diversität und Innovation verändert haben soll. Doch eben, auch hier haben wir wieder die mangelnde Transparenz der Kriterien.» Auch Peter Doppelfeld verweist darauf, dass das Theater Stok den neusten Entwicklungen der Gesellschaft Rechnung trägt. Wie andere Kleintheater seien sie zudem vor und hinter den Kulissen ein Sprungbrett für junge Kulturschaffende, die gar keine Chance hätten, in etablierte Ins­titutionen reinzukommen.

Dass die Stadt für die beiden Theater keine Konzeptförderbeiträge spricht, bedeute aber nicht zwingend deren Schliessung, so Lukas Wigger: «Der Stadtrat spricht beiden einen Abfederungsbeitrag für die Jahre 2024 und 2025 in der Höhe ihres jeweiligen bisherigen jährlichen Betriebsbeitrags plus einen zusätzlichen Beitrag von je 50 000 Franken mit der Möglichkeit, in den zwei Jahren verschiedene Szenarien zu erarbeiten, sich neu zu orientieren, ein neues Businessmodell zu entwickeln oder sich anders zu vernetzen.»

Doch Lubosch Held und Peter Doppelfeld haben ein anderes Ziel. «Wir wollen, dass die beiden Häuser weiter subventioniert werden und bestehen bleiben. Ausserdem verlangen wir, dass die Kriterien der Jury und des Stadtrats für die Beurteilung offengelegt werden, sodass alle Kulturhäuser die gleichen Chancen haben.» Unterstützt werden sie von Szene Schweiz, dem Berufsverband Darstellende Künste, der eine bereits über 5000-mal unterschriebene Petition für die beiden Kleintheater – und für eine offene Kommunikation über Subventionen – lanciert hat. Ausserdem haben die beiden Theater gegen den Entscheid Rekurs eingereicht.

Petition: act.campax.org/petitions/rettet-stok-keller62

 

 

 

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