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Zoodirektor Severin Dressen zeigt die Baustelle, aus der bis April 2028 die neue Pantanal-Voliere entstehen wird. (Bild: Sacha Beuth)

Pioniere für Sumpftiere

Von: Sacha Beuth

04. April 2024

Pantanal-Voliere: Mit dem Bau der übernetzten Sumpfanlage betritt der Zoo Zürich in verschiedenen Bereichen Neuland. Im zweiten Quartalsinterview zu Sonderthemen im Tiergarten erklärt Zoodirektor Severin Dressen, welche Herausforderungen die Schaffung eines solchen Projekts mit sich bringt. 

Die ursprüngliche Pantanalanlage wurde 2012 erstellt. Warum hat man sie nicht von Anfang an übernetzt beziehungsweise als Voliere gestaltet?

Severin Dressen: Weil damals beziehungsweise bei der Planung jener Anlage bezüglich der Vogelhaltung andere Standards galten als heute. Das Stutzen von Flügeln und Halten von auf diese Weise flugunfähig gemachten Flamingos, Enten oder andere Wasservögel war damals üblich. Seither hat sich die Vogelhaltung weiterentwickelt. Wir wollen im Zoo Zürich, dass unsere Tiere ihre natürlichen Bedürfnisse ausleben können. Dazu gehört bei Vögeln auch das Fliegen.

Welche Hürden mussten bei der Planung der aktuellen Anlage gemeistert werden?

Mit dem Projekt betreten wir in fast jeder Hinsicht Neuland beziehungsweise kommt uns eine Pionierrolle zu. In dieser Form gibt es eine solche Anlage in keinem anderen Zoo der Welt. Angefangen bei den Anforderungen an die Statik der Bögen und der Netzkonstruktion über die Flutung der Anlage bis zur Vergesellschaftung und dem Management der angedachten Tierarten. Und dann galt es auch noch, einen Rekurs gegen die Baubewilligung zu überstehen.

 

 

Panatal in Zahlen
Die eigentliche Pantanal-Voliere wird  rund 8000 m2, die gesamte Anlage gut 11000 m2 gross sein. Ihr höchster Punkt liegt 35 Meter über dem Boden. Bei der Eröffnung sollen 15 Säugetier- und Vogelarten in rund 400 Individuen die Sumpflandschaft bevölkern. Die Anlage wird vollumfänglich durch Eigenmittel beziehungsweise Spenden finanziert, wobei die Kosten laut Dressen «im Range» von 60 Millionen Franken liegen werden. SB

 

Letzterer wurde von Anwohnern 2022 beim Baurekursgericht eingelegt, weil verstärkte Emissionen durch die Besucher befürchtet wurden. Inzwischen hat das Gericht die Baubewilligung bestätigt. Hatte der Rekurs dennoch Konsequenzen für den Zoo?

Ja, insbesondere für die Tiere. Die Löwenäffchen und mehrere Vogelarten müssen nun zwei Jahre länger unter suboptimalen Bedingungen leben und nicht mit dem Topstandard, den wir all unseren Bewohnern bieten wollen. Der Rekurs führte auch dazu, dass wir aktuell mit Pantanalvoliere, Panterra (Raubkatzenanlage mit Wechselgehegen, die Red.) und der Forschungsstation im Exotarium parallel drei Baustellen haben. Hinzu kommen Zusatzkosten für juristischen Beistand und – weil die Anlage die Attraktivität des Zoos weiter steigern wird – Umsatzausfälle wegen der zweijährigen Verspätung.

Inzwischen konnte mit dem Bau begonnen werden. Wie ist der aktuelle Stand der Dinge?

Gegenwärtig werden Rodungsarbeiten durchgeführt, durch die eine grosse Freifläche entsteht, bei der man die künftigen Dimensionen schon mal etwas erahnen kann. Danach wird die bestehende Infrastruktur abgerissen, darunter auch einige Stallgebäude. Anschliessend wird eine Passerelle über den hinteren Bereich der Anlage gebaut, damit die Besucher die Baufortschritte sehen und erleben können, und dann beginnen die Erdarbeiten und das Setzen der Fundamente.

Welche Bereiche der Anlage sind bautechnisch am schwierigsten umzusetzen und warum ist dies so?

Am anspruchsvollsten ist mit Abstand die eigentliche Voliere. Sie besteht aus zehn riesigen Stahlbögen, die aber zu gross sind, um sie in einem Teil zur Baustelle zu transportieren. Es muss erst eine Unterkonstruktion geschaffen werden. Dann werden die jeweils 14 m langen Bogenteile darauf angebracht und Stück für Stück miteinander verschweisst und mit Stahlseilen stabilisiert. Stehen die über 100 m langen Stahlträger, wird anschliessend die Unterkonstruktion wieder abgebaut und erst dann das Netz eingeknüpft.

Das ebenfalls hohen Anforderungen gerecht werden muss.

Genau. Damit es eine möglichst hohe Transparenz aufweist, wurde ein schwarz eloxiertes Netz gewählt. Zugleich muss es sehr engmaschig sein, damit kleinere Bewohner nicht daraus entweichen und grössere Räuber nicht von aussen eindringen können. Es muss weiter sehr stabil sein, um der Beanspruchung durch die harten Papageienschnäbel zu widerstehen, weshalb es aus Edelstahl besteht. Und bezüglich Statik muss es Stürme und eine bis zu 80 cm hohe Schneedecke aushalten können.

Im südamerikanischen Pantanal, das im Grenzgebiet von Brasilien, Paraguay und Bolivien liegt, wechseln sich Trocken- und Regenzeiten ab. Wie wird dies in Zürich simuliert?

Indem ein Teil der Anlage immer trocken und ein Teil immer feucht gehalten wird und ein weiterer Teil – ungefähr ein Drittel der Fläche – periodisch geflutet wird. Das funktioniert mittels Pumpen und Rückhaltetanks, um das Wasser wiederzuverwenden. So ändert sich immer wieder die Umwelt der Tiere, was die Qualität der Tierhaltung weiter steigern wird.

Im Gegensatz zum echten Pantanal wird es im Pantanal des Zoo Zürich im Winter dauerhaft kalt und es kann Schnee geben. Was geschieht dann mit den Bewohnern der Voliere?

Zum einen werden wir in der Peripherie der Anlage beheizte Unterkünfte für unsere Vögel bauen. Zum anderen werden sich Arten wie Tapire, Ameisenbären, aber auch Affen oder Bodenvögel wie bisher in die Innenanlagen des Exotariums zurückziehen können. Und dann sollte man nicht vergessen, dass selbst tropische Tiere auch mal tiefe Temperaturen aushalten können. Auch im Pantanal kann es mal 0 Grad werden.

In die Voliere ziehen sowohl Vögel wie Säugetiere ein. Wie stellen Sie sicher, dass die Tiere sich nicht übermässig gegenseitig stören oder gar – etwa wegen gleicher Futtervorlieben – zu Leibe rücken?

Gelegentlicher Stress ist an sich nichts Schlechtes, sondern reichert vielmehr den Alltag von Zootieren an. Wir müssen einfach dafür sorgen, dass es nicht zu permanentem Unfrieden kommt. Dafür hat die angedachte Artenauswahl aber wenig Potenzial. Und beim Futter wird uns die Technik helfen. Die Tiere sollen vorab in den Innenanlagen gefüttert werden. Da sie ohnehin einen Transponderchip tragen, können wir über eine elektronische Zugangssicherung steuern, welche Arten oder Individuen in die Innenanlage gelangen und welche nicht. Wir planen sogar ein eigentliches Tra­ckingsystem, mit dem man jederzeit weiss, welches Tier wo ist. Das hilft nicht nur beim Management der Bewohner, sondern kann auch für Forschungszwecke verwendet werden. Diese technischen Mittel haben übrigens in der Zoowelt ebenfalls Pioniercharakter.

Was ist, wenn die Affen wie teilweise in der Natur die Eier von Vögeln klauen und fressen?

Das wird kaum passieren, denn dafür sind die vorgesehenen Affenarten zu klein respektive die Eier der gehaltenen Vögel zu gross. Das ist auch mit ein Grund, warum wir keine kleinen Singvögel in der Voliere zeigen werden.

Die Tiere werden sich in der Voliere mehrheitlich frei bewegen können. Wie stellen Sie sicher, dass es nicht zu unerwünschten Interaktionen zwischen Besuchern und den Bewohnern kommt?

Es werden die gleichen Verhaltensregeln gelten, wie sie auch im Masoala-­Regenwald zum Tragen kommen. Und dank unserer disziplinierten Gäste wird das auch funktionieren. Sollte es bei den Tieren Individuen geben, die sich den Besuchern gegenüber so verhalten, dass wir es nicht verantworten können, werden sie aus der Anlage genommen und an andere Zoos abgegeben.

Ursprünglich waren für die Anlage auch Riesenotter geplant, wurden inzwischen aber gestrichen. Und auch die zuvor gehaltenen Wasserschweine, die eine Charakterart im echten Pantanal darstellen, wurden abgegeben. Warum?

Bei den Riesenottern hatten wir in der Planung festgestellt, dass wir mit ihnen das Grundkonzept einer offenen Sumpffläche nicht würden einhalten können. Weil sie starke und geschickte Räuber sind, wären hohe Abschrankungen nötig geworden. Zudem wollten wir nicht riskieren, dass ihnen unsere Vögel zum Opfer fallen. Die Wasserschweine oder Capybaras kommen nicht zurück, weil wir uns auf die Haltung von gefährdeten Arten konzentrieren. (Der Zoo Zürich hat sich übrigens kürzlich auch von den Regenwald bewohnenden Zweifingerfaultieren getrennt, die ebenfalls nicht als gefährdet gelten – die Red.)


Wann wird die Anlage den Besuchern übergeben werden können?
Wenn alles wie gewünscht verläuft, dann im April 2028.

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