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Danylo Mykhailiuk arbeitet seit rund einem Jahr in der Kronenhalle. Für seine mangelnden Sprachkenntnisse zeigen die Gäste Verständnis. Bild: PD

Ukrainer erobern Gastronomie

Von: Clarissa Rohrbach

15. August 2023

Ein Viertel der ukrainischen Flüchtlinge arbeitet im Gastgewerbe. Häufig sprechen diese kein Deutsch. Mangelnde Sprachkenntnisse sind in der Branche weit verbreitet. 

Danylo Mykhailiuk kann kein Deutsch. Der 26-jährige Ukrainer arbeitet seit rund einem Jahr in der Bar der Kronenhalle. Er ist letzten Sommer wegen des Krieges aus Donezk in die Schweiz geflüchtet. Der studierte Ökonom stellte sich spontan im traditionsreichen Restaurant vor, konnte einen Probetag machen und wurde am Tag danach angestellt. Mykhailiuk redet mit den Kunden Englisch. Es sei nicht leicht, sich zu verständigen, vor allem wenn er Bestellungen aufnehmen müsse. «Aber die Gäste sind sehr verständnisvoll, ich habe bisher keine Reklamationen erhalten», sagt er. In der Kronenhalle seien die Leute sehr höflich, viele interessierten sich für ihn und fragten, woher er komme. «Wenn sie hören, dass ich ein ukrainischer Flüchtling bin, reagieren sie herzlich.»

Dass Ukrainer in der Gastronomie Abhilfe schaffen, ist naheliegend. Die Flüchtlinge suchen einen Job und in der Branche herrscht Personalmangel. Laut Gastrosuisse sind seit Anbruch der Pandemie 30 000 Stellen verloren gegangen. Während Corona mussten die Betriebe schliessen, die Angestellten wanderten ab. Zwar hat sich die Gastronomie nun erholt, doch es fehlen Arbeitskräfte. Eine Umfrage der ETH Zürich zeigt, dass jeder vierte Betrieb zu wenig Personal hat. Gastro Bern sieht in den Flüchtlingen eine Möglichkeit, diesen Engpass zu überwinden. Letztes Jahr hat der Verband Crashkurse eingeführt, bei denen Ukrainer die Grundlagen des Gastgewerbes lernen. «Wir sind überzeugt, dass ukrainische Flüchtlinge die Schweizer Gastrobetriebe entlasten können», sagt Tobias Burkhalter, Präsident von Gastro Bern.

In Zürich sieht man das anders. «Ukrainer sind nicht die Lösung», sagt Urs Pfäffli, Präsident von Gastro Zürich. Man habe zu Beginn des Krieges bei der Anlaufstelle des Kantons nachgefragt, ob man Flüchtlinge vermitteln soll, aber laut den Behörden bestand kein Bedürfnis. Pfäffli unterscheidet nicht zwischen ukrainischen Flüchtlingen und anderen Gastro-Angestellten. Die mangelnden Sprachkenntnisse seien in der Branche weit verbreitet. So gehöre es zum Beispiel in italienischen und asiatischen Restaurants dazu, dass die Angestellten die Sprache nicht sprechen. «In der Gastronomie kommt es auf den Menschen drauf an, ob er mit Herzblut arbeitet», sagt Pfäffli.

Selbstbestimmtes Leben

Und doch scheint die Gastronomie neben der Pflege und dem Unterricht die Branche zu sein, in der am meisten Ukrainer arbeiten. Laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) arbeiten rund 25 Prozent der Flüchtlinge im Gastgewerbe. In der Heimat hatten die Geflüchteten einen hochqualifizierten Job, doch wegen der mangelnden Sprachkenntnisse und der Diplome, die nicht anerkannt werden, können sie nicht in ihrem angestammten Beruf arbeiten. Von den rund 65 000 Ukrainern, die in der Schweiz leben, sind rund 20 Prozent erwerbstätig. Laut SEM ist die Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge positiv zu werten. Es sei eine kontinuierliche Zunahme der Personen mit Schutzstatus S zu verzeichnen, die arbeiten. «Arbeit ist keine Priorität, diese Menschen sind in die Schweiz gekommen, um Schutz vor einem Krieg zu finden, sie mussten sich zunächst hier einleben», sagt Sprecherin Anne Césard.

Dazu komme, dass rund zwei Drittel der Geflüchteten Frauen, häufig mit Kindern, seien, für welche der Einstieg in die Arbeitswelt mit zusätzlichen Hindernissen verbunden ist. Die Flüchtlingshilfe Schweiz setzt sich dafür ein, dass Geflüchtete ohne Einschränkung Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. «Die Erwerbstätigkeit trägt bei der Integration eine grosse Bedeutung, so können Geflüchtete ein selbstbestimmtes Leben führen», sagt Sprecher Lionel Walter. Ein Job bedeute finanzielle Unabhängigkeit, so könnten arbeitende Ukrainer zum Beispiel in einer eigenen Wohnung leben. Laut Walter ist die Sprachbarriere die grösste Hürde für die Arbeitsintegration. Doch die sprachliche Integration sei erfreulich, viele Menschen aus der Ukraine besuchten Sprachkurse. Danylo Mykhailiuk kommt in der Kronenhalle auch ohne Deutsch zurecht. «Ich bin sehr dankbar für diese Stelle, in Zürich habe ich den besten Job, den ich je hatte.»

Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

 

 

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