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Über 200 000 Personen folgen der Seite auf Instagram. (Bild: JS)

Zürcher blossgestellt

Von: Clarissa Rohrbach

23. Januar 2024

Die beliebte Social-Media-Plattform «Szene isch Züri» zeigt krasse Videos aus der Stadt. Doch damit macht sie sich strafbar. Laut eines Juristen ist es aber schwierig, die Betreiber rechtlich zu verfolgen. 

Ein Mann pinkelt gegen ein Auto. Ein anderer attackiert in der S-Bahn Fahrgäste mit einem Messer. Ein obdachloser «Surprise»-Verkäufer wird auf offener Strasse von Jugendlichen verprügelt. Es sind krasse Szenen aus dem Stadtleben, welche die Social- Media-Plattform «Szene isch Züri» zeigt. Und dies sorgt für Aufsehen. Auf Instagram folgen rund 200 000 Personen dem Kanal. Diese sind meistens männlich und zwischen 18 und 24 Jahre alt.

Doch die Videos bewegen sich in einem juristischen Graubereich. Laut Medien-Rechtsanwalt Martin Steiger ist es in der Schweiz grundsätzlich verboten, Personen ohne deren Einwilligung zu filmen. Es besteht das Recht am eigenen Bild. «Kanäle wie ‹Szene isch Züri› verletzen sofort das Persönlichkeitsrecht», sagt Steiger. Die Veröffentlichung der Videos sei in erster Linie zivilrechtlich verfolgbar. Doch laut Steiger ist das nicht einfach. «Die meisten Personen haben die Ressourcen nicht, um den Rechtsweg zu beschreiten, denn das ist teuer und zeitaufwendig.» Er frage sich, wieso Plattformen wie TikTok solche fragwürdigen Kanäle zulassen.

Bewusste Provokation

Die erste Seite mit den provozierenden Videos wurde im Mai 2020 in Basel als «Szene isch Basel» gegründet. Innert Tagen hatte diese bereits 10 000 Follower. Der Erfolg führte zu Accounts in anderen Städten wie in Zürich, Luzern und Winterthur. Laut «Tages-Anzeiger» musste «Szene isch Züri» den Account auf Instagram im Juli 2020 löschen, weil der Betreiber die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsrichtlinien verletzt hatte. Doch er stellte bald eine neue Seite ins Internet.

Die Betreiber der verschiedenen Seiten, alle Anfang 20, kümmert es wenig, dass die Videos persönlichkeitsverletzend sind. «Ich provoziere gerne, das gehört dazu, sonst wird es langweilig», sagt der Betreiber aus Winterthur dem «Tages-Anzeiger». Mit den Videos wolle er unterhalten und gute Laune verbreiten. Die Videos werden ihm von Followern geschickt, die krasse Situationen in der Stadt gefilmt haben. Er begründet in der «Wochenzeitung» seine Tätigkeit mit der Liebe zum Lokalen, lukrativ sei das nicht. Es sei geil, wenn man Videos aus seiner Stadt sieht und wisse, was auf den Strassen passiert. Es gehe um das Heimatgefühl zu seiner Stadt.

Gegen die Polizei

Auch strafrechtlich sind die Plattformen kritisch. So liefen gegen den Betreiber der Winterthurer Seite «Szene isch Winti» bereits zwei Strafverfahren. In Zürich betreibt der Gründer den Kanal ohne rechtliche Konsequenzen. Die Stadtpolizei meint, man habe den Account gesichtet. «Wenn strafrechtliche Taten ersichtlich sind, kann dies zu entsprechenden Ermittlungen führen», sagt Pressesprecher Michael Walker. Die Videos beeinflussen auch die Arbeit der Polizei, da oft polizeiliche Einsätze gezeigt werden. Oft folgen darauf abschätzige und negative Kommentare auf der Plattform. «Wir stellen fest, dass unreflektiert und zusammenhangslos Videos und Bilder gepostet werden, die bewusst auf die Sensationslust des Publikums abzielen», sagt Walker. Polizeikritische Inhalte würden sich sehr schnell verbreiten. Damit einhergehe vielfach die Vorverurteilung der Polizeiarbeit, ohne die Hintergründe des jeweiligen Einsatzes zu kennen. «Das führt zu einer gefährlichen Verwechslung des polizeilichen Gewaltmonopols mit Polizeigewalt», sagt Walker.

Während Polizisten bei ihrer Tätigkeit gefilmt werden dürfen, haben Privatpersonen das Recht, einzuschreiten. Der Betreiber von «Szene isch Züri» meint, Leute, die sich in den Videos erkannten und dies nicht wollten, könnten sich bei ihm melden. «Ich nehme dann den Post sofort weg.» Er könne niemals alle nach ihrem Einverständnis fragen, da er 99 Prozent der Videos zugeschickt bekomme.

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