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Porträt

Litt früher an Hepatitis C und engagiert sich heute für Betroffene: Andrea Rinderknecht, Gründerin des Schweizer Patientenforums. Bild: Andreas Auf der Maur

Hepatitis C hatte einen ebenso schlechten Ruf wie Aids

Von: Ginger Hebel

28. März 2017

Infektions-Krankheit Durch eine verschmutzte Homöopathie-Spritze erkrankte Andrea Rinderknecht (53) an Hepatitis C. Seit letztem Jahr ist sie geheilt. Sie engagiert sich für Betroffene und hat eine Patientenplattform gegründet. Von Ginger Hebel

Krankheiten sieht man den Menschen oft nicht an, auch Andrea Rinderknecht litt jahrelang an einer «stillen» Krankheit. Mit 35 Jahren diagnostizierte man bei ihr Hepatitis C, «das war ein Hammerschlag», sagt die heute 53-Jährige rückblickend. Mit dem Hepatitis-C-Virus infizieren sich häufig Drogensüchtige, die ihre Spritzen austauschen, aber auch wer sich tätowieren und piercen lässt oder eine Pediküre bucht, geht ein Risiko ein, falls mit verdreckten Instrumenten gearbeitet wird.

Im Fall von Andrea Rinderknecht war es ein Homöopath, der ihr eine verschmutzte Spritze verabreichte. Ihre Hepatitis-C-Erkrankung entdeckten die Ärzte erst viel später zufällig bei einer Eigenblutspende für eine Bauchoperation. Auch wurde sie gelegentlich diskriminiert. Selbst gute Bekannte stellten sie schon mal bloss, weil sie nichts über die Krankheit wussten. Fondue essen? Lieber nicht mit ihr. Dabei ist Hepatitis C nur von Blut zu Blut übertragbar und nicht über die Schleimhäute. «Die Krankheit hatte früher einen ähnlich schlechten Ruf wie Aids», erzählt Andrea Rinderknecht.

Fehlendes Bewusstsein

Hepatitis C ist eine Leberentzündung. Die Ansteckung erfolgt durch den Kontakt mit infiziertem Blut. In der Schweiz leben etwa 50 000 bis 80 000 Personen mit einer Hepatitis-C-Infektion. «Die Mehrheit ist sich dessen gar nicht bewusst», sagt Andrea Rinderknecht. Die Krankheit ist heilbar, unbehandelt kann sie jedoch zu Leberschädigungen wie Leberzirrhose oder Leberkrebs führen. Oftmals sind auch mehrere Organe betroffen, viele Patienten leiden unter Rheuma oder Diabetes.

Ihren ersten Mann verlor Andrea Rinderknecht an Krebs, da war sie 26 Jahre alt. Die Diagnose kam kurz nach der Hochzeit. Damals, erzählt sie, gab es noch keine Krebsliga, keine psychologische Betreuung für Betroffene und Angehörige. «Man lief aus der Arztpraxis und fragte sich: Krebs, und jetzt? Wie gehts weiter?»

Andrea Rinderknecht, Psychologin von Beruf, begann, selber Krebspatienten zu betreuen, und rief das Schweizer Patientenforum ins Leben; eine Plattform für Menschen mit belastenden Krankheiten. Mit ihrem zweiten Mann, Dr. Victor Hofmann, baute sie das onkologische Zentrum in der Zürcher Klinik im Park auf.

Teure Therapien Andrea Rinderknecht hat schwere Zeiten hinter sich, monatelange Therapien, die sie immer wieder abbrach, weil sie die Nebenwirkungen nicht ertrug. Sie litt unter Haarausfall, trockener Haut und innerer Unruhe. «Ich fühlte mich fremd im eigenen Körper, musste mich immer schwer zusammenreissen.» Ein Arzt ermöglichte ihr schliesslich eine neue Therapie mit einem hochwirksamen, wenn auch sehr teuren Medikament. «Das Problem ist, dass man sich seine Krankheit oft gar nicht leisten kann.» Denn Krankenkassen bezahlen beispielsweise Hepatitis-C-Medikamente nur für Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung.

Neue Patienten-Plattform

Seit letztem Jahr ist Andrea Rinderknecht wieder gesund. Sie lebt in der Stadt Zürich und engagiert sich für andere Betroffene. Nächste Woche geht die Plattform «Patien­tube» online. Sie soll eben erst diagnostizierte Patienten mit Erfahrenen vernetzen. Ärzte und Experten teilen sich mit. Und Betroffene erzählen in Videobeiträgen von ihren Behandlungen und Nebenwirkungen. Andrea Rinderknecht will Patienten eine Stimme geben und den Krankheiten ein Gesicht. «Es gibt keinen, der besser über eine Krankheit Bescheid weiss als der Betroffene selbst. Wenn man sich austauscht, ist man stärker.»

www.patientube.com


Am Dienstag, 4. April 2017, findet von 18.30 bis 20 Uhr ein Vortrag zum Thema Hepatitis C in der Klinik Hirslanden an der Witellikerstrasse 40 statt. Es reden Ärzte wie Prof. Bernhard Sauter von der Klinik Hirslanden sowie ehemalige Patientinnen wie Andrea Rinderknecht, Gründerin der Patienten-Plattform Patientube. www.hirslanden.ch/anmeldung

 

 

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