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Kultur

Olivia Merz (v. l.), Paula Scharrer, Aliosha Todisco und Paul Studer nach dem Band-it-Sieg 2021. (Bild: Ethan Welty)

Eine musikalische Stimme für die Jugend

Von: Christian Saggese

23. Februar 2022

Die noch junge Zürcher Band Fräulein Luise gewann letztes Jahr den wichtigen Schweizer Bandnachwuchswettbewerb «Band-it». Am Freitag erscheint ihre erste Single mit einer wichtigen Message. 

«Fräulein Luise» ist ein Nebencharakter aus Dürrenmatts Welterfolg «Der Besuch der alten Dame». Das Werk brachte dem Schweizer Schriftsteller die finanzielle Unabhängigkeit. Ein gutes Omen für die noch junge Zürcher Band «Fräulein Luise»? Die Hoffnung, bald auch auf den grossen Schweizer Festivalbühnen spielen zu dürfen, ist den vier Musikerinnen und Musikern zumindest in jedem Wort anzumerken. Und unrealistisch ist dieser Traum nicht. Obwohl es die Gruppe erst seit knapp zwei Jahren gibt, konnten sie letzten August mit dem «Band-it» bereits den wichtigsten Schweizer Contest für Nachwuchsbands gewinnen. Dieser Wettbewerb war schon für so manchen Act ein wichtiges Karrieresprungbrett. Zudem veröffentlichen Fräulein Luise am kommenden Freitag mit «Marie» ihre erste offizielle Single, die aufgrund der bedeutsamen Thematik auf grosse Beachtung stossen dürfte. Dazu aber später mehr.

Authentizität wichtig

Fräulein Luise, das sind Olivia Merz, Paula Scharrer, Paul Studer und Aliosha Todisco, alle 18 Jahre jung. Ihre Lieder entstehen grösstenteils in ihrem Bandraum in Höngg. Während des ersten Lockdowns kam Multiinstrumentalistin Paula Scharrer, die schon seit längerer Zeit Songs für sich selbst schrieb, auf die Idee, eine Band zu gründen. Ihre Sandkastenfreundin Olivia Merz war als Sängerin schnell mit an Bord, und mit Bassist Paul Studer bildete sich schliesslich ein Trio. Im Laufe der Zeit stiess noch Schlagzeuger Aliosha Todisco dazu, den sie bei einer «Critical Mass»-Kundgebung kennenlernten.
Den Sound des Quartetts zu schubladisieren, ist schwierig. «In unsere Songs fliessen verschiedenste Genres ein, wie Indie, Rock, Pop und Jazz», versuchen sie ihn dennoch einzuordnen. «Wichtig sind uns auch melodiöse Basslines und ein zweistimmiger Gesang». Wer Bands wie Annenmaykantereit oder Faber mag, ist hier nicht fehl am Platz.

Eine zentrale Rolle spielen auch die Texte. «Uns ist es wichtig, mit unseren Liedern eine Message zu verbreiten, ohne dabei aber etwa den Zeigefinger zu heben oder gar Moralapostel zu sein», stellt Paula Scharrer, von der die meisten Lyrics stammen, sofort klar. «Vielmehr wollen wir einfach darüber singen, was junge Menschen heutzutage beschäftigt. Hierfür verarbeiten wir persönliche Erlebnisse, aber auch generell relevante gesellschaftliche Themen.» Um dabei möglichst authentisch zu bleiben, singen sie auf Deutsch oder Mundart, da sich die Emotionen in der eigenen Muttersprache am besten vermitteln lassen.

Hörerschaft wachrütteln

Was aber beschäftigt die Truppe, die sich der linken und queeren Szene zuordnet? «Wir sind uns völlig bewusst, dass sich viele Menschen in der Schweiz, und speziell auch in Zürich, in einer sehr privilegierten Lage befinden», sagt Olivia Merz. «Doch sobald man die eigene Bubble verlässt, merkt man doch schnell, dass nicht alles so glänzt, wie es scheint. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer grösser. Zwischen den Geschlechtern herrscht noch immer eine grosse Ungleichbehandlung. Und auf der Strasse gibt es viele Menschen mit teils schlimmen Schicksalsgeschichten, die aber in der Anonymität einer Grossstadt untergehen.»

Von einem solchen Schicksalsschlag handelt auch die am Freitag erscheinende Single «Marie». Thematisiert wird sexuelle Gewalt, die daraus resultierenden Konsequenzen und auch, wie überfordert das Umfeld einer betroffenen Person darauf reagiert. Sprich: Wie gehe ich damit um, wenn eine gute Freundin mir von solchen Übergriffen erzählt? Ein schwieriges, aber wichtiges Thema. Paula Scharrer: «Wir hoffen, mit dem Song wachrütteln zu können. Betroffenen Menschen zu zeigen, dass sie nichts dafür können, was ihnen geschehen ist. Dass sie nicht alleine sind und unbedingt über das Geschehene reden sollen. Und dass wir alle zuhören sollten.»

Etwas irritierend wirkt, dass der Sound von «Marie» mit seinem tanzbaren Beat stellenweise fast ein bisschen fröhlich klingt. Für Drummer Aliosha Todisco ist dies allerdings kein Widerspruch: «Wir wollen nicht im Pathos versinken, unsere Musik soll auch eine Aufbruchsstimmung verbreiten.» Letztlich seien sie ja immer noch eine junge, energiegeladene Band, die für gute Stimmung sorgen will.
Dementsprechend geht es bei Fräulein Luise auch nicht immer ganz so ernst zu. So haben sie durchaus auch humorvolle Lieder. Oder sie singen über die Liebe in all ihren Facetten. Und kürzlich versuchten sie sich an ihrem ersten französischen Stück, «das weder grammatikalisch noch inhaltlich wirklich viel Sinn ergibt», erzählen sie schmunzelnd.

Socken als Hingucker

Nach «Marie» sollen noch weitere einzelne Songs folgen, bevor sich das Quartett seinem ersten Album widmet. Gierig sind sie auch danach, noch mehr Live-Erfahrungen zu sammeln, was pandemiebedingt bisher eher schwierig war. Einzelne Gigs wie im Dynamo, im Moods und im Helsinki gab es aber bereits. Am 19. März sind sie wieder im Helsinki zu sehen.

Live ist diese einzigartige Gruppe übrigens leicht zu erkennen. Ganz nach ihrem Bandnamen – Fräulein Luise trug gelbe Schuhe – stehen die vier Zürcherinnen und Zürcher stets mit gelben Socken auf der Bühne.

«Marie» von Fräulein Luise gibt es
ab Freitag, 25.2., auf allen gängigen Streamingplattformen und als MP3.
Konzert am 19. März im Helsinki.

www.instagram.com/fraeuleinluisee

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Leserkommentare

Karin Künzli-Rudolf - Wow, gratuliere herzlich zu diesem grossartigen Erfolg! Freue mich euch bald live zu hören.

Vor 2 Jahren 1 Monat  · 
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