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In Würde alt werden, welch schöne Aussage. Wie ist es aber in der Realität?

Welche Rechte hat ein dement kranker Mensch und was passiert, wenn man sich nicht  mehr wehren kann, der Verstand und die Logik noch aktiv sind?

Überraschend kann der Tag kommen, wo man nicht mehr in der Lage ist, alleine zu entscheiden, ob zu Hause alt werden, in ein Alters- und Pflegeheim zu ziehen oder ob man in eine Psychiatrie eingewiesen werden muss.

Fragen um Fragen, aber wer kann wirklich helfen?

Dieser Bericht erzählt die Geschichte einer Mutter(88) mit 3 Kindern, die an Demenz erkrankt ist und wegen dieser Krankheit schlussendlich in einer Psychiatrie untergebracht wurde.

Mutter hatte bis vor 3 Jahren den ganzen Haushalt gemeistert, ist einkaufen gegangen, konnte ausgezeichnet kochen, backen und alles was dazu gehörte. Doch dann passierte der Unfall, welcher ihr ganzes Leben verändern wird.

Im Mai 2012 stürzte unsere Mutter zuhause und verletzte das rechte Auge so stark, dass sie sofort in die Augenklinik USZ eingeliefert werden musste. Fazit ist, blind auf dem rechten Auge, gehörlos auf dem rechten Ohr.

Rückschliessend entstanden zusätzlich, durch diesen Unfall plötzlich auftretende Angstzustände, auch zeigten sich Vergesslichkeit und Verwirrtheiten auffallend. Dann nach diversen Arztbesuchen wurde eine Demenz mit Wahnvorstellungen diagnostiziert und somit musste eine private Institution zur Unterstützung hinzugezogen werden.

Zu dieser Zeit lebten Mutter und Bruder im selben Haushalt, sodass auch er sie so gut es ging nebst dem Job betreuen konnte. Diese intensive Aufgabe forderte viel Kraft und Geduld.

Im Laufe der folgenden 2 1/2 Jahren nahmen die erwähnten Komplikationen zu und es musste eingesehen werden, dass diese Situation für alle Beteiligten nicht mehr tragbar war.

Ende November 2014 war unsere Mutter ins Alters- und Pflegeheim eingetreten. Mit diesem Schritt aber verschlechterte sich unerfreulicherweise allmählich ihre Demenz, indem sie schlechter zu Fuss war und weniger fliessend sprechen konnte.

Hingegen legten sich die Wahnvorstellungen, weil die medikamentöse Verabreichung geänderte wurde.

Aber gegen Heimweh gibt es keine Pillen, weshalb sie oft weinte.

Mutters Kommunikation verschlechterte sich mehr und mehr, demzufolge führte dies zu Missverständnissen zwischen ihr und dem Pflegepersonal.

Anfangs April 2015 teilte uns die Heim- und Pflegeleitung mit, dass Mutter bei ihnen vermutlich am falschen Ort sei. Sie brauche intensive Betreuung, sei nicht gern alleine, habe manchmal aggressive Momente, weine oft und laut.

Anfangs Juni 2015 mahnte die Pflegeleitung dieses Heims, Mutter sei nicht mehr tragbar. Sie habe aggressive Momente, schimpfe und wirble mit Gegenständen herum und sie brauche „1 zu 1 Betreuung“. Diese Aussagen teilten jedoch nicht alle Beteiligten.

Nun wollte die Heimleitung diesen Aufwand nicht mehr betreiben und legte uns nahe, wir sollten uns baldmöglichst für einen neuen Heimplatz umsehen. Baldmöglichst hiess eigentlich sofort wie sich später herausstellte. Aber welches Heim beherbergt Mutter mit diesen Symptomen oder Gebrechen?

Wodurch werden Aggressionen entwickelt? Ab wann müsste dies vom Fachpersonal bemerkt oder validiert werden?

Ende Juni 2015 musste Mutter gezwungenermassen in die Psychiatrische Kurzzeitpflege zur medikamentösen Einstellung übersiedelt werden. Es blieb uns keine andere Wahl!

Der bevorstehende Aufenthalt war ihr noch nicht bewusst. Deutlich und freundlich entgegnete Mutter der Ärztin als man sie mit Namen ansprach: „Ja bitte?“ Sie konnte aber nicht erklären, wo sie war und weshalb sie in dieses Heim kam, das wurde ihr zuvor auch nicht konkret erklärt.

Für die Ärzte war dies der Aufhänger zur Diagnose: „schwere Demenz“!

Nach über 5 Wochen Aufenthalt, hiess es beim Austritts-Befund, Mutters Zustand sei besser als beim Eintritt. Heisst „besser“, dass sie kaum mehr sprechen, sowie nicht mehr gehen konnte und meistens weinte? Heisst dies nun in der Fachsprache „besser“?

Die Sozialabteilung bemühte sich um einen neuen Heimplatz. Mutter war nun medikamentös eingestellt. Nicht weniger als 8 verschiedene Institutionen wurden angefragt. Obwohl vorgängig hoffnungsvolle Resonanzen ermittelt wurden, hagelte es nach Einsicht in den Überweisungsrapport nur Absagen. Woran das wohl liegen mag? Macht es einen Unterschied, ob privat angefragt wird, oder ob sich eine Sozialabteilung darum kümmert?

Mitte August 2015 kam Mutter schlussendlich in eine Langzeitpsychiatrie, geschlossene Demenzabteilung.

Das wollten wir nie! Jedoch war dies immer die Idee der Heime.

Mutter weint sehr oft und ist unglücklich. Sie kann weder gehen noch sprechen, oder wenn nur noch unter sehr grossem Aufwand.

Unglücklicherweise hatte das erste Alters- und Pflegeheim versagt. Ausserdem war ein Teil des Pflegepersonals oftmals an die Grenzen gestossen, indem sie nicht wussten, wie in gewissen Situationen zu handeln ist.

Mutter wäre heute nicht in diesem kläglichen Zustand. Sie konnte vor 3 Monaten noch viel besser sprechen und gehen, weinte wohl auch, aber konnte sich häufig an Einzelheiten erfreuen und lächelte oft. Heute ist nichts mehr davon zu sehen.

Bleibt einem dement erkrankten Menschen nur noch der Aufenthalt in der Psychiatrie, weil spezielle Institutionen ausgebucht sind?

Wir würden heute einiges anders machen. Auf jeden Fall aber alles daran setzen, einen alten Menschen mit einer Fremdhilfe so lang wie nur möglich zu Hause zu lassen.

Diesen mühsamen Weg ging nun alleine auf die „Kosten“ von Mutter. Innerhalb von nur 10 Monaten musste sie dreimal den Ort wechseln. Aber unter welchen Bedingungen?

Sie ist ja eigentlich „nur“ dement, hätte Humor, ist liebenswürdig und erkennt uns Kinder jederzeit.

Ob sie jemals wieder lächeln wird? In Würde alt werden!

risut-zeus@hispeed.ch 

15. Oktober 2015

Von: Rita Suter

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