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Eine der Celebrations von ICF. Bild: PD

"Gott, ich will dich spüren"

Die Freikirche ICF (International Christian Fellowship) liegt an der Spitze der thematisierten Gruppen bei Infosekta, der Fachstelle für Sektenfragen. Ist ICF wirklich eine Sekte? Und wieso sind so viele Menschen davon verunsichert? Pressesprecher Daniel Linder weiss es und erklärt, wie er Gott begegnet.

Tagblatt der Stadt Zürich: Herr Linder, nach Scientology bekommt Infosekta am meisten Anrufe wegen ICF. Das ist bedenkenswert.

Daniel Linder: Nein, eher schade. Wir waren sonst immer an erster Stelle (lacht). Jetzt im Ernst, diese Zahlen schüren Vorurteile. ICF ist eine Freikirche, wird aber in den gleichen Topf wie Sekten geworfen, weil der Begriff «Sekte» bereits im Namen Infosekta enthalten ist. Tatsächlich wurden nur die Anrufe der Menschen gezählt, die sich über uns informiert haben. Leute, die uns nicht kennen, wollen verstehen, was wir machen. Wir lösen nun mal starke Reaktionen aus, weil wir laut und auffällig sind. Deswegen stehen wir auch im Fokus von Sektenbeobachtern. Doch als Sekte wurden wir nie eingestuft, es wurde nur behauptet, wir hätten sektenähnliche Tendenzen. «Sekte» ist sowieso ein Kampf­begriff, der verwendet wird, um alles abzu­stempeln, was nicht passt.

An euren Gottesdiensten, den sogenannten Celebrations, wirken die Teilnehmer so, als hätte man sie einer Gehirnwäsche unterzogen.

Linder: Die meisten Menschen sind heute «entkirchlicht». Für jemanden, der weit weg von Gott lebt, mögen unsere Treffen tatsächlich unheimlich wirken. Das ist aber sehr individuell. Mit Gehirnwäsche hat das nichts zu tun.

Elektromusik und coole Projektionen untermalen die Zusammenkünfte. Dadurch wirkt ICF besonders lässig. Braucht das eine Kirche heutzutage, um Anhänger zu finden?

Linder: Die moderne Art gehört zu unserem Stil. Wir wollen am Puls der Zeit sein. Unsere Botschaft ist zwar traditionell christlich, aber die Verpackung ist neu. Wir haben uns gefragt, wie man in der heutigen Zeit die Leute am besten erreicht. Es haben sowieso schon alle immer einen Bildschirm vor der Nase, wieso sollte das am Sonntag nicht so sein? Deswegen verzichten wir auf die Orgel und setzen auf Bands und Multimedia. Unser Wunsch ist es, uns von den engen Strukturen der traditionellen Kirchen zu lösen. Unsere Form des Glaubens ist freier. Das gefällt auch den Jungen, wir haben überdurchschnittlich viele Kinder und Jugendliche bei ICF.

Es ist nicht nur die Verpackung, die ICF von der Landeskirche unterscheidet.

Linder: Der grösste Unterschied besteht darin, dass für uns der Glaube eine Entscheidung ist. Man wird nicht einfach durch Geburt Christ, sondern dann, wenn man es so will. Grundsätzlich verstehen wir uns als Partnervermittlung mit Gott. Wir machen Gott durch Musik, Gebete und Gespräche erlebbar. So lernen wir ihn kennen; er ist wie eine Person.

Wie sieht er denn aus?

Linder: Das ist nicht wichtig. Klar gibt es keine naturwissenschaftlichen Beweise für seine Existenz. Aber ich habe ihn schon in vielen Situationen erlebt. Zum Beispiel bei Heilungen oder beim Treffen einer schwierigen Entscheidung. Ich kann mit Gott auch wegen banaler Sachen sprechen. Wenn ich die Hausschlüssel nicht finde, bitte ich ihn um Hilfe.

Wie fühlt sich eine Begegnung mit Gott an?

Linder: ICF motiviert die Mitglieder, Jesus als Freund und Begleiter zu begegnen, nicht als allmächtigem und strafendem Gott. Aber die Erfahrung ist bei jedem anders, es ist eine Typenfrage.

Wie wars bei Ihnen?

Linder: Ich habe mich angenommen gefühlt, habe Frieden empfunden. Zum ersten Mal konnte ich mein Herz sprechen lassen und sagen: «Gott, ich will dich spüren!» Als ehemaliger Katholik hatte ich lange Zeit Zweifel, weil die hierarchischen Strukturen so starr sind und Gott für mich nirgends zu finden war. Die Frage kam auf: Glaube ich an eine Institution oder an Gott persönlich? Also habe ich angefangen, ihn zu suchen.

Im Mittelalter kontrollierte die katholische Kirche die Menschen mit Drohungen der Hölle. ICF spricht von Engeln und Dämonen. Wo ist der Unterschied?

Linder: Tatsächlich hat die katholische Kirche jahrhundertelang den Glauben als Machtinstrument missbraucht. Wir tun das nicht, wir diktieren nicht, was falsch und was richtig ist. Wir klären auf! Sicher verleiten Engel zum Guten und Dämonen zum Bösen. Aber unsere einzige moralische Instanz ist Gott; er weiss, was für uns Menschen gut ist. Das Gute findet man, wenn man nach seinen Empfehlungen lebt. Die Sünde ist in diesem Sinne schlicht eine Zielverfehlung.

Wo bleibt da der freie Wille?

Linder: Der bleibt vorhanden, die Selbstverantwortung auch. Wie gesagt, unser Vater gibt uns nur Ratschläge. In den Zehn Geboten sagt er «du sollst nicht» und nicht «du darfst nicht». Er zeigt die Konsequenzen der Sünde auf, aber die Entscheidungen müssen wir selber treffen. Gott warnt uns vor den Dingen, die für uns und andere negative Auswirkungen haben. Er möchte nicht, dass es so weit kommt, weil er uns gern hat. Wenn sie jemand trotzdem macht, muss er auch bereit sein, die Folgen zu tragen. Gott selber betrifft das nicht. Er will uns nur helfen.

Genügt gesunder Menschenverstand nicht, um Gutes von Schlechtem zu unterscheiden?

Linder: Dem Menschen fällt Schlechtes automatisch leichter. Wieso glauben Sie, dass kleine ­Kinder sich gegenseitig Spielzeuge klauen und kaputt machen?

Weil jedes Tier, um zu überleben, zuerst an sein eigenes Wohl denkt.

Linder: Dann glauben Sie an die Evolutionstheorie, das respektiere ich.

Die fundamentalistische Gruppierung «Wüstenstrom» will durch Gebete Homosexuelle heilen. ICF bietet ihnen eine Plattform. Glauben Sie, Schwule sind krank?

Linder: Auf keinen Fall, aber sie haben eine Entscheidung getroffen, mit der sie vielleicht nicht glücklich sind oder werden. Denn es gibt etwas Besseres: die treue Beziehung zwischen Mann und Frau. Gott hat Adam und Eva, nicht Adam und Otto oder Eva und Maya geschaffen. Damit hat er uns eine Gebrauchsanweisung für die Partnerschaft und die Vermehrung gegeben. Wenn ein Schwuler jede Woche mit einem anderen Mann schläft und dabei glücklich ist, habe ich nichts dagegen. Aber wenn jemand sich verändern will, unterstützen wir ihn gerne. Auch mit Gebet. Denn Sexualität ist veränderbar.

Verkehren Sie mit Ungläubigen?

Linder: Sicher, sie sind am interessantesten: Sie können den Glauben noch entdecken.

Was würden Sie einer Person sagen, die Ihrer Meinung nach sündigt?

Linder: «Es gibt jemanden, der dich bedingungslos liebt, nämlich Jesus.» Er liebt die Menschen trotz ihren Fehlern oder genau deswegen. Und das zeigt uns, dass wir uns selbst auch nicht aufgeben sollten.

 

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09. Juli 2013

Von: Clarissa Rohrbach

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