mobile Navigation

Album

Werner Sieg war Lehrer an der Kantonsschule Rämibühl, lang­jähriger Gemeinderat der SP

Die Stimme der «Opfer Saladins»

Von: Werner Sieg

08. Juli 2014

Daniel Saladin, Sie erinnern sich, ist jener Deutschlehrer am Literargymnasium Rämibühl, der von der Mutter einer Schülerin angezeigt wurde, er lese im Unterricht pornografische Literatur – u. a. Wedekinds «Frühlings Erwachen». Er wurde verhaftet, vom Schuldienst suspendiert, als Lehrer vernichtet. Die Anschuldigungen erwiesen sich vor Bezirksgericht als haltlos. Das Verhalten der zuständigen Staatsanwältin, des Mittelschulamts, der politischen Aufsichtsbehörden und mancher Medien war äusserst fragwürdig, verantwortungslos.

Vor kurzem fand im ausverkauften Neumarkt-Theater eine Solidaritätsveranstaltung für Saladin statt. Am eindrücklichsten war für mich dabei die Stellungnahme jener Klasse, die vor genau fünf Jahren Ausgangspunkt für diese Hetzjagd gewesen war. Die Schüler(innen) von damals beklagten sich zunächst über die Art, wie man sie, die «Opfer Saladins», behandelt hatte: In all diesen Jahren wurden wir nie befragt, weder zu jeglichem Verdacht noch während der Ermittlungen oder des Verlaufs des Prozesses. Wir wurden also komplett übergangen. Und sie beendeten ihre bewegenden Ausführungen, die zeigen, was Saladin für ein engagierter Lehrer gewesen ist, mit den Worten: Leid tut uns vor allem, dass wir uns nie von unserem Lehrer verabschieden durften und ihm in dieser schweren Zeit keine Stütze sein konnten. Schade ist auch, dass die öffentliche Solidaritätsbezeugung erst zu einem so späten Zeitpunkt laut wurde. Wir lernen daraus, dass man die Augen nicht erst dann öffnen darf, wenn es zu spät ist. Wir danken Ihnen, Herr Saladin, für Ihre ansteckende Freude an der Literatur und der deutschen Sprache . . . Danke, Daniel, dass du öis Muet gmacht häsch und dich au für öis als Mänsche und nöd nur als Schüeler interessiert häsch.

zurück zu Album

Artikel bewerten

Gefällt mir 3 ·  
1.0 von 5

Leserkommentare

Keine Kommentare