Die Flaschenpost wurde am 13. Dezember 1954 von Handwerkern verfasst. 62 Jahre später fand sie der Hauswart. Bild: PD

Botschaft aus dem Jenseits in Wollishofen

Der Hauswart der Swiss International School in Wollishofen machte kürzlich auf dem Dachstock eine überraschende Entdeckung.

Kaiser Haile Selassie von Äthiopien fiel kürzlich dem Hauswart der Privatschule SIS Swiss International School in Wollishofen unvermittelt, geheimnisvoll umwölkt von Staub, in die Hände.

Auf dem Dachstock des Gebäudes aus dem 17. Jahrhundert fand er einen vergilbten Brief, geschrieben auf braunes Packpapier, der in eine Bierflasche gerollt worden war. Die Flaschenpost, in hastig hingekritzelten Lettern und in ungelenkem Deutsch verfasst, war eine Botschaft aus dem Jenseits: «13. Dez 1954 (wunderbares Wetter wie im Mai). Wir schlagen vor in die Bundesbehörden Kaiser Haile Selassie von Aetiopien. Die Schwarzen sind zivilisierter als wir Weissen Weisen. Die Gipser u. der Hdlg. Gusti. Schon im Jenseits.»

Was hatte es mit dieser doch recht kryptischen Mitteilung auf sich? 1954 wurde der Dachstock der Liegenschaft an der Seestrasse 269 ausgebaut, und offenbar hatten sich die Gipser und der «Handlanger Gusti» ein kleines Denkmal setzen wollen. Getrunken hatten sie Bier der Brauerei Wädenswil, die damals kurz vor ihrem 100-Jahr-Jubiläum stand und noch bis 1990 in Betrieb war.

Doch warum erwähnten die umtriebigen Gipser Haile Selassie und schlugen ihn gleich noch für einen Posten in Bern vor? Im Dezember 1954 hatte der äthiopische Kaiser Europa bereist, unter anderem auch die Schweiz. Am 2. Dezember war der Monarch, von Wien kommend, im Bahnhof Enge eingetroffen und liess sich und sein Gefolge im Grand Hotel Dolder einquartieren. Der Besuch des «märchenhaften» Herrschers löste bei der Zürcher Bevölkerung Begeisterungsstürme aus. Mit dieser Pracht konnten die biederen Zürcher und Berner Staatsmänner natürlich nicht mithalten – ­zumindest, wenn es nach den Gipsern auf dem Wollishofer Dachstock ging.

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