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Gut zu wissen

Das Schützenhaus Albisgüetli um die vorletzte Jahrhundertwende. Bild: PD

"Liebe zur Waffe" in Zeiten des Kriegs

Von: Jan Strobel

06. September 2016

Knabenschiessen: Vor 100 Jahren wäre der Traditionsanlass beinahe abgeschafft worden.

Im September 1916, Europa stand vor dem dritten apokalyptischen Kriegsherbst, sollten zumindest auf dem Albisgüetli die Waffen schweigen. So sah es wenigstens der Zürcher Stadtrat. Stattdessen wurde die Idee eines «neuen Knabenschiessens» ins Spiel gebracht: Das Sechseläuten solle zu einem «alljährlichen Jugendfest» ausgestaltet werden, bei dem dann auch «die Mädchen zu ihrem Rechte kämen». Ausschlaggebend für den Entscheid waren allerdings keine moralisch motivierten, schon gar keine friedensbewegten, Über­legungen; dem Knabenschiessen im Weg stand unter anderem die knapp bemessene Munition, die in Kriegszeiten natürlich nicht für irgendwelche Festivitäten mit schiessenden Jünglingen zur Verfügung stehen sollte.

Doch der Stadtrat hatte die Rechnung nicht mit den Schützenkreisen und auch nicht mit der Zürcher Bevölkerung gemacht. Eine Abschaffung des Knabenschiessens kam für sie nicht infrage. Die Schützengesellschaft der Stadt Zürich und die Vereine des Schützenverbands Albisgüetli beschlossen deshalb, selbstständig ein Knabenschiessen durchzuführen, «um unserer Jugend die Liebe zur Waffe beizubringen und um sie in der Wehrfähigkeit vorzubereiten». Das «Festchen» fand sozusagen im privaten Rahmen statt, für alle Söhne der Vereinsmitglieder, die zwischen dem Mai 1900 und dem Mai 1901 geboren wurden. Immerhin 333 Knaben beteiligten sich schliesslich am Schiessen, und auch die obligate Bratwurst fehlte nicht, die sogar «eine ­respektable Länge» aufweisen konnte.

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