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Interview

Bauschänzli: Das beliebte Ausflugsrestaurant wird ab 2019 neu von der Candrian Catering AG geführt. Bild: PD

«Das Bauschänzli wird ein Ort, der jedem etwas zu bieten hat»

Von: Isabella Seemann

23. Januar 2018

Im bekannten Gartenrestaurant Bauschänzli kommt es zu einem Pächterwechsel: Ab der Saison 2019 führt das Zürcher Familienunternehmen Candrian Catering den Betrieb. Reto Candrian (39), Vorsitzender der Geschäftsleitung, verrät dem «Tagblatt» seine Pläne.

Zwanzig Bewerber haben sich gemeldet, als die Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich die Miete für das Bauschänzli neu ausgeschrieben hatte. Entgegen den allgemeinen Erwartungen entschied sich die Stadt Mitte Januar nicht für den bisherigen Pächter, die Fred-Tschanz-Gruppe, welche das Gartenrestaurant 26 Jahre betrieben hat, sondern für die Candrian Catering AG (siehe «Tagblatt» vom 17. Januar 2018). Deren Mietvertrag mit der Stadt beginnt am 1. Januar 2019 und ist auf fünf Jahre befristet. Er kann um weitere fünf Jahre verlängert werden.

Was war für Sie das ausschlaggebende Motiv, sich für das Bauschänzli zu bewerben?

Reto Candrian: Die Geschichte unseres Familienunternehmens begann im Bahnhofbuffet Zürich 1923. Meine Geschwister und ich sind hier aufgewachsen. Wenn es um die Zukunft einer Zürcher Institution geht, ist es selbstverständlich, dass man sich mit deren Entwicklung auseinandersetzt – es sind in dem Sinne emotionale Beweggründe. Würde das Bauschänzli kulturell und konzeptionell nicht in unsere Gruppe passen, hätten wir die Finger davon gelassen.

Was verbinden Sie persönlich mit dem Bauschänzli?

Das Bauschänzli ist eine Zürcher Institution. Aufgewachsen in Zürich, verbinde ich viele Momente und Erlebnisse in den Sommermonaten mit der Gartenbeiz. Wertvolle Erinnerungen habe ich, wie ich vor über 20 Jahren meinen Vater gelegentlich im Dezember auf das Bauschänzli begleiten durfte. Er war damals schon Caterer des Circus Conelli. Die herausfordernde Aufgabe für unser Team, rund um das Zirkusgeschehen ein hochstehendes Galadiner für über 500 Gäste zu koordinieren, ist ein Hochseilakt. In der Gegenwart von sich aufwärmenden Jongleuren, Tänzern, Akrobaten oder Clowns werden Speisen zubereitet – eine magische Atmosphäre hinter den Kulissen. Und wie damals treffe ich mich auch heute regelmässig mit der Zirkusfamilie in der Circus-Bar – es liegt immer noch Magie in der Luft.

Wie passt das Bauschänzli in Ihr Konzept?

Unser Fokus gilt den drei Kernkonzepten des Bauschänzli, in denen wir nicht nur fundamentales Know-how haben, sondern auch durch einen langjährigen Leistungsausweis qualifiziert sind. Unser Engagement findet als Caterer des Circus Conelli wie auch als Wiesn-Wirt im Zürcher Hauptbahnhof bei einem grossen Publikum Anklang – dies soll in Zukunft auch beim Oktoberfest im Herzen von Zürich nicht anders sein. Das dritte und zentrale Konzept ist der Sommerbetrieb. Wir wollen einen Biergarten gestalten, der eine klassische Schweizer Küche anbietet. Wichtig ist uns, dass wir lokale Produzenten (Bauern, Fischer, Käser, Winzer, Brauer etc.) miteinbeziehen können. Aus der Region kommen selbstverständlich auch unsere Würste und unsere Brote. Wir backen und wursten in unserer eigenen Metzgerei und Bäckerei am Zürcher HB – die am zukünftigen Schänzli-Grill verkauften Würste sind alle hausgemacht. Das gilt selbstverständlich auch für die Weisswürste am Oktoberfest – am Morgen zubereitet, am Abend verspeist. Die eingekauften Kaffeebohnen sind zwar nicht lokal, doch beziehen wir sie roh und rösten in unserer eigenen Rösterei ganz in der Nähe des HB. Entscheidend, ob wir uns für ein Lokal bewerben, ist, dass der Standort zu uns passt und wir glaubhaft und erfolgreich das entsprechende Konzept umsetzen können. Selbstverständlich spielt der emotionale Teil auch eine grosse Rolle – alle am Projekt Beteiligten müssen sich dafür begeistern können.

Entscheiden Sie nach wirtschaftlichem Kalkül oder intuitiv?

Unser Unternehmen befasst sich jährlich mit rund hundert Anfragen. Die Vorselektion ist oft intuitiv und emotional geprägt. Dennoch leistet sich unsere Unternehmung keine Hobbys. Jeder Betrieb muss mittelfristig wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen – Ausnahmen zu machen, wäre nur schon gegenüber dem stark engagierten Team nicht fair.

Worauf dürfen sich die Zürcher und die Touristen freuen?

Freuen können sich Besucher auf einen Ort, der jedem etwas zu bieten hat. Speziell im Fokus steht dabei die Familie mit einem Spielplatz für die Kleinen, Workshops für Kinder während der Sommerferien sowie Grill- und Glace­stand. Wir planen einen Jazz-Brunch sowie Pétanque. Der neue Schänzli-Grill wird auch bei unsicherer Wetterlage geöffnet sein.

In Onlineforen äussern einige Zürcher ihren Unmut darüber, dass einer von der «gesichtslosen Gastroindustrie» den Zuschlag fürs Bauschänzli erhielt. Haben Sie Verständnis für die Skeptiker?

Von gesichtslos kann nicht die Rede sein. Wir haben viele langjährige Mitarbeiter, welche die verschiedenen Lokalitäten mit viel Herzblut führen und ihre Gäste mit Leidenschaft bewirten. Das sind die Gesichter, die wir dem Gast zeigen möchten. Mit dem Namen Candrian und als Gastronomieunternehmung treten wir bewusst nur als Arbeitgeber gegenüber Geschäftspartnern (Vermietern, Lieferanten etc.) auf und pflegen dort eine partnerschaftlich geprägte Geschäftskultur. Unser Familienname soll vor allem als Garant für Qualität und Nachhaltigkeit stehen. Die Gesichter der Führungskräfte im Hintergrund sollten für den Gast nicht relevant sein. Schliesslich ist es aber in der Gastronomie ähnlich wie in der Politik; allen kann man es leider nicht recht machen.

Wie wollen Sie die Sympathien für sich gewinnen?

Mit einem bodenständigen Konzept mit regionalem Charakter und sympathischen Gastgebern sind wir überzeugt, dass wir den Gästen auf dem Bauschänzli weiterhin viel Freude bereiten können. Wir sind bestrebt, bei Infrastruktur und Unterhaltung möglichst vielen Bedürfnissen gerecht zu werden, und setzen einen besonderen Akzent auf ein familienfreundliches Angebot.

Ihr Unternehmen vereint heute mehr als 45 Betriebe; von der italienischen Cafébar über die französische Brasserie bis zum amerikanischen Fast-Food-Lokal. Woher kommen Innovationen?

Zusammen mit Mitarbeitern reisen wir regelmässig, um zu beobachten, was gut ankommt und warum. Gelegentlich besuchen wir auch Talente, die uns Einblick in ihr Handwerk geben. Diese Woche war ich zum Beispiel bei einem Mailänder Bäcker und unterhielt mich mit ihm während dreier Stunden in seiner Backstube. Es braucht Leidenschaft und Begeisterung rund ums Essen, Trinken und Beherbergen (wir sind auch Hoteliers). In jedem Restaurant und bei jeder Mahlzeit packen mich die Neugier und die Faszination aufs Neue. Mich interessiert, wie das Gericht zubereitet wurde, wie der Betrieb operativ abläuft und warum und wie das Angebot zusammengestellt wurde. Es ist ein fein zusammengestelltes Ensemble, welches ein erfolgreiches und erfreuliches Konzept auszeichnet.

Enttäuschung bei der Fred-Tschanz-Gruppe

Stéphanie Portmann, die Enkelin des legendären Zürcher Gastronomen Fred Tschanz, übernahm nach dessen Tod vor fünf Jahren die Geschäftsführung seiner Gastrogruppe. Bereits als 17-Jährige jobbte sie im Bauschänzli und leitete während vieler Jahre das Lokal, das seit mehr als einem Vierteljahrhundert zur Tschanz-Gruppe gehört.

Was bedeutet Ihnen das Bauschänzli?

Stéphanie Portmann: Das Bauschänzli war immer zentraler Bestandteil unseres Familienbetriebs; diese Ära ist ab Ende 2018 vorbei. Im Herzen bin – und bleibe ich wohl auch – mit diesem magischen Ort stark verbunden. Insbesondere mit dem Oktoberfest, das mein Grossvater vor rund 23 Jahren in die Schweiz gebracht hat.

Haben Sie damit gerechnet, dass der Stadtrat das Lokal einem neuen Wirt verpachtet?

Gemäss Ausschreibung soll am bestehenden Konzept, welches wir über all die Jahre aufgebaut haben, festgehalten werden. Ebenfalls grossgeschrieben wurde der Wunsch der persönlichen Betriebsführung: Darin sahen wir unsere Chance. Es war klar, dass die Konkurrenz bei der Neuausschreibung gross sein würde. Die Argumente der Stadt für die neue Mietpartei zeigen, dass wir mit unseren Ideen konzeptionell genau richtiglagen. Die von uns vorgeschlagenen Erneuerungen decken sich praktisch mit denjenigen des künftigen Pächters. Zudem unterhalten wir mit Erlösen aus dem Betriebsergebnis unsere eigene Stiftung für bedürftige Kinder und arbeiten mit Myclimate zusammen. Wir hofften, mit dieser Philosophie ebenfalls punkten zu können. Geklappt hat es bekanntlich nicht. Möglich, dass wir am zu offerierenden Mietzins und am Investitionsvolumen gescheitert sind; auch da gingen wir aber ans Limit unserer Möglichkeiten, basierend auf 25 Jahren Erfahrung an diesem Standort.

Wie gehen Sie nun mit dem Verlust um?

Wir hätten gerne gezeigt, dass wir – mit einer langfristigen Perspektive bzw. finanzieller Planungssicherheit und damit verbundenen Investitionen – aus dem Bauschänzli mehr machen können. Jetzt werden wir an dem gemessen, was war. Unser Konzept beinhaltete jedoch zahlreiche Neuerungen, die ich sehr gerne umgesetzt hätte und von deren Erfolg wir überzeugt waren. Der Verlust des Oktoberfests schmerzt besonders, dessen Erfolg wird oft als gegeben angenommen. Von der 23-jährigen Vorarbeit mit viel Mut und Risiko profitiert nun der Nachfolger. Wir schauen jetzt nach vorne und stecken unsere Innovationskraft in andere Projekte wie beispielsweise The 5, unser neustes Werk.

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