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Interview

Carla Opetnik: "Das Dynamo gibt es seit einem Vierteljahrhundert. Das spricht für sich." Bild: JS

"Das Dynamo ist eine Oase geblieben"

Von: Jan Strobel

27. August 2013

Dieses Wochenende feiert das Jugendkulturhaus Dynamo sein 25-Jahr-Jubiläum. Eine, die sich dieser alternativen, städtischen Institution besonders verbunden fühlt, ist die 22-jährige Carla Opetnik. Das «Tagblatt» traf sie zu einem Kaffee in der Dynamo-Bar.

Tagblatt der Stadt Zürich: Carla Opetnik, Sie sind heute Nachmittag ein bisschen müde. Haben Sie die Nacht durchgefeiert?

Carla Opetnik: Nein, im Gegenteil. Ich habe im Klub Hive an der Garderobe gearbeitet. Das dauert dann natürlich bis in die Morgenstunden. Im Zürcher Nachtleben zu arbeiten, hat für mich einen ungeheuren Reiz. Es ist eine brodelnde Welt, die sich da in den Nächten auftut - und jedes Lokal, jeder Klub hat wieder seinen ganz eigenen Charakter.
 
Wo steht denn heute das Dynamo im Zürcher Nachtleben? Vorher standen gerade ein paar Grufties vor dem Dynamo-Kellerraum Werk 21. Ein «In»-Lokal sieht eigentlich anders aus.

Opetnik: Was heisst schon «in» oder «trendy». Solche Begriffe gehen am Dynamo völlig vorbei, und genau das macht dieses Jugendkulturhaus ja aus. Es lässt sich nicht in die gängigen Zeitgeist-Strömungen einordnen, die ja häufig nur von kurzer Dauer sind und sich kaum bewegen. Das Dynamo hat sich dagegen über die Jahre immer wieder gewandelt, es ist nie stehen geblieben. Andere Klubs schliessen nach drei, vier Jahren bereits wieder, das Dynamo gibt es jetzt ein Vierteljahrhundert. Das spricht für sich. Es bietet Platz für Subkulturen, für Grufties und Punks ebenso, wie für die Hip Hop-, oder Reggae-Szene. Jeder kann sich hier ausleben, auch tagsüber in den Werkstätten oder an den zahlreichen Kursen. In der Galerie wiederum können junge Künstler zum ersten Mal ihre Werke einem breiteren Publikum zeigen. So eine Vielfältigkeit unter einem Dach ist einmalig in Zürich. In dieser Hinsicht ist das Dynamo wirklich eine Oase geblieben.
 
Was verbindet Sie persönlich mit dem Dynamo?

Opetnik: Als ich vor drei Jahren von Olten nach Zürich kam, war das Dynamo eine der ersten Adressen, wo es mich hinzog. Später machte ich hier in der Textilwerkstatt ein Praktikum. Seit Längerem organisiere ich zusammen mit meinem Freund jeden Dienstag Abend die Veranstaltung «Rock Resort» im Werk 21, an der Zürcher Nachwuchsbands die Gelegenheit haben, endlich ihr Können auf einer Bühne zu präsentieren. Unser Spektrum reicht von Rock, über Alernative bis zu Indie. Die Besucher bezahlen zehn Franken Eintritt, davon gehen 5 Franken direkt an die Band.
  
Ein fast schon skandalös niedriger Eintrittspreis für Zürcher Verhältnisse.

Opetnik: Auch das ist ein Merkmal des Dynamos. Die Jugendlichen müsen hier an einem Wochenende nicht an ihre finanzielle Schmerzgrenze gehen.

Tatsächlich wollen sich viele Jugendliche die hohen Preise in den Klubs nicht mehr leisten. Sie feiern und trinken lieber auf der Strasse. Ist das auch Ihre Beobachtung?

Opetnik: Das sehe ich überhaupt nicht so. Die Klubs sind an den Wochenenden jeweils proppenvoll. Die Jugendlichen geben ihr Geld meiner Meinung nach immer noch absolut bereitwillig aus. Sie müssen ja häufig das Geld nicht selber verdienen, sondern bekommen es von den Eltern zugesteckt. Es ist für viele also überhaupt kein Problem, vor der Party noch eine teure Flasche Vodka zu leeren, um danach einen Eintrittspreis von 25 Franken hinzublättern. Immerhin fallen so die Drinks im Klub selber weg. Die kommerziellen Klublokale sind in dieser Hinsicht regelrechte Geldmaschinen. Das Dynamo ist da die Alternative schlechthin.

Dieses Wochenende steht ein zweitägiges Jubiläumsfestival an. Was bedeutet der Anlass für Sie?

Opetnik: Für alle, die mit dem Dynamo seit Jahren verbunden sind, ist das Fest ein Ausdruck dafür, wie lebendig die Idee des Jugendkulturhauses immer noch ist, wie dynamisch sich die Jugendkultur in dieser Stadt entwickelt hat seit den 80er Jahren. Wir alle, die wir hier arbeiten, sind wie eine Familie. Jeder bringt seine Ideen in die Gestaltung des Jubiläums-Fests mit ein. Entsprechend vielfältig werden die Attraktionen ausfallen. Dass das Dynamo ständig in Bewegung ist, wird sich später auch im Oktober zeigen. Dann wird das Haus komplett saniert. Ein Facelifitng, das dringend nötig ist.

Als das Jugendkulturhaus Dynamo 1988 seinen Betrieb als Nachfolgeeinrichtung des Jugendhauses «Drahtschmiedli» aufnahm, gingen Medien und auch Gemeinderäte mit dem Projekt hart ins Gericht. Ein überparteilicher Vorstoss forderte eine Drogeneinrichtung statt eines Jugendkulturbetriebs. Ein solcher Betrieb habe in unmittelbarer Nachbarschaft zum Platzspitz ohnehin keine Chance, so der Tenor. Der «Tages-Anzeiger» spottete, das neue Dynamo sei «Alter Wein in neuen Schläuchen», der «nicht auf Touren zu bringen ist». Die «WOZ» schliesslich schrieb von einem Projekt, das keinen interessiere. Und auch Jugendliche selbst zogen vom Leder: Sie trauerten dem untergegangenen AJZ nach und sahen das «Anonymo» gewissermassen als Verrat an den Idealen der Jugendbewegung, es sei «ein fauligrosa Pfirsich, wo kein Wurm nach Gurkensalat wühlt, ein Abschliessfach für Jugendliche.» Dennoch: Trotz anfänglicher Ablehnung und trotz Drogenszene vor der Haustür, wurde das Dynamo zu einer Erfolgsgeschichte.

www.dynamo.ch

 

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