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Interview

Der Sex schläft bei vielen Paaren ein

Von: Ginger Hebel

12. Februar 2019

Kleine Liebesbeweise, Beziehungskiller und Sex nach Plan. Der Zürcher Paarforscher Guy Bodenmann weiss, was eine glückliche Beziehung ausmacht.

Viele wünschen sich, das Verliebtheitsgefühl, dieses Kribbeln im Bauch, würde ewig halten. Ist das illusorisch?

Guy Bodenmann: Ja, Verliebtheit ist nicht von Dauer, da es sich vor allem um einen physiologischen Zustand handelt, in welchem Glückshormone Gedanken und Gefühle einfärben. Im besten Fall wird Verliebtheit vom Gefühl der Liebe abgelöst. Die Liebe ihrerseits kann über Jahrzehnte andauern, wenn sie gepflegt und ihr Sorge getragen wird.

Wie hält man die Liebe frisch?

Indem man ihr Raum und Zeit gibt, sich um sie im Alltag bemüht und ihr den Stellenwert im Leben gibt, der ihr zusteht. Dies fängt mit kleinen netten Gesten an, liebenswürdigen Aufmerksamkeiten gegenüber dem Partner, Interesse an seinem Leben, Anteilnahme an seinen Freuden und Sorgen, Unterstützung bei Schwierigkeiten. Es gilt auch der Verbundenheit Raum zu geben, die Sexualität wach zu halten. All dies gelingt den Paaren gut, welche in ihre Beziehung zu investieren bereit sind und über gute Kommunikationsfertigkeiten verfügen.

Was sind die grössten Beziehungskiller?

In vielen unserer Studien fanden wir den Alltagsstress als wichtigen Beziehungskiller, da er diese oben genannten Prozesse untergräbt, häufig über lange Zeit unbemerkt, wie ein korrosiver Prozess, der erst auffällt, wenn der Schaden da ist. Pflegt man die Liebe nicht, entfremden sich die Partner. Gegenseitige Toleranz und Grosszügigkeit schwinden, und Macken des Partners beginnen überdimensional zu stören.

Was lässt sich dagegen tun?

Zuerst gilt es, sich dieses Phänomen bewusst zu machen, sich einzugestehen, dass die Partnerschaft zu kurz kommt, dass andere Dinge im Leben prioritär behandelt werden, dass man dem Partner nicht mehr dieselbe Aufmerksamkeit entgegenbringt wie zu Beginn. Was sind die Geheimnisse einer glücklichen Beziehung? Es braucht im Wesentlichen drei Dinge: Zeit und Raum für die Partnerschaft, ausreichende Kompetenzen (bezüglich Konfliktkommunikation, Alltagskommunikation und partnerschaftlicher Unterstützung) und Commitment, das heisst, Engagement für die Partnerschaft.

Wie wichtig sind kleine Liebesbeweise?

Immens wichtig. Die Partnerschaft lebt nicht von grossartigen Ereignissen wie einer teuren Ferienreise einmal pro Jahr, sondern von den täg­lichen Aufmerksamkeiten und kleinen unspektakulären, aber von Herzen kommenden Bekundungen der Liebe.

Wir haben oft das Gefühl, dass im Leben noch etwas Besseres kommt: ein besserer Job, ein besserer Partner. Sind Dating-Plattformen wie Tinder eine Gefahr für Paare?

Die neuen Möglichkeiten der Partnerfindung stellen insofern ein ­Problem dar, als die Suche nach einem neuen Partner so einfach und bequem wie noch nie in der Geschichte der Menschheit wurde. ­Dadurch eröffnen sich neue Perspektiven und Optimierungswünsche. Man braucht sich nicht mehr mit dem zu begnügen, was man hat, man hofft, eine noch bessere Alternative zu finden. In unserer Wegwerfgesellschaft führt dies häufig dazu, dass man bei Schwierigkeiten in der Partnerschaft vorschnell nach neuen Optionen Ausschau hält.

In der Stadt Zürich wurden 2017 3404 Ehen geschlossen und 1251 Ehen geschieden. In der Schweiz wird jede dritte Ehe geschieden. Werfen die Leute die Flinte zu schnell ins Korn?

Das ist im Einzelfall zu prüfen, doch in der Tendenz trifft diese Aussage zu.

Spüren Kinder, wenn es in der Beziehung der Eltern kriselt?

Ja, Kinder sind wie Seismografen, sie bekommen Spannungen immer mit, unabhängig davon, ob die Konflikte laut und aggressiv oder schwelend ausgetragen werden.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Paartherapie?

Man sollte bereits früh beginnen, in die Partnerschaft zu investieren. Hilfreich können dabei auch wissenschaftlich fundierte Ratgeber sein oder Kurse zur Pflege der Partnerschaft (wie Paarlife). Paarberatung oder Paartherapie sollten dann beansprucht werden, wenn Leidensdruck vorliegt und das Paar aus eigener Kraft nicht aus der Krise herauskommt.

Sex nach Plan, als fixer Termin in der Agenda – eine gute Idee?

Paare, welche regelmässig Sex haben, brauchen dies nicht. Doch bei vielen Paaren schläft die Sexualität ein. Einmal eingeschlafen, ist sie schwer wieder zu erwecken. Hier empfiehlt es sich, die Sexualität im Alltag einzuplanen.

In jeder Beziehung wird gestritten. Allerdings fallen in der Wut oft Worte unter der Gürtellinie. Verträgt es verbale Ausbrüche?

In der Hitze des Gefechts passieren Kommunikationsfehler, die einem später leidtun. Studien zeigen, dass diese Ausrutscher durch zwei- bis fünffach häufigere Positivität (Komplimente, Dankbarkeit) kompensiert werden können. Wenn man den Partner im Streit abgewertet und gekränkt hat, sollte man sich in aller Form entschuldigen und die Verletzung wiedergutzumachen versuchen. Versöhnen und Verzeihen gehören zu wichtigen Eigenschaften in einer längerfristig glücklichen und stabilen Partnerschaft. 

Buchtipps: Bodenmann, G. & Fuchs, C. (2016). Was Paare stark macht. (6. Auflage). Zürich: Beobachter Edition.

Bodenmann, G. (2017). Bevor der Stress uns scheidet. Resilienz in der Partnerschaft. Bern/Göttingen: Hogrefe Verlag. 

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