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Interview

Eine lange Geschichte kurz erzählt: Theaterdirektor Daniel Rohr verliebte sich in die Schauspielerin Hanna Scheuring, als sie in seinem Theater auftrat. Wie bei ihr der Funke sprang, will sie als Geheimnis bewahren: «Weil es so kitschig war.». Bild: Nicolas Y. Aebi

Die Kunst, ein Paar zu sein

Von: Isabella Seemann

20. Februar 2018

Sie lieben sich und sind doch Konkurrenten: Hanna Scheuring und Daniel Rohr sind beide Schauspieler, und sie leiten je ein Theater in Zürich – sie das Bernhard-Theater, er das Theater Rigiblick.

Ist eine Künstlerbeziehung mit besonderen Herausforderungen konfrontiert?

Hanna Scheuring: Es ist sehr befruchtend, wenn man weiss, womit der Partner kämpft, wofür er brennt oder worunter er leidet. Das Verständnis, das Daniel für meine Nöte und Freuden hat, kommt auch aus der Nähe des gemeinsamen Berufs. Pragmatische Dinge kommen hinzu: zum Beispiel ähnliche Arbeitszeiten.
Daniel Rohr: Da wir beide überhaupt nicht kompetitiv sind, gibt es keine Rivalitäten. Aber da wir beide in unseren Theatern zeitlich sehr präsent sind, wünsche ich mir manchmal mehr gemeinsame Freizeit ausserhalb des Theaterlebens. Aber die Befruchtung, die Ergänzung, die Inspiration sind ein Geschenk und stehen über allem.

Sie sind wohl das einzige Paar, bei dem jeder ein Theater führt. Sehen Sie sich als Konkurrenten?

Hanna: Unsere Theater haben eigene Profile. So steht das Bernhard-Theater in der Tradition des Volkstheaters mit Comedy und Musicalinszenierungen. Aber die Theaterszene ist nicht riesig, und wir haben Überschneidungen. Wir gründeten sogar ein gemeinsames Abonnement, zusammen mit dem Hechtplatz und dem Miller’s. Wir nehmen uns die Zuschauer nicht gegenseitig weg, sondern bringen die Leute eher dazu, mehr und in beide Theater zu gehen.
Daniel: Das Rigiblick läuft sehr gut; ich habe nicht den Eindruck, dass wegen des Bernhard-Theaters weniger Leute zu uns kommen. Dass Hanna dem Bernhard-Theater einen enormen Aufschwung gegeben hat, freut mich und macht mich glücklich. Es laufen schon Geheimgespräche, dass wir Hanna dem Bernhard-Theater abwerben. Andererseits habe ich gehört, dass das Bernhard-Theater das Rigiblick in einer feindlichen Übernahme kapern möchte.

Wie wichtig ist es, dass der Partner im Publikum sitzt?

Hanna: Wir praktizieren das rege. Es gab noch keine Bernhard-Matinee, in der Daniel nicht dabei war. Und ich bin so oft ich kann im Rigiblick. Den anderen auf der Bühne zu sehen, sich gegenseitig ein Feedback zu geben, Anregungen für Veränderungen anzubringen, das ist uns sehr wichtig.
Daniel: Hanna ist mir ein wunderbares Korrektiv. Sie hört mir meine Texte ab. Wir besprechen gemeinsam die neuen Projekte. Wenn ich auf der Bühne stehe, sagt sie mir ehrlich, wie ich am Abend gespielt habe; es ist sehr wichtig, ein liebevolles, ehrliches Feedback zu erhalten. Hanna wird im September bei der Kriminalkomödie «8 Frauen» im Bernhard-Theater auf der Bühne stehen; ich werde mir den Abend sicher mehrfach anschauen. Und so wie Hanna mir jeweils beim Text lernen hilft, werde auch ich ihr im Sommer Text abhören.

Hin und wieder stehen Sie gemeinsam auf der Bühne. Was bedeutet für Sie Zusammenarbeit?

Hanna: Wir stehen Ende Februar zum ersten Mal mit einer Lesung von Mörike-Gedichten zusammen auf der Bühne. Die Idee für eine Balladenreihe kam Daniel, weil wir uns manchmal abends gegenseitig unsere Lieblingsgedichte vortragen. Wir reden sehr viel über Projekte, Stoffe, Texte. Das ist eine Leidenschaft von uns beiden, und es ist ein sehr grosses Geschenk, wenn man das miteinander teilen kann.
Daniel: Wir sind beide Menschen, bei denen die Ideen glücklicherweise nur so sprudeln, und Themen gibt es genug! Die Inspiration kann beim gemeinsamen Joggen, beim Wandern oder beim abendlichen Glas Wein kommen. Schön ist es, dass wir so im Gespräch und im Austausch sind.

Haben Sie Pläne für weitere gemeinsame Projekte?

Hanna: Im Rahmen der Festspiele Zürich kommt im Juni im Theater Rigiblick der Tribute für Madonna «Like a Virgin?» auf die Bühne, für den ich den Text geschrieben habe und den ich moderieren werde. Madonna hat so viele Gesichter, ist so unglaublich spannend. Das bedeutet für uns viele Stunden nachdenken, lesen und diskutieren. Ausserdem bereiten wir eine neue Lesung zusammen vor.
Daniel: Beim «Madonna-Tribute» werden nur Frauen auf der Bühne stehen. Umgekehrt werden bei unserem «Tribute to Queen», der am 6. März Premiere hat und den ich moderiere, mit der Vocal-Band Bliss und einer Rockband nur Männer auf der Bühne stehen. Da hat mir Hanna beim Erfassen des Phänomens Freddie Mercury geholfen. Bei Queen sind es vor allem männliche Themen, die dominieren. Spannend ist, dass alle Themen – die von Madonna und von Queen – in unsere Beziehung einfliessen.

Was haben Sie gemeinsam, worin unterscheiden Sie sich?

Hanna: Wir haben das Glück von vielen gemeinsamen Freuden: Neben unserem Beruf ist das vor allem der Sport, die Natur, die Vögel, die Literatur und unser Haus mit dem wilden Garten. Wir leben beide sehr aus dem Herzen heraus und lieben gute Gespräche zu später Stunde. Daniel hat aber mehr Energie als ich. Er ist ein Kraftwerk – da kann ich nicht mithalten, obwohl auch ich über sehr viel Elan verfüge.
Daniel: Wir sind beide Menschen, die die Harmonie suchen. Unterscheiden tun wir uns allerdings in der Haarfarbe. Ausserdem trinkt Hanna lieber Wein und ich lieber Bier. Und sie tanzt gerne, während ich ihr dann gerne mit meinem Bier in der Hand zuschaue.

Was haben Sie zuletzt voneinander gelernt?

Hanna: Ich habe viel von Daniel gelernt, wie er mit seinen Zuschauern umgeht, von seiner Gastfreundschaft und dem grossen Herz, das er hat. Von seiner Disziplin beim Lernen, da hoffe ich, dass sie auf mich abfärbt.
Daniel: Ich kann von Hanna immer wieder von neuem Gelassenheit lernen. Hanna vertraut dem Leben mehr, als ich es tue. Es ist schön, ihr dabei zuzuschauen.

Auf welche Weise hilft der Partner dem anderen, wenn Sie eine schwierige Zeit durchzustehen haben?

Hanna: Wir sind erprobt in schweren Zeiten, haben schon einige ­Täler und Berge zusammen durchlitten oder erklommen. Es ist ein grosses Vertrauen zwischen uns und ein tiefes Verstehen.
Daniel: Im Gespräch. In der Nähe. In der Kreativität, mit dem Alltag umzugehen. Hanna hat mitunter eine Lebensweisheit, die mich staunen macht.

Was möchten Sie unbedingt noch miteinander erleben?

Hanna: Ich bin dankbar für jeden Tag, den wir miteinander gehen können. Ob wir im Zürichsee schwimmen oder die Wüste durchqueren, ob wir einen Balladenabend lesen oder Shakespeare spielen, ob wir Wäsche aufhängen oder ein Gourmetmenü kochen, zusammen zu sein, das ist das Glück.
Daniel: Wir arbeiten zu viel, beide. Ein gemeinsamer Bühnenabend wäre schön. Aber wir haben schon angefangen, gemeinsam Yoga zu machen. Ich würde gerne mehr wandern mit Hanna. Überall, auf der ganzen Welt.

Gut zu wissen: Hanna Scheuring und Daniel Rohr

Hanna Scheuring (52), wurde 1994 als Vreni in der Sitcom «Fascht e Familie» zum Publikumsliebling, und man sah sie fortan in diversen Filmen. Ihre grössten Theatererfolge feierte sie mit Lukas Bärfuss’ «Malaga» oder dem Monroe-Psychogramm «Love, Marilyn», das sie selbst geschrieben hat. Seit Oktober 2014 bringt sie als Leiterin des Bernhard-Theaters das Volkstheater sowie die legendären Bernhard-Matineen wieder zum Blühen.
Daniel Rohr (57) bespielte rund 20 Jahre lang grosse Theaterbühnen im deutschsprachigen Raum. Zudem spielte er in vielen bekannten Schweizer Spielfilmen wie «Ernstfall in Havanna». Seit 2005 leitet er das Theater Rigiblick, das er dank erstklassigen Produktionen zum Erfolg führte. Und immer wieder steht er auch selber auf der Bühne seines Theaters.

Am Montag, 26. Februar, wird im Theater Rigiblick gemeinsam der Balladenabend «Nixe Binsefuss und der Feuerreiter» präsentiert. Am 6. März ist im Rigiblick Premiere mit dem «Tribute to Queen: A Night at the Theatre» und am 6. Juni mit «Tribute to Madonna: Like a Virgin?». Bernhard-Matinée: 25.2.
Weitere Informationen: www.theater-rigiblick.ch / www.bernhard-theater.ch

 

 

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