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Interview

Langläufer in der malerischen Landschaft von Silvaplana-Surlej: Langlauf liegt im Trend und bietet sich in Corona-Zeiten als Wintersport-Alternative zu Alpin-Ski an. Bild: PD

«Die Planungs-Unsicherheit hat endlich ein Ende»

Von: Sacha Beuth

08. Dezember 2020

TOURISMUS Wegen Corona haben sich Ski-Ausflüge und Skiferien deutlich verändert. Trotzdem können Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher laut Christoph Zwaan (38), Media Manager Winter bei Schweiz Tourismus, trotz Einschränkungen unbeschwert ihre Winterferien in ihren bevorzugten Destinationen geniessen. Zumal sich zu Alpin-Ski eine Vielfalt an Alternativen anbieten.

Am Freitag gab der Bundesrat bekannt, dass zwar Coronaschutz-­Massnahmen verschärft werden, die Bergbahnen und somit die Skigebiete aber grundsätzlich offenbleiben dürfen. Wie froh sind Sie, dass dieser Kelch zumindest vorerst an Ihnen vorübergegangen ist?

Christoph Zwaan: Die Bekanntmachung war ein Befreiungsschlag für den ganzen Wintertourismus. Die Planungs-Unsicherheit , welche nicht nur die Tourismusanbieter, sondern auch die Kunden beeinträchtigte, hat endlich ein Ende.

Handkehrum dürfen nun Züge, Gondeln und Bahnen nur noch zu je zwei Dritteln gefüllt werden. Lässt sich so überhaupt rentabel ein Betrieb führen? Werden nicht gerade kleinere Bahnen und Skigebiete bankrottgehen?

Damit müssen die Betreiber jetzt umgehen. Zumal es ja doch in vielen Fällen einen gewissen Handlungsspielraum gibt. Die Belegungslimite bezieht sich jeweils auf eine einzelne Fahrt. Das heisst, die Betreiber könnten als Ausgleich die Betriebszeiten verlängern, indem sie früher öffnen und / oder später schliessen. Oder sie erhöhen – sofern das bei der jeweiligen Infrastruktur machbar ist – die Geschwindigkeit bzw. die Anzahl der Gondeln. Das wird übrigens teilweise schon jetzt gemacht. Nichtsdestotrotz ist es und bleibt die Situation eine Herausforderung.

Ein weiteres Problem dürften die Einhaltung der Maskentragpflicht und der Abstände an den Bahnanlagen sein. Dafür braucht es nicht nur zusätzliches Personal, sondern auch zusätzlichen Platz.

Wie heisst es so schön: Not macht erfinderisch. Flexibilität ist gefordert. Wir können dazu kein Patentrezept für die ganze Schweiz liefern. Das ist nicht unsere Aufgabe und dafür sind die Bedingungen in den verschiedenen Destinationen auch zu unterschiedlich. Hier müssen die jeweiligen Betreiber selber die für sie beste Lösung finden. Für Platz und Abstand zu sorgen, dürfte generell bei Seilbahnen und Gondeln aufwändiger sein als bei Skiliften, bei denen der Abstand von Skifahrer zu Skifahrer durch die Ski meist ohnehin – gegen vorne und hinten – schon jetzt gewährleistet ist.

Trotzdem scheint Ärger vorprogrammiert. Schweizer Skitouristen lassen sich nicht gerne etwas vorschreiben. Kürzlich wurde wegen eines Maskenverweigerers ein Sessellift in Davos gestoppt, um den Mann zur Raison zu bringen.

Querschläger hat es immer gegeben und wird es immer geben. Das kennen wir ja auch vom Strassenverkehr. Im Grossen und Ganzen verhalten sich die Touristen an den Bahnanlagen in Sachen Maskentragen sehr diszipliniert. Und wenn es stimmt, dass Schweizer sich nicht gerne etwas vorschreiben lassen, dann stimmt es auch, dass wir grundsätzlich kompromissbereit sind. Die Aufgabe der Bergbahnen wird nun sein, mit den Gästen ein Einvernehmen zu finden und bei allfälligen Sanktionen mit Fingerspitzengefühl und gleichzeitig unmissverständlich vorzugehen.

Die neuen Massnahmen sehen auch vor, dass man erst ein Pistenrestaurant betreten darf, wenn ein Platz frei geworden ist. Das bedeutet zu Spitzenzeiten lange Schlangen, um nur mal kurz einen Kaffee zu trinken oder aufs WC zu gehen – unter Umständen sogar bei Schneetreiben in Eiseskälte. Keine Angst, dass man so den Leuten die Skiferien vergrault?

Nein, die Gäste werden nicht vergrault. Dass die aktuelle Situation herausfordernd ist, kennen wir alle aus unserem Alltag. Zudem: An Spitzentagen gab es auch vor Corona Situationen, an denen in den Bergrestaurants um die Mittagszeit keinen Platz mehr zu bekommen war. Die Betreiber werden sich auch hier Gedanken machen, wie sie angenehme Wartezonen – zum Beispiel mittels Zelten – schaffen können. Oder Zelte gar als zusätzliche Verpflegungsstandorte installieren. Den Kunden wiederum raten wir, allfällige Reservationsmöglichkeiten zu nutzen. Das ist bereits jetzt schon in den Wellnessanlagen nötig, wo die Kapazitätsgrenzen weit unter denen der Bergrestaurants und -bahnen liegen. Gerade Wintersportler aus Zürich kennen dies ja bereits von den Gastrobetrieben in ihrer Stadt, wo man an bestimmten Tagen ohne vorzeitige Reservation oft auch keinen Platz mehr bekommt.

Viele Zürcherinnen und Zürcher sind unsicher, ob sie wegen der ständig wechselnden Massnahmen überhaupt in dieser Saison Skiferien machen sollen. Zudem vergeht dabei auch irgendwie die Lust.

Diese Verunsicherung und Zurückhaltung ist uns nicht entgangen. Bis vor einer Woche lagen die Buchungszahlen denn auch weit unter denen des Vorjahres. So hatten wir bei Buchungsstand Mitte November 2020 für die Festtage einen Rückgang von 19 Prozent und bei den Sportferien einen Einbruch um 28 Prozent gegenüber der gleichen Periode im Vorjahr zu verzeichnen. Nun aber setzt hoffentlich eine Trendwende ein, welche der Schnee begünstigen könnte, den wir in den letzten Tagen erhalten haben. Die Leute wollen und sollen sich nicht die Lust von Skiferien nehmen lassen. Man muss einfach etwas mehr planen als vor Corona.

Stichwort Schnee. Hat dieser für die Bergregionen wegen Corona noch mehr an Bedeutung gewonnen?

Ich denke schon. In der Regel steigen die Buchungszahlen, sobald im Flachland die ersten Flocken fallen. Mit einem schneereichen Winter könnten die Bergregionen aber aufholen und den Schaden, der durch Corona entstanden ist bzw. entsteht, etwas mindern.

Nun dürften viele Schweizer schon lange vor Corona ihre Skiferien gebucht haben. Was, wenn diese trotz aller Schutzmassnahmen nun lieber auf den Urlaub verzichten wollen? Können sie ihr Geld vom Veranstalter bzw. den Hoteliers zurückverlangen?

Da kann ich nur raten, sich direkt beim entsprechenden Anbieter zu informieren. Generell ist die Kulanz in diesem Jahr aber gross. Kommt hinzu, dass die Hotelbetriebe nach der ersten Corona-Welle viel Erfahrung in der Umsetzung von Sicherheitskonzepten gewonnen haben. Auch hat sich in puncto Absagemöglichkeiten viel getan. Wer nun bucht, hat vielfach die Möglichkeit, bis zwei Tage vor dem Hotelbesuch seinen Aufenthalt kostenlos zu stornieren.

Welche Skigebiete sind für Zürcherinnen und Zürcher dieses Jahr besonders empfehlenswert?

Ich denke, dass es hier wegen Corona keine Verschiebungen geben wird. Es werden die gleichen sein wie sonst. So wird es die Hälfte aller Zürcher, die Winterferien machen, nach Graubünden ziehen. Das hat einerseits damit zu tun, dass deren Skigebiete für Zürcherinnen und Zürcher näher liegen als etwa die des Kantons Wallis. Und andererseits mit der Macht der Gewohnheit. Viele Familien zieht es seit Generationen in die gleichen Skigebiete. Man hat sich mit einem Ort quasi angefreundet und bleibt ihm treu. Daneben geniessen aus Zürcher Sicht gerade bei Tagestouristen Flumserberg, Hoch-Ybrig und Pizol grosse Beliebtheit. Atzmännig und der Skilift Steg im Tösstal sind wegen ihrer Nähe ebenfalls gefragt, wenn die Schneebedingungen stimmen.

In welchen Skigebieten ist das Risiko am geringsten, auf grosse Menschenansammlungen zu treffen?

Die Frage lässt sich so nicht beantworten. Ein kleines Skigebiet weist in der Regel auch eine kleinere Infrastruktur auf als ein grosses Skigebiet. Demzufolge wird es an den neu­ralgischen Stellen und an den Spitzenzeiten bei Ersteren nicht anders aussehen als bei Letzteren. Wenn man aber vorhat, in seinen Skiferien möglichst kein Züri­tüütsch hören zu wollen, dann sind die Waadtländer Alpen genau das Richtige. Dorthin zieht es pro Jahr nur 2,3 Prozent aller Wintergäste aus dem Kanton Zürich. Und auch die Zentralschweiz ist trotz der Nähe nur für rund 7 Prozent der Zürcher im Winter einen Aufenthalt wert.

Normalerweise werden die ÖV zur Anreise empfohlen. Nun ist coronatechnisch das Auto sinnvoller. Erwartet die Wintersportorte jetzt eine Blechlawine?

Kaum. Jedenfalls sprechen die Indizien dagegen. Im Arbeitsverkehr werden die ÖV auch reichlich genutzt. Warum sollte dies nun im Privat-Reiseverkehr anders sein?

Trotzdem wird es Leute geben, die zwar gerne Winterferien machen wollen, den Schutzkonzepten von ÖV und Bergbahnen aber nicht vertrauen und somit lieber auf Alpin-Ski verzichten. Welche Winter(sport)tätigkeiten bieten sich als Alternative an?

Skifahren wird auch diesen Winter die klare Nummer eins bleiben. Schweiz Tourismus will aber im Speziellen die Vielfalt der Winteraktivitäten in der Schweiz hervorheben. Unser Ziel ist es, unabhängig von Corona vermehrt Leute in unsere Berge zu bringen, die sonst über die Festtage in die Malediven oder nach Sri Lanka reisen. Aus diesem Grund haben wir auch die Kampagne «My First Time» lanciert (www.myfirsttime.ch). Darin stellen wir spezielle Erlebnisse vor wie Hundeschlittenfahren, Eisfischen, Eisklettern, Skitouren oder Seilrutschen. Es gibt bei uns so viel mehr als Alpin-Ski oder Langlaufen.

Wobei sich aber – hört man sich in der Stadt um – immer mehr Zürcherinnen und Zürcher für Langlauf zu interessieren scheinen. Ist hier ein Boom zu erwarten?

Aktuell sind 10,7 Prozent aller Wintersportler in der Schweiz (auch) Langläufer, wobei wir in den letzten Jahren tatsächlich eine Steigerung feststellen konnten. Es ist durchaus denkbar, dass Corona diesem Trend zusätzlich Schub verleiht. Aber ob wir von einem Boom sprechen können, müssen wir erst noch abwarten.

Wie präsentiert sich die Situation des Wintertourismus in der Schweiz in dieser Saison insgesamt. Und welche Rolle spielen dabei der heimische und der ausländische Markt?

Wie schon erwähnt, werden wir in dieser Saison die normale Auslastung nicht erreichen. Zwar ist die Entwicklung bei den Wintergästen aus der Schweiz insgesamt positiv, so dass wir mit einer Zunahme von rund 10 Prozent gegenüber Vorjahr rechnen. Nur werden diese das Minus von 50 Prozent bei den ausländischen Touristen in keiner Weise ausgleichen können. Bei Letzteren sind insbesondere die Gäste aus Deutschland – mit 13 Prozent aller ausländischen Gäste unser wichtigster Markt – zu erwähnen. Die schätzen zwar nach wie vor die Qualitäten unserer Destinationen, wollen aber wohl deswegen nicht eine 10-tägige Quarantäne bei ihrer Rückkehr in Kauf nehmen. Diese und andere Restriktionen sind der Grund, warum aktuell keine zusätzlichen Werbe- und Marketingmassnahmen in Nachbarländern der Schweiz unternommen werden. Aber wir sind bereit, wenn die dort geltenden Restriktionen wieder aufgehoben werden.

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