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Interview

Zwei Schicksalsschläge zur gleichen Zeit: Während Mirjam von Arx gegen den Krebs kämpfte,... Bild: ZFF

«Durch unsere Liebe wurde der Krebs zur Nebensache»

Von: Sacha Beuth

02. Dezember 2014

Gleich zwei schwere Schicksalsschläge hat die Zürcher Dok-Filmemacherin Mirjam von Arx (u.  a. «Abxang», «Seed Warriors» oder «Virgin Tales») 2010 erleben müssen. Während sie mit Herbert auf eine Beziehung zusteuert, wird ihr mitgeteilt, dass sie Brustkrebs hat. Und noch während sie sich in der Chemo­therapie befindet, verunglückt ihr neuer Freund tödlich beim Basejumping. Diese Erlebnisse schildert die 48-Jährige in ihrem neusten Werk «Freifall – eine Liebesgeschichte», das morgen in den Kinos startet. Zuvor sprach von Arx mit dem «Tagblatt» über den Film und ihre Situation.

Tagblatt der Stadt Zürich: Mirjam von Arx, der Tod Ihres Lebenspartners Herbert und die Krebsdiagnose liegen nun vier Jahre zurück. Wie geht es Ihnen heute?

Mirjam von Arx: Mir geht es sehr gut. Der Krebs ist geheilt. Ausserdem habe ich einen anderen Mann kennen gelernt, wir haben geheiratet und sind inzwischen glückliche Eltern von zwei Kindern.

Warum haben Sie beschlossen, einen Film aus den Ereignissen zu machen?

Angefangen hat es aus einer Panik heraus. Ich wollte unbedingt alles festhalten, was mit Herbert zu tun hatte. Allerdings hatte ich damals noch nicht die Absicht, daraus einen für die Öffentlichkeit bestimmten Film zu machen. Erst im Laufe der Dreharbeiten, im Gespräch mit anderen Beteiligten, habe ich gemerkt, dass die Inhalte Leben, Tod und Eigenverantwortung zentrale Themen für jedermann sind. Und schliesslich machte sich auch der Profi in mir bemerkbar, der erkannte, dass der Stoff eine gute Filmstory hergibt. Es ist also keine Selbsttherapie, sonst würde die Geschichte als Film auch nicht funktionieren.

Kaum hatten sich die ersten zarten Bande zwischen Ihnen und Herbert gebildet, nahm das Unglück seinen Lauf. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Ihnen mitgeteilt wurde, Sie hätten Brustkrebs?

Die Diagnose war erst einmal ein Schock für mich. Ich war mir dann auch nicht sicher, ob ich Herbert gleich davon erzählen sollte. Wir haben uns ja übers Internet kennen gelernt und hatten bis dahin nur via E-Mail Kontakt. Schliesslich habe ich mich dann doch durchgerungen. Herbert hat super reagiert. Er sagte: «Du bist jetzt nicht mehr allein.» Ich habe gespürt, dass dies keine Floskel war. Unsere Beziehung wuchs, und durch unsere Liebe wurde der Krebs plötzlich zur Nebensache. Trotz der schweren Krankheit war ich glücklich, selbst als ich wegen meiner Krebsoperation im Spital lag.

Hatte der Tod von Herbert Einfluss auf Ihren Kampf gegen den Krebs?

Meine Krankheit war eigentlich immer sekundär. Anfangs, weil ich so glücklich war mit Herbert, nach seinem Tod dann, weil ich so extrem unglücklich war. Ich war damals mitten in der Chemotherapie. Das einzig Gute daran war, dass ich während dieser Behandlungen wegen der Medikamente wenigstens mal zwei Stunden tiefen Schlaf fand. Sehr schnell aber begann ich mich intensiv mit Base-jumping auseinanderzusetzen und führte viele Gespräche mit Leuten aus der Szene, die mir halfen, Kraft zu tanken und einen Neustart zu finden.

Basejumper stürzen sich, nur mit einem Fallschirm ausgerüstet, von Klippen, Brücken oder Gebäuden. Wann wurde Ihnen erstmals bewusst, wie gefährlich das Hobby ihres ehemaligen Lebenspartners Herbert ist?

Ich wusste aus den Medien, dass dies ein gefährlicher Sport ist. Anzumerken ist hier, dass Herbert grundsätzlich ein vorsichtiger und überlegter Mensch war. Das hat mich irgendwie beruhigt, selbst wenn das rückblickend vielleicht naiv war. Wir haben vorwärts geschaut und nicht über den Tod gesprochen, sondern nur über unser gemeinsames Leben nach meiner Krankheit.

Inwieweit hat Sie Herberts Tod ver­ändert?

Er hat mich sicher mehr geprägt als meine Krankheit. Ich begann wirklich zu beherzigen, was mir meine Ärztin bei der Krebsdiagnose riet: Ändere dein Leben. Fang an, jeden Tag zu geniessen. Früher habe ich alles meiner Arbeit hintan­gestellt. Heute arbeite ich zwar immer noch viel und gern, gebe aber öfter dem Privatleben Vorrang.

Zum Basejumping kam Herbert über seinen Bekannten Andy. Waren bzw. sind Sie deswegen zornig auf ihn?

Es gab Phasen, in denen ich sehr wütend war – auch auf ihn. Aber ich bin ihm auch sehr dankbar, dass er immer für mich da war. Er hat mir geholfen zu verstehen, warum Herbert Basejumping so wichtig war. Er hat sich auch all meinen Fragen gestellt, was für ihn sicher nicht einfach war, weil er selber nach Antworten suchte. Etwa auf die Frage, warum er Herbert springen liess, obwohl dieser kein sicherer Springer war. Und warum er ihn ohne Helm springen liess. Ich war aber auch wütend auf Herbert. Ich dachte, ich kämpfe hier um mein Leben, und er schmeisst seines einfach weg.

Sehen Sie das heute auch noch so?

Nein. Herbert war ein typischer Kopfmensch, der selbst seine Ängste unter Kontrolle haben wollte. Basejumping bot ihm die Möglichkeit, zu lernen, wie man sich der Angst stellt und sie überwindet. Beim Drehen und in der Auseinandersetzung mit Basejumping und den Base-Sportlern ist mir dies klar geworden, und seither habe ich mit seiner Leidenschaft Frieden geschlossen.

Wie verliefen die Dreharbeiten? War es nicht ungeheuer bedrückend, alles wieder aufzurollen?

Teilweise. Ich habe zwischen den ersten und zweiten Dreharbeiten ein paar Monate Pause gebraucht. Ich will heute auch nicht mehr an die Absprungstelle nach Lauterbrunnen zurück, an der er verunglückt ist. Aber es gab durch die Gespräche mit anderen Basejumpern auch schöne Momente. Etwa wenn sie offen und ehrlich darüber redeten, wie sie mit ihren Ängsten und anderen Gefühlen, die dieser Sport mit sich bringt, umgehen.

Der Film warnt nicht nur vor Base-jumping, sondern weckt mit tollen Action- und Landschaftsszenen auch Verständnis für die Faszination dieser Tätigkeit. Wieso?

Ich habe den Sport ja als etwas Positives kennen gelernt, weil er Herbert so viel Freude bereitet hat. Erst nach seinem Tod drehte sich das ins Negative. Auf der einen Seite steht die Faszination, zu fliegen und seine Angst zu überwinden. Auf der anderen Seite gibt es die tödlichen Risiken. Diese Ambivalenz zu zeigen, ist zentral und war mir wichtig.

Wenn Ihr heutiger Partner Ihnen während der Kennenlernphase erzählt hätte, dass er ebenfalls einem gefährlichen Hobby nachgeht, hätten Sie die Beziehung dann beendet?

Nein. Da muss man realistisch ein. Ein Mensch kann schliesslich auch bei weniger gefährlichen Sportarten tödlich verunglücken. Oder wenn er die Strasse überquert.

«Freifall – eine Liebesgeschichte» läuft ab dem 4. Dezember im Kino Houdini.

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