mobile Navigation

Interview

Kümmert sich in Rio um die medizinische Versorgung der Schweizer Olympioniken: Stefan Sannwald, Leitender Arzt an der Schulthess-Klinik und Teamarzt des FCZ. Bild: Schulthess-Klinik Zürich

«Eine konsequentere Kontrolle wäre angebracht»

Von: Sacha Beuth

16. August 2016

Unfertige Sportstätten, Kriminalität, Zika-Virus oder verdreckte Gewässer prägen noch immer die Schlagzeilen zu Olympia 2016, obwohl die Spiele in Rio längst in vollem Gang sind. Wie die Situation vor Ort wirklich ist und wie unsere Sportler damit umgehen, weiss der Zürcher Stefan Sannwald (46), Mitglied des Swiss-Olympic-Ärzteteams.

Stefan Sannwald, wenn man in die halb leeren Sportarenen Rios schaut, hat man oftmals das Gefühl, das Interesse an Olympia halte sich in Grenzen. Täuscht der Eindruck?

Jein. Vielleicht erreicht der Zuschauerandrang nicht das Niveau von London 2012, aber die Wettkämpfe, die in meinen Bereich fallen – Rudern, Beachvolleyball und Segeln – waren relativ gut besucht. In der Beachvolleyballarena an der Copacabana herrscht am Abend Hühnerhautstimmung, insbesondere natürlich beim Spiel der Brasilianer.

Wie ist generell die Stimmung im Schweizer Team?

Sie war schon zu Beginn sehr gut. Und nun, nach den ersten Medaillen für unser Team, ist sie noch besser geworden.

Bei einigen Bildern aus Rio macht man sich als Zuschauer Sorgen: etwa von den Buchten, die an Kloaken erinnern, oder von den Olympiabecken, deren grün schimmerndes Wasser die Augen reizt. Wie schützen Sie unsere Athleten vor dadurch erzeugten Infektionen?

Das bereitet uns in der Tat etwas Kopfzerbrechen, da Präventionsmassnahmen teilweise nur schwer umzusetzen sind. Wir setzen in erster Linie auf konsequente persönliche Hygiene, haben zu diesem Zweck auch jedem Athleten Desinfektionsmittel verteilt. Weiter können sich die Sportler auf freiwilliger Basis einer medikamentösen Therapie unterziehen, die vor Magen-Darm-Erkrankungen schützen soll. Gerade Wassersportler bleiben aber einem gewissen Risiko ausgesetzt. Einige Segler mussten wir darum schon wegen einer Magen-Darm-Verstimmung behandeln. Schwerwiegende Komplikationen sind aber nicht zu erwarten. Die Situation ist jedenfalls besser als befürchtet.

Apropos Infektion: Wie gross ist tatsächlich die Gefahr, sich in Brasilien das Zika-Virus einzufangen?

Relativ klein. Seit wir in Rio sind, hat sich gerade mal eine Mücke in mein Moskitonetz verirrt. Die grossen Sorgen wurden zum Glück nicht bestätigt. Trotzdem sind wir froh, dass wir im Vorfeld die Athleten über die Gefahr aufgeklärt und jedem Insektensprays und ein Moskitonetz verteilt haben.

Wie steht es mit den Unterkünften der Schweizer Delegation sowie den Sportstätten? Wurden alle Mängel behoben?

Die Mängel in den Unterkünften wurden durch unser früh angereistes Team so gut als möglich behoben, sodass bei unserer Anreise die Infrastruktur mehrheitlich funktionierte. Die Unterkünfte sind keinesfalls mit europäischen Standards zu vergleichen, aber es lässt sich darin wohnen. Dieselbe Situation präsentiert sich bei den Sportstätten.

Wie sieht es in Sachen Kriminalität aus? Kann man sich in und ums olympische Dorf ohne Angst bewegen?

Innerhalb des olympischen Dorfs ist man sicher. Ausserhalb muss man trotz hoher Polizeipräsenz aufpassen. So gab es im Team bereits Fälle von Kreditkarten-Phishing zu beklagen. Ansonsten ist bislang nichts passiert. Man muss halt wie überall eine gewisse Vorsicht walten lassen und nicht etwa nachts alleine die Copacabana entlangspazieren. An den Sportstätten selbst wird die Kontrolle unterschiedlich gehandhabt. Insgesamt wäre aus meiner Sicht eine konsequentere Zutrittskontrolle angebracht. Teilweise wird jede Person kontrolliert und gescannt, teilweise kann man beinahe ungehindert bei den Sportstätte ein und aus gehen.

Was tun Sie in Ihrer Freizeit? Kamen Sie schon dazu, sich einige Wettkämpfe oder Rio de Janeiro selbst anzusehen?

Nein, mein Arbeitsplan hat das noch nicht zugelassen. Ich hoffe aber, dass ich das nachholen kann und sowohl einige Ecken der Stadt wie einige Sportanlässe ausserhalb meines Betreuungsbereichs besuchen kann.

Im Schweizer Team sind rund ein Dutzend Sportler, die entweder Stadtzürcher sind oder für einen Stadtzürcher Club antreten. Wer von ihnen wird eine Medaille holen?

Allzu viele Eisen haben wir nicht mehr im Feuer. LCZ-Hürdenläufer Kariem Hussein hat kürzlich den Halbfinal verpasst. Bei Degenfechter Peer Borsky hat es im Teamwettkampf leider auch nicht geklappt, nachdem die Schweiz im Viertelfinal deutlich an Italien gescheitert war. Triathletin Nicola Spirig kann hoffentlich am kommenden Samstag ihren Titel verteidigen. Und vielleicht sorgt morgen in der gleichen Disziplin Sven Riederer, EM-Zweiter 2015 und mehrfacher Schweizer Meister, für Edelmetall. Also Daumen drücken! 

Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von tagblattzuerich.ch

zurück zu Interview

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare