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Interview

Brachte die beiden Krankenhäuser finanziell wieder auf Vordermann: André Zemp, Direktor Stadtspital Waid und Triemli. (Bild: ZVG)

Fallkosten innert zwei Jahren markant gesenkt

21. Juli 2020

In der letzten Veröffentlichung der kantonalen Gesundheitsdirektion hatten Waid und Triemli noch die hinteren Plätze der Fallkostenvergleichs-Rangliste eingenommen. Nun haben sie sich – dank mehr Effizienz und Synergiennutzung – ins Mittelfeld vorgearbeitet. André Zemp (58), Direktor der beiden Krankenhäuser, sieht sich aber noch nicht am Ziel und will die Sparbemühungen intensivieren – auch wenn dies wegen Corona noch schwieriger wird. 

In Sachen Fallkosten zählten die Stadtspitäler Waid und Triemli in der Vergangenheit zu den Sorgenkindern des Kantons Zürich. In der Rangliste der kantonalen Gesundheitsdirektion, in der 19 Spitäler mit Leistungsauftrag aufgeführt sind, nahmen Waid und Triemli für das Jahr 2018 den letzten beziehungsweise drittletzten Platz ein. Doch nun haben die beiden Krankenhäuser einen Sprung nach vorne gemacht (siehe auch Box) und liegen für das Jahr 2019 auf den Positionen 13 (Triemli) und 15 (Waid).

Die Stadtspitäler Triemli und Waid haben sich bei den Fallkosten enorm verbessert. Wie konnte diese Steigerung erreicht werden?

André Zemp: Grossen Einfluss hatte einerseits, dass wir für die beiden Häuser dank der Angebotsstrategie Kernkompetenzen definierten. Das hatte zur Folge, dass es beispielsweise für die Hausärzte einfacher wurde, Patienten gleich dem geeignetsten Spital zuzuweisen. Das Waidspital konnte nach Jahren von Fallrückgängen wieder wachsen und Marktanteile zurückgewinnen. Beim Waid schlug zudem die Reduzierung um 70 Stellen ins Gewicht. Hier mussten wir abbauen, da der Personalschlüssel im Vergleich zu anderen Spitälern in der Schweiz viel zu hoch war. Ich möchte an dieser Stelle aber betonen, dass der Abbau ausschliesslich über natürliche Fluktuation und ohne Entlassungen erfolgte. Beim Triemli wurde 2016 ein Ergebnisverbesserungsprogramm lanciert, welches 2017 bis 2019 umgesetzt wurde und sich nun im Ergebnis niederschlug.

Hatte auch die Zusammenführung der Leitung von Triemli und Waid unter ein Dach einen Einfluss auf das Ergebnis?

Absolut. Dadurch konnten und können wir sowohl im administrativen Bereich – etwa beim Einkauf, dem Marketing oder den HR – wie im medizinischen Bereich wie etwa der Radiologie Synergien besser nutzen respektive Doppelspurigkeiten abbauen.

Wie sieht die Kostenersparnis nun in konkreten Zahlen aus?
Für das Waid konnten wir die Fallkosten von durchschnittlich 11'513 Franken im Jahr 2018 auf 10' 098 Franken im Jahr 2019 senken. Und im Triemli sank der Wert im gleichen Zeitraum von 10'672 Franken auf 9954 Franken. Nimmt man die Zahlen von 2017 dazu, ist die Bilanz noch besser. Damals lagen die Fallkosten beim Waid bei durchschnittlich 11' 743 Franken und beim Triemli bei 11 '174 Franken. Wir konnten also innert zwei Jahren die Fallkosten um 14,0 Prozent (Waid) beziehungsweise 10,9 Prozent (Triemli) senken.

Da drängt sich die Frage auf, warum diese Kostenreduzierung nicht schon längst erfolgte.

Dazu kann ich keine Stellung beziehen, da ich erst seit Oktober 2017 für das Triemli und seit September 2018 auch für das Waid verantwortlich bin. Ich weiss einzig, dass es auch schon zuvor Massnahmen zur Kostenreduktion gab.

Warum ist eine gute Rangierung überhaupt so wichtig?

Der Kanton ist für die Spitalplanung verantwortlich und vergibt die Leistungsaufträge an die Spitäler. Nur mit einem solchen Leistungsauftrag des Kantons erhalten die Spitäler des Kantons Zürich für die stationäre Behandlung der Zürcher Patienten einen Kantonsbeitrag. Bei der Vergabe der Leistungsaufträge ist dem Kanton nebst einer hohen Qualität auch eine hohe Wirtschaftlichkeit wichtig. Als Massstab dazu dienen die Fallkosten. Je tiefer ein Spital in dieser Beziehung rangiert, desto grösser ist die Gefahr, dass ihm vom Kanton Leistungsaufträge für einzelne Fachbereiche gestrichen werden oder gar das Spital von der Liste fliegt. In Sachen Qualität waren Triemli und Waid exzellent unterwegs, aber wegen der ungenügenden Wirtschaftlichkeit war insbesondere das Waid in grosser Gefahr, nicht mehr auf die Spitalliste genommen zu werden.

Dafür hat es nicht so einen Klotz am Bein wie das Triemli mit dem erst 2016 eröffneten, defizitären Bettenhaus. Mit dem Abschreiber von 176 Millionen Franken hat ihnen die Stadt Luft verschafft. Aber ist ein Bau mit 430 Betten heutzutage überhaupt rentabel zu betreiben?

Entgegen anderslautenden Meldungen in den Medien ist das Bettenhaus generell gefüllt. Aber zugegeben: Es ist eine enorme Herausforderung, zumal in diesem Gebäude auch die Kinderklinik mit Notfall und grossem Ambulatorium, die Augenklinik, die Gastroenterologie und die Pneumologie untergebracht sind. Alles Bereiche mit hauptsächlich ambulanten Behandlungen. Damit ist es schwieriger, rentabel zu wirtschaften als im stationären Bereich.

 

Zur Person: André Zemp, geb. 9.3.1962, ist Betriebsökonom und seit 1993 hauptsächlich im Gesundheitswesen in diversen Funktionen tätig. Vor seinem Engagement für die Stadt Zürich war er Partner bei KPMG. In dieser Funktion verantwortete er das Ergebnisverbesserungsprogramm im Stadtspital Triemli und übernahm im Oktober 2017 die Leitung. Im September 2018 übertrug ihm der Stadtrat auch die Leitung des Stadtspitals Waid.

 

Hat man das nicht vorher gewusst?

Heute würde man es sicherlich anders machen. Aber als der Bau geplant wurde, waren die Bedürfnisse anders und vor allem die medizinischen Möglichkeiten noch nicht so weit fortgeschritten wie heute. Auch kam das Credo des Kantons, «ambulant vor stationär», erst viel später.

Trotz aller Bemühungen sind sowohl im stationären wie im ambulanten Bereich viele Behandlungen nicht kostendeckend. Der Verband Zürcher Krankenhäuser fordert darum eine Tariferhöhung. Die ohnehin schon hohen Krankenkassenprämien dürften dann noch weiter steigen ...

Das ist so. Weil die Leute immer älter werden, steigt die Nachfrage nach medizinischen Leistungen. Um steigende Prämien zu verhindern, müssen die Spitäler noch effizienter werden. Werden mehr Leistungen ambulant statt stationär erbracht, werden Pflegetage eingespart und die medizinische Leistung kostengünstiger erbracht. Ein Teil dieser Ersparnis sollte mittels höherer Tarife an die Spitäler zurückfliessen. So haben sowohl die Prämienzahler als auch die Leistungserbringer einen Nutzen.

Inwieweit wird die Coronakrise die Kostenoptimierungen der Spitäler allgemein und die von Triemli und Waid im Speziellen beeinflussen?

Von Corona sind grundsätzlich alle Spitäler betroffen. Der Bund hat ein OP-Verbot für Wahleingriffe und Sprechstunden erlassen, was ein Loch in die Kasse reisst. Zudem haben unsere beiden Spitäler als öffentliche Institutionen auch nicht Kurzarbeit anmelden können und es fallen hohe Mehrkosten für Schutzmassnahmen an. Seit Beginn der Krise führte dies bei allen Spitälern der Schweiz zusammengerechnet zu einer Umsatzeinbusse von geschätzt 2 bis 2,5 Milliarden Franken. Für Waid und Triemli zusammen beträgt der diesbezügliche Schaden rund 30 Millionen Franken. Der Kanton hat angekündigt, davon rund einen Drittel zu übernehmen. Über die übrigen zwei Drittel wird heftig diskutiert. Vielfach wird argumentiert, der Bund hätte diesen Teil zu übernehmen, da er die Massnahmen auch angeordnet habe. In diesem Zusammenhang werden die Fallkosten für 2020 wohl steigen.

In den Medien wurde kolportiert, dass in einigen Spitälern in gewissen Abteilungen wegen Corona Überzeit geleistet werden muss, während in anderen Abteilungen wegen ausgefallener Eingriffe Personal unterbeschäftigt ist. Trifft dies auch auf Triemli und Waid zu?

Teilweise. Das Triemli wurde vom Kanton zu einem der vier Hauptanlaufstationen für Coronafälle (Covid-Spital A) bestimmt. Demzufolge hatten und haben die Pflegestation für Covid-Patienten, aber auch die Intensivstation oder der Notfall einen deutlichen Mehraufwand zu meistern. Wir hatten bis Ende Juni 2020 166 stationäre Fälle wegen Covid-19 – mehr als jedes andere Spital im Kanton Zürich. Ebenso gab es in zahlreichen Supportbereichen wegen der Schutzmassnahmen mehr zu tun. Das betraf unter anderem die Küche, die wegen der Abstandsregeln die Essenszeiten ausdehnen musste, aber auch den technischen Dienst oder den Einkauf wegen der Suche nach Schutzmaterialien.

Könnte man Personal – zumindest bei der Pflege – nicht einfach von einer unterbeschäftigten Abteilung abziehen und einer überlasteten zuführen?

Das haben wir auch gemacht und zu diesem Zweck auch einen Personalpool geschaffen. Grundsätzlich sind solche Massnahmen aber nur sehr limitiert möglich. Man darf nicht vergessen, dass auch im Pflegebereich vielfach Spezialisten – an denen generell Mangel herrscht – arbeiten. Um beispielsweise ein Beatmungsgerät bedienen zu können, ist eine mehrjährige Zusatzausbildung nötig. Aus diesem Grund kann man nicht einfach einen Pfleger aus einer Pflegestation in eine Intensivstation versetzen.

Was geschieht nach Corona mit dem Triemli und dem Waid? Was für Ziele haben Sie sich mit den beiden Häusern gesetzt?

Die Herausforderung der Ambulantisierung mit kostengünstigen, schlanken Prozessen wird noch mehr zunehmen. Nach Jahren der Defizite konnten wir in 2019 einen konsolidierten Gewinn von 4,6 Mio. Franken ausweisen. Den möchten wir halten können. Im Fokus liegt zudem der Bau eines Ambulanten Zentrums nahe des Hauptbahnhofs an der Europaallee, der vom Stadtrat bereits bewilligt wurde und nun im Gemeinderat behandelt wird. Damit wollen wir einerseits den Patienten eine kurze Anreise und beste Behandlungsqualität bieten, zugleich aber auch Kosten sparen, weil die Behandlung ausserhalb der teureren Spitalinfrastruktur erfolgen kann. Und auch für die Mitarbeitenden ist die Lösung von Vorteil, da sie vermehrt geregelte Arbeitszeiten und Teilzeitarbeit ermöglicht. Und last but not least wollen wir weiter und verstärkt in die Ausbildung unseres Personals investieren. Nicht nur um einen Wettbewerbsvorteil zu haben, sondern auch, um unsere soziale Verantwortung für die Zukunft des Gesundheitswesens wahrzunehmen.

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