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Interview

"Franziskus mag Empanadas auf Peperonisalat"

Von: Isabella Seemann

23. Dezember 2014

Als sich der junge Koch David Geisser entschied, in die Fussstapfen seines Vaters zu treten und in der Schweizergarde zu dienen, hätte er sich nie träumen lassen, dass ihm im Vatikan eine einmalige kulinarische Mission auferlegt würde. Er soll nicht nur den Papst beschützen, sondern in seiner Freizeit die Lieblingsspeisen der höchsten kirchlichen Amtsträger herausfinden, diese in der Kantine der Schweizergarde nachkochen und die Rezepte schliesslich in einem einzigartigen Kochbuch vereinen: «Päpstliche Schweizergarde: Buon Appetito».

Tagblatt der Stadt Zürich: Herr Geisser, wie verbringen Sie Heiligabend?
David Geisser: Sicherlich werde ich im Dienst sein, doch erfahre ich erst kurzfristig, welche Aufgabe mir zugeteilt wird. Grundsätzlich umfasst der Dienst die Kontrolle der Eingänge zur Vatikanstadt, Ordnungsdienst, Wachdienst im Apostolischen Palast und Personenschutz oder Ehrendienste wie an der Mitternachts­messe in der Basilika.


Gewiss werden die Hüter des Papstes auch die Geburt von Jesus feiern.
Wenn die grossen Zeremonien vorüber sind, am Abend des 25. Dezember, kommen die Gardisten mit ihren Familien in der Kaserne zusammen. Ein bunter Abend mit Musik, Gesang, Weihnachtsgebäck und Geschenken. Jeder Gardist erhält ein Geschenk des Heiligen Vaters, per Los bestimmt, ebenso eine kleine Aufmerksamkeit des Kommandos und des Kaplans. Auch der Heilige Vater bekommt ein Geschenk von uns, Schweizer Gebäck, gebacken von den Bäckern und Konditoren der Garde.


Sie haben zuvor als Koch gearbeitet, unter anderem im Wetziker Gourmetrestaurant Il Casale, und zwei Kochbücher geschrieben. Was hat Sie dazu bewogen, in das Korps der Schweizergarde einzutreten?
Geld und Karriere standen bei mir nie im Vordergrund, sondern das zu tun, was mir wichtig ist. Koch war mein Traumberuf, und Schweizer Gardist wollte ich schon als Kind werden, so wie mein Vater vor 30 Jahren, denn er hat immer ungemein spannende Geschichten erzählt. Beides konnte ich verwirklichen. Dass ich ein Kochbuch über die Schweizergarde machen durfte, ist nun die absolute Krönung. Darüber hinaus lockte mich Rom, eine wunderschöne Stadt. Alles in allem ist es eine phantastische Erfahrung und Lebensschule, für zwei Jahre dem Papst und der Kirche zu dienen.


Was war der bisherige Höhepunkt?
Da geht es mir wohl wie den meisten Gardisten: Die Vereidigung war ein absolut prägender, emotionaler Moment und ist in seiner Intensität wohl kaum zu überbieten. Ich war schlicht überwältigt. Aber auch im Alltag, beispielsweise an der Audienz jeweils mittwochs, wenn der Papst vor mehr als zehntausend Menschen tritt, die fried- und hoffnungsvolle Stimmung mitzuerleben, ist bewegend.


Welche Anekdote aus Ihrem Dienst werden Sie noch Ihren Enkeln erzählen?
Ich bin sehr vielen weltbekannten Persönlichkeiten begegnet, die den Papst besuchten. Der Königin von England, Staatsoberhäuptern, Künstlern. Aber letztlich sind es die Begegnungen mit Gläubigen wie jenes schwerkranke Mädchen, das ihre Eltern verloren hatte und mir auf dem Petersplatz einen Bittbrief hinstreckte, mit dem Wunsch, ihn dem Papst zu überreichen.


Im zwinglianischen Zürich ist Kritik am Papst verwurzelt. Wie gehen Sie in Ihrem Umfeld damit um?
Viele Leute sind falsch informiert, nicht zuletzt durch die Medien, die Unwahrheiten behaupten oder Dinge skandalisieren, wie kürzlich jene Nachricht, wonach der Papst gedenke, die Schweizer Garde aufzulösen. Ich versuche das dann im Gespräch richtigzustellen. Grundsätzlich störe ich mich aber nicht an der Kritik. Das gehört in einer Demokratie dazu, es haben ja auch alle unterschiedliche Meinungen über Politiker.


Der traditionelle Wahlspruch der Schweizergarde «Acriter et Fideliter» bedeutet, dass der Dienst der Gardisten mit Tapferkeit und in Treue geleistet werden muss. Wie verwirklicht ein zeitgenössischer Gardist dieses Motto?
Das ist ein militärischer Schwur, so wie das «Semper fidelis» der Grenadiere. Für mich bedeutet «Acriter und Fideliter» vor allem starke Loyalität gegenüber dem Papst und der Kirche, dass wir uns ehrenvoll verhalten und nicht hinter dem Rücken anderer Ränke schmieden.


Sie folgen dem Papst also auf Schritt und Tritt. Kommt es da auch zu persönlichen Gesprächen?

Wir halten professionelle Distanz. Doch kommt der Heilige Vater durchaus auf uns Gardisten zu, reicht die Hand, grüsst «Buongiorno» oder fragt nach, wie es uns geht. Das ist eine sehr angenehme Erfahrung. Während der WM, als die Schweizer Nati gegen die argentinische Mannschaft verlor, tröstete er mich mit einer Süssigkeit.


Nun haben Sie das Kochbuch der päpstlichen Schweizergarde veröffentlicht. Verraten Sie uns das Lieblingsmenü des Papstes?
Franziskus mag die Küche seiner Heimat Argentinien: Empanadas auf Peperonisalat, Colita de Cuadril sowie Dulce de Leche zum Dessert.


Sind die Schweizer Gardisten eine genussfreudige Truppe?

Im Militär im Allgemeinen wird gern gut gegessen. Denn wie schon Papst Johannes XXIII. sagte: Gute Küche fördert die Disziplin. Wobei die Schweizergarde von den polnischen Schwestern bekocht wird, die sehr viel Liebe in die Gerichte geben. In der Freizeit besuchen wir gern die Restaurants in Rom, wo wir Schweizer Gardisten als Ehrengäste behandelt und stets extra grosszügig verwöhnt werden.


Was sind Ihre Pläne für 2015?
Im März sind die 25 Monate Dienst, zu denen sich Schweizer Gardisten verpflichten, zu Ende. Ich könnte danach weitermachen, aber ich habe mich entschieden, in die Schweiz zurückkehren. Hier will ich weiterhin in der Gastronomie arbeiten, wenn auch nicht als Koch, sondern im unternehmerischen Bereich. Dank des Kochbuchs bleibe ich mit dem Vatikan aber weiterhin verbunden, weitere Arbeiten daran stehen an, es soll noch in vier Sprachen übersetzt werden.


David Geisser und Erwin Niederberger: «Päpstliche Schweizergarde – Buon Appetito», Weber Verlag, 2014. Fr. 59.–. Signierte Bücher zu bestellen bei: www.david-geisser.ch

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