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Interview

Elisabeth Schnell tritt zum letzten Mal in der «Kleinen Niederdorfoper» auf. Bild: CLA

"Früher war das Alter noch nicht so angesagt"

Von: Clarissa Rohrbach

15. Oktober 2013

Elisabeth Schnell sagt der grossen Bühne Ade. Nach der «Kleinen Niederdorfoper» will sie nicht mehr jeden Abend Theater spielen. Mit 83 Jahren müsse man Kräfte sparen. Doch die Radiolegende sprüht wie eh und je vor Witz und Charme. Im Interview verrät sie, wie sie das Alter erlebt, wie sie ohne Auto klarkommt und wieso sie manchmal doch gerne ein Grosi wäre.

Tagblatt der Stadt Zürich: Elisabeth Schnell, Sie fahren in der Stadt nicht mehr Auto. Mögen Sie den ÖV?

Elisabeth Schnell: Stellen Sie sich vor, ich habe mir sogar ein GA geleistet. Ich sage immer «GA anstatt Prada», in Designerklamotten passe ich sowieso nicht rein. Ich fahre nur noch im Berner Oberland Auto, wo ich auch ein bisschen zu Hause bin. Der Verkehr in der Stadt ist mir zu aggressiv. Und wenn die Leute so ein weisshaariges Ding wie mich am Steuer sehen, werden sie sowieso ungeduldig.

Das Klischee vom «Grosi am Steuer».

Schnell: Genau. Ich finde es schade, wie negativ behaftet das Wort «Grosi» in den Schlagzeilen ist. Dabei haben Grossmütter eine wichtige Rolle. Sie sind die Verbindung zum Vergangenen. Deswegen fragen Enkel ihre Grosis auch gerne über so vieles aus.

Was würden Sie einem jungen Menschen mit auf den Weg geben?

Schnell: Ich möchte auf keinen Fall lehrerhaft sein. Aber einen Tipp hätte ich da noch: korrekt bleiben, wie wir es meistens waren, und neugierig. Das bedeutet nicht, alles immer mitzumachen, aber sich für die Welt zu interessieren.

Sie wollten nie heiraten und eine Familie gründen. Wieso?

Schnell: Meine Eltern führten das Zunfthaus zur Schmiden und waren immer in der Öffentlichkeit, da blieb keine Zeit für ein Familienleben. Ich war überzeugt, das Gefühl von Familie nicht weitergeben zu können, weil ich es nie erlebt hatte.

Fehlt Ihnen ein Partner?

Schnell: Nein, ich hatte grosse Lieben und habe sehr gute Freunde. Hätten Sie gerne Enkelkinder gehabt?

Schnell: Manchmal vermisse ich es. Aber vom Schreibtisch aus sehe ich den Schulhausplatz vis-à-vis, das gibt mir immer eine Portion Kindsein. Sie spielen immer noch «Himmel oder Hölle», wie wir früher.

Haben Sie auf Ihrem Schreibtisch ­einen Computer?

Schnell: Ja, aber ich rede immer noch lieber persönlich mit den Menschen. Ich kann E-Mails und auf meinem uralten Nokia SMS verschicken. Aber wissen Sie was ein Telex ist? Damit arbeitete ich noch. Bei den Seniorennachmittagen wissen das die Zuhörer noch.

Zu älteren Menschen hatten Sie immer einen guten Draht. Sie haben mit «Kafikränzli» die erste regelmässige Sendung für Senioren im Schweizer Radio erfunden.

Schnell: Damals war das Alter noch nicht so angesagt wie heute. Deswegen war die Sendung so erfolgreich. Heute hat der Markt die Oldies entdeckt.

Sie verabschieden sich vom En­suite-Theater, weil «die Altersweisheit doch noch durchdringen sollte». Inwiefern sind Sie weise geworden?

Schnell: Ich kenne mich nun besser. Das Alter zwingt mich einzusehen, was noch geht und was nicht. Das ist nicht immer selbstverständlich. Weil ich so fit bin, überschätze ich meine Kräfte allzu schnell. Nomen est omen, wie man so schön sagt.

Welcher Abstrich war am schwierigsten zu verkraften?

Schnell: Auf einen Hund zu verzichten. Mein letzter ist vor drei Jahren gestorben und fehlt mir heute noch jeden Tag. Doch ich wohne im dritten Stock, das ständige Rauf und Runter wäre zu umständlich geworden.

Fühlen Sie sich schwächer?

Schnell: Ich schätze mich glücklich, wenn ich zu Hause alles richten kann. Für die «Kleine Niederdorfoper» habe ich trainiert, da muss ich Treppe laufen. Und ich bin auch zur Logopädin gegangen, weil meine Stimme einen leichten Belag hatte.

Wird Ihnen die Bühne fehlen?

Schnell: Im Ensemble der «Kleinen Niederdorfoper» fühle ich mich so wohl, dass es ein Geschenk ist, mit diesem Stück die Bühnenkarriere zu beenden. Ausserdem höre ich ja nicht auf. Ich werde immer noch Sprechrollen und kleine Filmrollen annehmen sowie in Altersresidenzen auftreten und Kolumnen schreiben. Und ein Hörbuch möchte ich auch noch aufnehmen.

Schopenhauer sagte, die letzten 30 Jahre lieferten den Kommentar über den Text des Lebens. Ist für Sie Zeit zum Zurückschauen?

Schnell: Ich kann problemlos griechische Dramen aus meiner Jugend rezitieren, aber vergesse, mit wem ich gestern Mittag gegessen habe. Also ja, das Langzeitgedächtnis wird besser, und man denkt über früher nach. Aber ich will noch etwas erleben. Letzthin habe ich einen Text einer 100-Jährigen gelesen. Sie hat mir gesagt, sie ist noch für alles Heitere zu haben, und erst wenn sie nicht mehr lachen könne, dann sterbe sie. Das ist wunderschön, vorausgesetzt, man ist gesundheitlich intakt.

Ueli Beck und Stephanie Glaser, gute Freunde von Ihnen, sind bereits gestorben. Haben Sie Angst vor dem Tod?

Schnell: Es ist nun mal der Lauf der Welt. Jeder weiss, dass er sterben muss. Ich könnte die Nächste sein. Aber wieso mich sorgen? Ich geniesse noch, was ich habe. Nur Demenz und Alzheimer machen mir Angst, denn die mentale Unabhängigkeit zu bewahren, ist mein grösster Wunsch.

Wie schaut die Bilanz Ihres bisherigen Lebens aus?

Schnell: Ich hatte das Privileg, ein Leben lang einen Beruf zu haben, den ich liebe. Es war wohl das Richtige, denn die Leute sagen mir: «Ich bin mit deiner Stimme gerne aufgewachsen!»

Nach 233 ausverkauften Vorstellungen nimmt das Bernhard -Theater die «Kleine Niederdorfoper» wieder auf (5. November bis 19. Januar 2014). Tickets sind erhältlich unter www.bernhard-theater.ch. Die Kolumnen von Elisabeth Schnell lesen Sie weiterhin in Ihrem «Tagblatt». 

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