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Interview

Bild: Nicolas Y. Aebi

"Ich habe mir kein Verfalldatum gegeben"

Von: Andy Fischer

19. August 2013

Vor 30 Jahren gingen in der Schweiz die ersten Lokalradios legal auf Sendung. Bereits vier Jahre vorher, im November 1979, startete Roger Schawinski mit Radio 24 und versorgte Zürich vom Pizzo Groppera (Italien) aus Zürich mit moderner Musik und News. Der heutige Radio-1-Boss ist quasi der Erfinder der Schweizer Lolkalradiolandschaft. Ganz zufrieden mit deren Entwicklung zeigt er sich nicht.

Tagblatt der Stadt Zürich: Roger ­Schawinski, wie informieren Sie sich am Frühstückstisch?

Roger Schawinski: Zuerst natürlich mit Radio 1, dann Tagi, NZZ und ­einige Onlineportale kommen auch noch dazu.

Das Radio ist von den Onlineportalen als schnellstes Medium abgelöst ­worden.

Schawinski: Das stimmt. Aber das ­Radio bietet nach wie vor zahlreiche Vorteile. Es ist das einzige Medium im Auto. Es ist im Gegensatz zu den Onlineportalen emotional. Dazu kann man heute verpasste Sendungen als Podcasts abonnieren und sie jederzeit nachhören. Ich würde also sagen: ­Insgesamt hat das Medium Radio an Attraktivität gewonnen.

Seit 30 Jahren gibt es nun in der Schweiz legal Privatradios. Sie standen ganz am Anfang der Bewegung. Wie beurteilen Sie heute die hiesige Lokalradiolandschaft?

Schawinski: Ich habe damals kein reines Unterhaltungsmedium kreiert. Ich wollte immer ein Radio mit journalistischem Anspruch. Nach diesem Vorbild haben dann sehr lange auch die meisten anderen Stationen funktioniert. Aber unterdessen spielt leider bei vielen Sendern Journalismus nur noch eine marginale Rolle. Und Hintergrundsendungen gibt es gar keine mehr. Das war einer der Gründe, ­warum ich Radio 1 lanciert habe.

Viele Ihrer ehemaligen Mitarbeiter verdienen jetzt ihr Geld bei der SRG.

Schawinski: Ich habe mich immer gefragt, woran es liegt, dass ich die richtigen Leute gefunden oder sie geformt habe. Mann muss merken, wer Talent, Biss und einen guten Spirit hat. Ich habe ihnen einen Geist vermittelt, der sie dann auch weitertragen kann. Wenn ich in der SRG bin, kenne ich ja fast alle wichtigen Leute, weil sie ­meine Mitarbeiter waren.

Ihr jüngstes Kind heisst Radio 1 und erreicht nach fünf Jahren Sendezeit gut   131000 Hörer. Das ist nach einer so kurzen Zeit nicht schlecht, aber im Vergleich zu den grossen Stadtsendern Radio 24 und Energy hinken Sie um Welten hinter der Konkurrenz her.

Schawinski: Um Welten nicht mehr, nein.

Radio 24 erreicht täglich 276000 Hörer, Radio Energy 258 000.

Schawinski: Aber diese Sender verlieren Hörer, und wir legen zu. Man kann jetzt ausrechnen, wann sich die Linien kreuzen. Wir befinden uns im Aufwärts- und die anderen im Abwärtstrend. Bei uns stimmt die Richtung. Ich bin zuversichtlich.

Aber Hand aus Herz – die Nummer 3 von Zürich zu sein, das ist doch nicht Ihr Ding.

Schawinski: Mein Ding ist es, das beste Radio zu machen. Ich will Qualität, einen Premiumsender. Ich will nicht um jeden Preis möglichst viele Hörer erreichen. Ich will Menschen erreichen, die hohe Qualitätsansprüche haben. Die wichtigen, gut gebildeten und gut verdienenden Einwohner dieser Stadt wechseln immer mehr zu uns.

Schmerzt es sie, dass Radio 24 nicht mehr Ihnen gehört?

Schawinski: Nein. Was mich schmerzt, ist, dass dieser Sender nicht mehr gepflegt wurde über die Jahre. Radio 24 hat noch immer den Mythos von früher. Es gibt immer noch viele Leute, die meinen, es handle sich um das Schawinski-Radio, und weil sie mir treu bleiben wollen, hören sie diesen ­Sender. Als ich Radio 24 an Tamedia ­verkaufte, hoffte ich, dass der Spirit erhalten bleibt. Bei Tamedia (Mit­eigentümerin des «Tagblatts», Anm. Redaktion) war Radio 24 aber ein ungeliebtes Kind und wurde dann an die AZ-Medien in den Aargau weiterverkauft. Das hat mich nicht erfreut. Ich habe auch ein gutes Angebot unterbreitet, aber man hat mich auf eine miese Art und Weise ausgebootet. Heute lebt der Sender noch vom Mythos und vom Namen; vom Spirit spüre ich leider nur noch sehr wenig.

Okay, lassen wir das so stehen. Sie sind nach wie vor noch selber auf Sendung, beispielsweise mit der wöchentlichen Diskussionssendung «Doppelpunkt» oder mit «Roger gegen Roger», also dem Streitgespräch mit «Weltwoche»-Boss Roger Köppel. Sie sind auch nach  34 Jahren noch vom Radiovirus ­infiziert.

Schawinski: Das Spannendste am ­Radio ist doch das Radio. Ich bin zwar Geschäftsführer, aber Radio ist meine Leidenschaft, und warum soll ich auf meine Leidenschaft verzichten?

Wie lange machen Sie noch Radio und Fernsehen («Schawinski», SRF 1)?

Schawinski: Ich habe mir kein Verfalldatum gegeben. Ich mache so lange weiter, bis ich das Gefühl habe, dass ich Ausfälle habe, Namen vergesse, dass ich mich nicht mehr an wichtige Dinge erinnere. Das wäre peinlich; für mich und das Publikum. Aber Radio machen ist für mich eine Form von Gehirnjogging. Das hält mich geistig fit. Neben der körperlichen sollte man auch seine geistige Fitness pflegen.

Zum Schluss noch eine Frage zu Ihrem Äussern. Neu tragen Sie einen Bart. Zeigt das Ihre geistige Verbundenheit mit den vergangenen Piratenzeiten?

Schawinski: Das mit dem Bart war mal so eine Idee gewesen von mir. Ich dachte, nach ein, zwei Wochen schneide ich den wieder ab. Meine Frau Gabriela findet aber, dass er mir steht. Darum trage ich ihn noch. Und Bärte sind ja offenbar in. Ich habe gehört, dass zahlreiche Moderatorenkollegen beim Schweizer Fernsehen Bart tragen. Offenbar ist das eine Vorschrift dort, und ich bin ja einer, der sich an Vorschriften hält. (lacht)

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