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Interview

Bye-bye Hafenkran: Für Jan Morgenthaler beginnt eine Zeit der leisen Wehmut. Bilder: PD

"Ich würde meine Entmachtung veranlassen"

Von: Jan Strobel

20. Januar 2015

Indiskretes Interview: Heute mit Jan Morgenthaler, dem Mitschöpfer des Hafenkrans, der in den nächsten Tagen Stück für Stück komplett verschwindet.

Was hat Sie am Hafenkran am meisten gefreut, was hat Sie besonders enttäuscht?

Gefreut und auch überrascht hat mich die unglaubliche Resonanz, die der Hafenkran bei den Zürchern ausgelöst hat, das Herzblut und Engagement, mit dem sich viele Leute für ihn eingesetzt haben, besonders natürlich Alt-Stadtrat Martin Waser und seine Frau. Überrascht war ich auch von der Heftigkeit der Emotionen, von der leidenschaftlichen Diskussion, gerade bei den Gegnern des Projekts. Enttäuscht hat mich zu Beginn die Gehässigkeit der Reaktionen und die ständige Unsicherheit bei der Finanzierung, der mühsame Kampf gegen die Finanzierungslücke, bei dem uns manchmal verlässliche Partner wirklich gefehlt haben.

Wo ist Zürich am schönsten, wo am hässlichsten?

Am schönsten ist Zürich dann, wenn ich Sehnsucht nach der Stadt habe. Wenn ich an diesem Sehnsuchtsort Meer sitze und ich dabei an Zürich denke und in diesem Moment wieder zurück möchte. Am hässlichsten ist das herausgeputzte Ortsbild, das keine Ecken und Kanten zulässt, keinen Rost.

Wenn Sie eine Schlagzeile über Ihre Person schreiben dürften: Wie müsste die lauten? Und welche wäre ein richtig heftiger Fauxpas?

Da fällt mir eigentlich nur ein heftiger Fauxpas ein: «Jan Morgenthaler, der Vater des Hafenkrans». Das ist schlicht falsch. Barbara Roth, Martin Senn, Fariba Sepehrnia und ich - wir haben dieses Werk gemeinsam geschaffen.

Wenn Sie die Macht hätten, in Zürich alleine Entscheidungen zu treffen; Was würden Sie sofort einführen, was sofort abschaffen?

Ich würde sofort meine eigene Entmachtung veranlassen. Das wäre dann eine Abschaffung und eine Einführung zugleich.

Was bringt Sie zum Lachen, was zum Weinen?

Ich freue mich, dass wir jetzt eine neue Etappe in Angriff nehmen können. Zum Weinen, oder besser, zur Wehmut bringt mich die Leere am Limmatquai, wenn der Kran fehlt, wenn alles wieder so ist, wie vorher.

Welchen Politiker mögen Sie am meisten, und welchem würden Sie gerne mal die Meinung sagen?

Einem Politiker die Meinung sagen, das muss ich nicht. Es gibt aber gleich zwei Politiker, die ich besonders schätze: Zum einen SVP-Gemeinderat Mauro Tuena. Er hat das Projekt von Anfang an mit grosser Leidenschaft begleitet und kritisiert. Tuena war ein verlässlicher Referenzwert, ein Leuchtturm, der uns den Weg gewiesen hat. Er war damit ein Teil des Kunstprojekts. Zum anderen natürlich Alt-Stadtrat Martin Waser, der mit seiner privaten Spende den Hafenkran rettete.

Angenommen, ein Zürcher befände sich auf hoher See. Was sollte er einem eingefleischten Seemann über Zürich erzählen, was sollte er lieber verschweigen?

Erzählen sollte er ihm, dass wir in Zürich gleich zweimal ein Meer hatten, dass es einmal mitten im Meer lag. Verschweigen sollte er ihm vielleicht, dass die Zürichseeschiffe nicht mit richtigen Schiffshörnern ausgestattet sind, sondern mit simplen Lastwagenhupen.

ZUR PERSON: Jan Morgenthaler wurde 1956 in Zürich geboren. 2008 entschied er mit seiner Gruppe Zürich-Transit-Maritim den Wettbewerb für «Kunst im öffentlichen Raum» für sich - der Hafenkran konnte jetzt konkret werden. Im April 2014 wurde er schliesslich aufgestellt. Vergangenen Montag begann nun wie vorgesehen der Abbau. Die vollständige Demontage wird rund zwei Wochen dauern.

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