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Interview

Stadtpräsidentin Corine Mauch.

"Im Veloverkehr besteht in der Tat Handlungsbedarf"

Von: Ginger Hebel

24. Dezember 2014

Es ist wieder Zeit für das traditionelle Jahresinterview des «Tagblatts» mit der Stadtpräsidentin. Wir haben Corine Mauch im Stadthaus zum Gespräch getroffen.

Corine Mauch, das Jahr 2014 neigt sich dem Ende zu. Wie ist Ihre Bilanz?

Corine Mauch: Meine Bilanz ist sehr positiv. Es war ein lebhaftes, spannendes Jahr, das wie immer unglaublich schnell vorbeigegangen ist. Ein Highlight für mich persönlich war die Wiederwahl Anfang des Jahres. Es hat mich ausserordentlich gefreut, dass die Bevölkerung mir ihr Vertrauen so deutlich ausgesprochen hat. Mein schönster privater Moment: Dass meine Partnerin und ich nach über 20 Jahren unsere Partnerschaft haben eintragen lassen.

Im Februar wurde die Masseneinwanderungsinitiative angenommen. Die umstrittene Ecopop-Initiative scheiterte hingegen klar. Sind Sie froh darüber?

Ich bin ausgesprochen erleichtert und froh, dass das Ergebnis zu Ecopop so deutlich ausgefallen ist. Das Abstimmungsergebnis vom 9. Februar wird dadurch aber nicht aufgehoben. Die Konsequenzen sind noch nicht absehbar, wir wissen nicht, wie die Umsetzung ausgestaltet wird. Diese allgemeine Unsicherheit macht mir Sorgen. In der Stadt Zürich wurden sowohl die Zuwanderungs- als auch die Ecopop-Initiative sehr klar abgelehnt, obwohl wir hier einen hohen Ausländerinnen- und Ausländeranteil haben. Das zeigt meiner Meinung nach, dass das friedliche Zusammenleben verschiedener Kulturen sehr wohl gelingt und eine Bereicherung ist.

Zürich hat dieses Jahr einen neuen Sechseläutenplatz bekommen, und der Hafenkran spaltet nach wie vor die Gemüter. Was bedeuten diese Plätze und Bauten für unsere Stadt?

Sie symbolisieren etwas, das für Zürich enorm wichtig ist: Offenheit und das friedliche Miteinander vielfältiger Lebensweisen. Der Sechseläutenplatz wurde von der Bevölkerung sehr gut angenommen. Auch jetzt im Winter ist der Platz voller Menschen, er schafft eine schöne Atmosphäre. Der Hafenkran hat zu diversen Auseinandersetzungen geführt und Diskussionen darüber entfacht, was Kunst im öffentlichen Raum sein darf. Diesen Austausch fand ich positiv. Der Hafenkran wird im Januar wieder abgebaut. Das ist auch gut so, denn es war ein temporäres Kunstprojekt, und es war von Anfang an klar, dass der Kran nicht für immer bleiben wird.

Auch dieses Jahr haben wir unsere Leserinnen und Leser gebeten, uns Fragen zu schicken, die sie Ihnen schon immer einmal stellen wollten. Lukas Egetemayer möchte wissen: Kein Stadion, kein Kongresszentrum – lebt Zürich trotzdem über seine Verhältnisse?

Nein, das denke ich nicht. Dass wir das Kongresszentrum am See in der ersten Form nicht realisieren konnten, war ein Entscheid der Stimmbevölkerung. Ich finde jedoch, wir haben jetzt eine gute Lösung gefunden, indem wir das bisherige Kongresszentrum inklusive Tonhalle wieder fit machen, es ausbauen und den modernen Bedürfnissen anpassen wollen. Es sind auch die Finanzen angesprochen. Der finanzielle Spielraum der Stadt Zürich ist in der Tat enger geworden, doch dank einer weitsichtigen Finanzpolitik hat Zürich Reserven angelegt. Deshalb haben wir die schwierige Zeit seit der Finanzkrise bislang gut überstanden. Wir besitzen jetzt, am Ende des Jahres, immer noch über eine halbe Milliarde Franken Eigenkapital, was uns einen gewissen Spielraum ermöglicht.

Der Konflikt zwischen Velofahrer und Fussgänger wird in Zürich immer grösser. Leser Christoph Ogg möchte wissen, was die Stadt Wirksames zu tun gedenkt, zum Schutz der Fussgänger vor rücksichtslosen Velofahrern, die immer weniger die Vorschriften befolgen.

Im Bereich Veloverkehr besteht in der Tat Handlungsbedarf und Verbesserungspotenzial, darum haben wird auch den Masterplan Velo lanciert, der das Ziel verfolgt, die Bedingungen und die Sicherheit für die Velofahrenden zu verbessern und die Zahl der Velofahrten bis 2025 zu verdoppeln. Wer aufs Trottoir ausweicht und dabei Fussgängerinnen und Fussgänger gefährdet oder Verkehrssignale missachtet, verhält sich rücksichtslos, und das geht nicht. Doch dieses Verhalten ist oft auch ein Zeichen dafür, dass die Bedingungen für Velofahrende an gewissen Orten in der Stadt einfach schlecht sind. In anderen Städten besteht zum Beispiel die Möglichkeit, bei Rot rechts abzubiegen. Wir prüfen, an welchen Kreuzungen in der Stadt dies auch möglich wäre.

Auch die wilde Abfallentsorgung ist für Stadtbewohner ein Ärgernis. Wie kann es sein, dass Leute an Glassammelstellen Toaster, Pfannen und Lampen ausladen und liegen lassen?

Die Stadt Zürich bemüht sich sehr, die verschiedenen Sammelstellen sauber zu halten. Was die Wertstoffsammlung betrifft, stehen wir im nationalen wie auch im internationalen Vergleich sehr gut da. Zudem verschicken wir an alle Haushalte Entsorgungskalender mit Abfuhr- und Sammeldaten. Wir sind Weltmeister im Recycling. Trotzdem gibt es leider Leute, die wild Abfälle entsorgen. Diese ausfindig zu machen, ist nicht immer einfach. Wenn es uns gelingt, werden sie aber konsequent gebüsst.

Auch das Thema Wohnungsnot und steigende Mieten beschäftigt unsere Leserschaft sehr. Oft bewerben sich Hunderte um eine städtische und somit bezahlbare Wohnung. Kann man sich Wohnen in der Stadt Zürich bald nicht mehr leisten?

In der Stadt schnell eine Wohnung zu finden, ohne ein dickes Portemonnaie zu haben, ist eine schwierige Sache, das wissen wir. Wir haben aber den Vorteil, dass rund ein Viertel des Wohnungsbestandes in der Stadt Zürich gemeinnützig vermietet wird, von der Stadt selbst, von Genossenschaften oder von Stiftungen, zum Beispiel für kinderreiche Familien und für Alterswohnungen. Dafür sind wir dankbar, denn sie leisten einen wichtigen Beitrag für gut durchmischte, vielfältige Quartiere. Wir haben den Auftrag, bis zum Jahr 2050 den Anteil an gemeinnützigen Mietwohnungen auf ein Drittel zu erhöhen. Daran arbeiten wir. Das Projekt Rautistrasse mit 104 Wohnungen wurde jüngst fertiggestellt, hier kostet eine 4,5-Zimmer-Wohnung rund 2000 Franken. In Leutschenbach entstehen 390 Wohnungen, und für die geplante Überbauung mit 184 Wohnungen beim Tramdepot Hard wurde gerade der Architekturwettbewerb gestartet. Momentan entstehen allein in städtischen Projekten rund 900 Wohnungen.

Die Lebenshaltungskosten in der Schweiz und speziell in Zürich sind sehr hoch. Viele ältere Leute haben heute wenig Geld zur Verfügung. Die AHV reicht vielen nicht aus. Haben die Ausgaben für Ergänzungsleistungen zugenommen?

Ja, sehr stark sogar. Die Aufwendungen für Ergänzungsleistungen stiegen von 361 Millionen im Jahr 2009 auf 437 Millionen Franken im Jahr 2013. Das System der sozialen Sicherung ist hierzulande jedoch sehr gut, verschiedene Stellen arbeiten Hand in Hand. Wir unterstützen Menschen, die im Alter wenig Geld zur Verfügung haben. Es ist richtig, dass sie Ergänzungsleistungen bekommen und von Vergünstigungen profitieren, um am Leben in der Stadt teilhaben zu können und nicht isoliert zu sein. Wer auf Ergänzungsleistungen angewiesen ist, erhält zudem jedes Jahr im Dezember eine Zulage von 300 Franken für Einzelpersonen und 450 Franken für Ehepaare – die sogenannte Wintermantel-Zulage. Für viele Leute ist sie ein willkommener finanzieller Zustupf am Ende des Jahres.

Was soll sich 2015 ändern in der städtischen Politik?

Zürich ist gut unterwegs. Wir werden aber den Finanzen nochmals mehr Beachtung schenken müssen. In diesem Zusammenhang hoffe ich auch, dass die Grossbanken, die über Jahre Verlustvorträge machen konnten, wieder Gewinnsteuern zahlen und ihren Beitrag leisten. Wir sehen es als Herausforderung, die uns zur Verfügung stehenden Finanzen so einzusetzen, dass wir die Lebensqualität und den sozialen Zusammenhalt weiterhin hochhalten können. Mitte Monat wurde bekannt, dass Google auch künftig in den Standort Zürich investieren will. Das freut mich persönlich sehr, denn es zeigt, dass Zürich auch für einen globalen Konzern ein attraktiver Ort ist. Auch in Zeiten knapperer finanzieller Mittel wollen wir auch ins Kultur- und Bildungsangebot sowie in den Schutz der Umwelt investieren. Wir dürfen nicht den Fehler machen, den Ast abzusägen, auf dem wir sitzen.

Wie feiern Sie heute das neue Jahr?

Ich verbringe die Festtage in Zürich, denn ich bin das ganze Jahr über unterwegs und geniesse die Ruhe, die unsere Stadt zwischen Weihnachten und Neujahr ausstrahlt. Zusammen mit Freundinnen und Freunden und meiner Partnerin werde ich das Silvesterfeuerwerk von einer Dachterrasse aus bestaunen.

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