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Interview

Eilt mit den «Eisernen» des 1. FC Union Berlin von Erfolg zu Erfolg: der Zürcher Trainer Urs Fischer. Bild: AFTV

Mit Zürcher Qualitäten an die Spitze der Bundesliga

Von: Sacha Beuth

27. September 2022

Es klingt wie ein Märchen: Erst vor vier Jahren war Urs Fischer mit dem 1. FC Union Berlin in die erste Bundesliga aufgestiegen. Nun grüsst das Team des Zürcher Trainers die Konkurrenz von der Tabellenspitze.

Was hätten Sie geantwortet, wenn jemand vor Saisonstart behauptet hätte, Sie und Ihr Team würden nach sieben Runden auf Platz 1 und somit vor den übermächtigen Bayern liegen?

Urs Fischer: Ich hätte wohl nicht viel gesagt. Ich hätte nur gefragt, wie viele Punkte wir dann haben. Das ist mir viel wichtiger. Denn wir haben innert 6 Wochen 13 Spiele. Da kann man das Polster von 17 Punkten gut gebrauchen. Die Tabellenführung ist für mich dagegen nur eine Momentaufnahme, wenn auch eine schöne. Teams wie Leverkusen und Wolfsburg spielen gegenwärtig unter Wert, Bayern und Dortmund haben eine enorme Qualität. Da wird sich bis zum Schluss noch einiges tun.

Dann haben sich die Saisonziele durch die unerwartete Tabellenführung auch nicht verändert?

Nein. Weder bei der Klubführung noch im Team. Ziel ist immer noch der Klassenerhalt. Mehr zu erwarten, ist nicht realistisch. Punkt.

Nachdem Sie 2012 beim FCZ und 2017 beim FC Basel gehen mussten, haben Sie den Union Berlin kontinuierlich nach vorne gebracht und die Schweizer Kritiker zum Verstummen gebracht. Fühlt man dabei eine gewisse Genugtuung?

Natürlich tut das gut. Wobei Genugtuung nicht so ganz das richtige Wort ist. Es ist eher eine gewisse Zufriedenheit, die ich verspüre. Und ja, vielleicht denkt nun der eine oder andere, dass er sich in mir geirrt hat.

Was ist aus Ihrer Sicht das Geheimnis Ihres Erfolges mit den «Eisernen»?

Das starke Kollektiv. Jeder ordnet sich für den gemeinsamen Erfolg unter. Dafür müssen wir uns immer am Limit bewegen.

Welche typisch zürcherischen oder zumindest schweizerischen Eigenschaften haben Ihnen dabei geholfen?

Ich habe meine Art und Weise, wie ich gedenke zu arbeiten, vom ersten Tag vorgelebt. Dazu gehört der Wille, die Leidenschaft exakt zu arbeiten, sowie eine hohe Arbeitsdisziplin.

Was haben Sie umgekehrt von der Mentalität der Deutschen beziehungsweise der Berliner übernommen?

Direkt zu kommunizieren. Ich war zwar während meiner Zeit in der Schweiz auch für meine direkte Art bekannt – was oft nicht so gut angekommen ist. Aber hier in Berlin ist das noch stärker ausgeprägt und vielleicht manchmal wiederum zu extrem. Andererseits können die Deutschen auch eher Kritik einstecken.

In Berlin, insbesondere im Stadtteil Köpenick, wo der 1. FC Union domiziliert ist, geniessen Sie inzwischen Kultstatus. Können Sie noch durch die Strassen gehen, ohne dauernd angesprochen zu werden?

Ehrlich gesagt, fehlt mir für einen Stadtbummel oder für einen Restaurantbesuch meist die Zeit. Insofern ist das auch kein Problem. Natürlich werde ich bei den wenigen Gelegenheiten auch mal um ein Selfie gefragt. Aber das ist auch schön.

Was schätzen Sie an Ihrem aktuellen Arbeitsort Berlin am meisten?

Die Grösse der Stadt, ihre Geschichte und ihr unglaublich reichhaltiges kulinarisches und kulturelles Angebot. Berlin ist im Vergleich zu Zürich riesig. Zudem schätze ich es, dass es gerade in Köpenick viel Grün und viele Wasserflächen gibt.

Und was vermissen Sie an Zürich besonders?

Meine Familie, mein Zuhause und natürlich meinen Freundeskreis.

Ihre Aktien sind in der Fussballwelt enorm gestiegen. Was folgt als Nächstes? Ein Wechsel zu einem Top-Bundesligaklub oder gar in die englische Premier League?

Diese Frage stelle ich mir nicht. Als ich beim FC Zürich begann, hatte ich auch nicht Thun, Basel und Union Berlin im Hinterkopf. Das kann man auch nicht bestimmen, dafür ist der Fussball zu unberechenbar.

Gilt diese Aussage ebenso für eine Rückkehr nach Zürich und zum FCZ?

Zürich ist meine Heimat und wird es immer sein. Früher oder später werde ich zurückkehren. Wann, das werden wir sehen.

Zur Person

Urs Fischer kommt am 20.2. 1966 in Zürich zur Welt und wächst im Quartier Affoltern auf. Im Alter von rund 7 Jahren tritt er dem FC Zürich bei, wo er in der Saison 1983/84 bei den Profis debütiert. 1987 wechselt er zum FC St. Gallen, deren Trikot er bis 1995 trägt und während dieser Phase auch 4 Länderspiele für die Schweiz absolviert. Anschliessend kehrt er zum FCZ zurück, wird 2000 als Captain Cupsieger und beendet schliesslich 2003 seine Karriere als Aktiver. Nach seinem Rücktritt betreut er bei den Zürchern erst mehrere Jugendteams und wird dann von 2010 bis 2012 Cheftrainer. Es folgt ein Engagement beim FC Thun, ehe Fischer 2015 vom FC Basel verpflichtet wird. Mit den Bebbi wird er zweimal Meister und einmal Cupsieger. 2017 folgt die Kündigung und auf die Saison 2018/19 der Wiedereinstieg ins Trainerbusiness beim damaligen 2.-Bundesliga-Klub 1. FC Union Berlin, mit denen ihm im Mai 2019 der Aufstieg in die erste Bundesliga, 2020/21 die UEFA-Conference-League-Qualifikation und 2021/22 die Europa League-Qualifikation gelingt.

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