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Interview

Comic: Beni Merk

Systemwechsel: Muss oder Stuss?

08. Oktober 2019

Schlagabtausch: Eine gute Streitkultur und harte Debatten mit unterschiedlichen Standpunkten – davon lebt die Politik. Deshalb werfen sich im «Tagblatt» alle zwei Wochen zwei Stadtzürcher Parteipräsidentinnen oder Parteipräsidenten in einem Schlagabtausch den Ball zu. Heute fordert Severin Pflüger, Präsident FDP Stadt Zürich und Gemeinderat, Felix Moser, Präsident Grüne Stadt Zürich und Gemeinderat, heraus.

Severin Pflüger (Bild oben)
Jahrgang: 1978
Partei: FDP
Politische Mandate: Gemeinderat
und Präsident FDP Stadt Zürich
Nationalratskandidat
Beruf: Anwalt
www.severinpflueger.ch

Felix Moser (Bild unten)
Jahrgang: 1968
Partei: Grüne
Politische Mandate: Gemeinderat und Präsident Grüne Stadt Zürich, Nationalratskandidat
Beruf: Unternehmer
www.felixmoser.ch

 

Severin Pflüger: Am 25. September 2019 hat die Grüne Fraktion im Gemeinderat eine Fraktionserklärung mit dem Titel «Genug geredet» verlesen, die mich sehr irritierte. Es hiess: «Der unternehmerische Geist der Zerstörung richtet sich nun gegen seine Urheber: ‹Macht kaputt, was uns kaputt macht› gilt mehr denn je.» Diese ­Liedzeile inspirierte in den 1970er- Jahren die Ausserparlamentarische Opposition (Neoanarchisten bis RAF). Was wollt ihr heute damit sagen


Felix Moser: «Es gibt keine Alternative zu einem Systemwechsel» im Kampf gegen den Klimawandel. So beginnt der Abschnitt, den du zitierst. Damit ist der Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft gemeint. Darum geht es. FDP-Rezepte wie längere Parkzeiten für E-Autos zeigen, dass ihr den Ernst der Lage nicht erkannt habt.

Severin Pflüger: Uns ist es ernst: Die FDP hat gleichentags das CO2-Gesetz durchgebracht, mit dem die Klimaziele von Paris eingehalten werden können. Wir sind eben Realisten und träumen nicht von einem Umbau der Wirtschaft und der Gesellschaft. Wie soll dieser Umbau nach Meinung der Grünen vonstattengehen?

Felix Moser: Jetzt vor den Wahlen klappte es mit dem CO2-Gesetz. Immerhin. Umbau heisst: weg von fossilen Energien, lokale Landwirtschaft ohne Massentierhaltung, Kreislauf- statt Wegwerfwirtschaft. Zwei Beispiele: Verbot von Einwegplastik, autoarmes oder autofreies Wohnen in der Stadt. Realistisch – macht ihr mit?

Severin Pflüger: Nahrungsmittelkonservierung ist die sinnvollste Verwendung von Erdöl überhaupt. Sonst sind das alles ökologisch und ökonomisch sinnvolle Ziele, gegen die man sich nicht stemmen sollte – solange unser Leben mobil und vielfältig bleibt. Ich bin aber mehr fürs Reparieren als fürs Kaputtmachen wie ihr. Muss man Wirtschaft und Gesellschaft wirklich umbauen?

Felix Moser: Du drückst dich um eine konkrete Antwort. Und es ist umgekehrt: Wir Grüne wollen die Umweltzerstörung stoppen und die Erde reparieren. Ein anderes Thema, das mich beschäftigt: Raumnot in Zürich. Es braucht Platz für Velowege, Schulhäuser, Freiräume und mehr. Wie kann sich Zürich so weiterentwickeln?

Severin Pflüger: Primär habe ich keine Antwort erhalten: Warum und wie wollt ihr die Gesellschaft umbauen? Was ist euer nächster Schritt? Zum Platz: Wir müssen intelligenter damit umgehen. In einem Verdrängungskampf werden alle verlieren. Der Rosengarten macht es vor: oben Tram und Fussgänger, unterirdisch der Individualverkehr.

Felix Moser: Der Rosengartentunnel ist ein Konzept aus den 1970er-Jahren. Eine zukunftsgerichtete Lösung sieht anders aus. Beruhigungsmassnahmen fürs Quartier könnten heute schon umgesetzt werden. Wo ich dir beistimme: Der Strassenraum muss intelligenter genutzt werden – aber von allen Verkehrsträgern gemeinsam.

Severin Pflüger: Ich sehe: Die Wähler und ich werden von dir nicht erfahren, was «System Change» für uns bedeutet. Daher Themawechsel: Wann wird euer Stadtrat Daniel Leupi die Steuern senken?

Felix Moser: Finanziell steht Zürich gut da. Aber Steuerpolitik ist langfristig, die wirtschaftlichen Prognosen sind schwierig (drohende Rezession, Negativzinsen). Euer Stadtrat Filippo Leutenegger ist ja Schulvorsteher. Wann werden wir in ganz Zürich Tagesschulen haben? Ich hoffe, da ziehen wir am gleichen Strick.

Severin Pflüger: Klar: Tagesschule mit Wahlfreiheit für Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Steuereinnahmen sind in den letzten Jahren deutlich stärker gewachsen als die Bevölkerung. Die ungewisse Zukunft schiebt ihr doch nur vor, damit ihr die Steuern hochhalten und die Ausgaben steigern könnt. Aber angenommen, die Steuern würden wegbrechen. Wo würdet ihr sparen?

Felix Moser: Zürich ist attraktiv. Das liegt an der Infrastruktur, am Kulturangebot oder an den guten Schulen mit Hort und Betreuung. Würden die Zeiten ändern, müssten all diese teuren Ausgaben überdacht werden. So weit kommt es hoffentlich nicht, wir arbeiten ja beide daran, dass es Zürich weiterhin gut geht.

Severin Pflüger: Auch wenn wir verschiedene Vorstellungen davon haben, wie wir es erreichen wollen, so haben wir doch das gleiche Ziel: eine schöne Stadt, in der es sich leben lässt.

In der Ausgabe vom 23.10.2019 gibt Felix Moser (Grüne) den Steilpass weiter an Mauro Tuena (SVP).

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