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Interview

Mark Benecke ist der Popstar unter den Kriminalisten. Bild: PD

"Vampire waren zu jeder Schweinerei fähig"

Von: Clarissa Rohrbach

27. Oktober 2015

Der Kriminalbiologe Mark Benecke weiss alles über Vampire. Und hat sogar schon lebende Bluttrinker getroffen. Nächste Woche kommt der Präsident der Society of Dracula nach Zürich.

Herr Benecke, spätestens seit der «Twilight»-Saga sind Vampire Frauenschwärme. War das früher auch so?
Vampire waren im Gegensatz zu «Twilight» immer sehr sexualisiert. Das Bild des eleganten Verführers mit guten Manieren erfand Bram Stoker, der 1897 den Roman «Dracula» schrieb. Zuvor galten Vampire als Unholde, die zu jeder Schweinerei fähig waren. Um 1731 wurde die erste Leiche ausgebuddelt, die man für einen Vampir hielt: Leichengas blähte den Penis des Toten auf, sodass es zu einer Erektion kam. Eine rote Flüssigkeit floss ihm aus dem Mund. Für die Zeit war das so monströs, dass nur auf Lateinisch darüber berichtet wurde. Die Funde aus dieser Zeit bilden zusammen mit Bram Stokers Buch die moderne Grundlage des Mythos.


Der irische Schriftsteller machte aus der historischen Figur von Vlad Tepes, auch Vlad der Pfähler genannt, den Grafen Dracula. War Vlad wirklich so grausam?
Vlad Tepes war Herrscher in der Walachei, einem winzig kleinen christlichen Staat, der an das Osmanische Reich grenzte. Um die Muslime fernzuhalten, verbreiteten die Christen  als Propaganda Gruselgeschichten von über 20 000 Pfählungen. Dabei hatte Vlad nur ein paar Feinde und Steuersünder gepfählt. Bram Stoker las die historischen Dokumente, dichtete den Rest dazu und verschob die Figur nach Transsylvanien. Für die Briten war das Land damals so abgelegen, dass die obskuren Bräuche plausibel klangen.


In Südosteuropa hängen ältere Menschen tatsächlich noch Knoblauch an die Tür, um das Unheil fernzuhalten. Wie entstand dieser Aberglaube?
In diesen Regionen gilt Knoblauch als sehr gesund, man nimmt ihn gegen Krankheiten und Würmer und alles mögliche andere. Es gibt aber keine wissenschaftliche Erklärung dafür.


Sie haben über Menschen recherchiert, die tatsächlich Blut trinken. Daraus entstand Ihr Buch «Vampire unter uns!». Was sind das für Leute?
Vampyre – das y unterscheidet sie von fiktiven Vampiren – spüren ein Zehren nach Blut, ähnlich wie sexuelles Verlangen. Ohne sind sie energielos. Weltweit trinken nur einige Tausend Personen menschliches Blut. Wir haben herausgefunden, dass viele als Kind körperlich oder seelisch missbraucht wurden und heute unter Depressionen und Angststörungen leiden. Und sie sind hypersensibel auf Licht und Geräusche.


Wie kommen diese sogenannten Vampyre zum Blut?
Die Anhänger dieser Subkultur treffen sich mit ihren Spendern überall, wo man sich auch sonst trifft. Das Bluttrinken findet immer einwilligend statt, und man ist sich trotz gesundheitlichen Regelungen der Gefahren bewusst. Tierblut zu trinken, ist in dieser Szene verpönt.


Handelt es sich um eine psychische Störung?
Diese Neigung gehört zu ihrer Identität und ist meiner Meinung nach nicht zu hinterfragen – einen Christen fragt man ja auch nicht, wieso er glaubt. Klar, das Phänomen ist am Rande des Randes und leicht zu pathologisieren. Aber die Tatsache, dass in dieser Szene trotz Depression die Suizidrate gleich null ist, zeigt: Das Bluttrinken scheint für Vampyre heilsam zu sein. Wer die dunkle Seite in seine Persönlichkeit integriert, kann besser mit Abgründen umgehen.


Sie zeigen in Zürich auch Fotos von Bluttaten. Was sind das für Mordfälle?
Wenn viel Blut floss und Grufties damit zu tun hatten, berichteten die Medien über Vampirmorde. Es entstanden auch Bücher darüber. Ich räume aber mit diesen Klischees auf.


Als Präsident der Transsylvanian Society of Dracula waren Sie sicher schon auf Schloss Bran. Wie wars?
Ganz nett. Das Schloss zieht jährlich rund 560 000 Touristen an. Dabei glauben die Leute vor Ort gar nicht an Dracula. Präsident Ceausescu machte es zur Attraktion, um die kommunistische Staatskasse zu bereichern.

Info: Mark Benecke hält seinen Vortrag «Vampire – Mythos und Wissenschaft» im Weissen Wind am 5. und 6. November. Vorstellungsbeginn ist 20 Uhr, die Tickets sind an der Abendkasse erhältlich.
www.weisserwind.ch
www.benecke.com


Gewinnen Sie 2× 2 Tickets für Mark Benecke am 6. 11. in Zürich: gewinn@tagblattzuerich.ch

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