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Interview

«Wir Kubaner finden immer einen Grund, um zu lachen»

26. Februar 2013

Vor rund drei Wochen gelang Volero wieder ein Transfercoup. Der Zürcher Volleyballclub verpflichtete die mehrfache kubanische Nationalspielerin und Olympiateilnehmerin Kenia Carcaces Opon. Das «Tagblatt» befragte die 27-Jährige nach ihren ersten Erfahrungen in der Schweiz und ihren Zielen mit Volero.

Tagblatt der Stadt Zürich: Kenia Carcaces Opon, seit Ende Januar wohnen Sie in Zürich. Wie gefällt Ihnen unsere Stadt?

Kenia Carcaces Opon: Abgesehen von den tiefen Temperaturen sehr gut. Alles ist sehr sauber und vor allem sehr ruhig. Und natürlich liebe ich Schweizer Schokolade. Abseits des Clubs konnte ich noch nicht viele Menschen kennen lernen. Nur einmal hat mich im Lift ein etwa 65-jähriger Nachbar angesprochen, sich vorgestellt und versucht, sich ein wenig auf Englisch mit mir zu unterhalten. Leider ist er drei Tage später plötzlich gestorben. Ansonsten versuche ich, auf eigene Faust die Stadt zu erkunden. Ich weiss schon, welche Tramlinie mich in die Innenstadt und wieder nach Hause bringt (lacht).

Was sind die markantesten Unterschiede zwischen Ihrer Heimat Kuba und der Schweiz?

Opon: In erster Linie die Lautstärke. In Kuba wird auf den Strassen immer bis spät in die Nacht geschwatzt und bei voll aufgedrehten Boxen Musik gehört. So sehr ich die Ruhe hier schätze, so vermisse ich anderseits auch diese Lebensfreude und Offenherzigkeit. Selbst wenn es uns schlecht geht, finden wir Kubaner immer einen Grund, um zu lachen. Auch muss ich mich hier an die unterschiedliche Kost gewöhnen. Bei uns zu Hause wird viel mehr Fleisch gegessen, hier lebt man viel gesünder und isst mehr Salat und Gemüse. Darum bin ich wohl in letzter Zeit immer hungrig.

Kommen wir zum Sportlichen. Sie haben nach dem Rücktritt aus der kubanischen Nationalmannschaft die letzten 18 Monate nicht gespielt. Warum?

Opon: Wenn du in Kuba nicht im Nationalteam bist, hast du in diesem Land keine Chance, professionell Volleyball zu spielen. Du musst warten, bis der Verband sein Okay für einen Wechsel ins Ausland gibt.

Ist es schwierig, nach so langer Zeit wieder den Rhythmus zu finden und sein Niveau zu erreichen?

Opon: Oh ja. Deine Fähigkeiten und Erfahrungen kann dir keiner nehmen, aber es braucht Zeit, bis du die Kraft wieder zurückerlangt hast. Der Aufbau darf auch nicht zu schnell erfolgen. Ich muss mich also in Geduld üben.

Die Zeit dafür ist da. Die Meisterschaft beginnt erst wieder im September.

Opon: Ja, leider. Auch hier werde ich mich gedulden müssen. Anderseits ergibt sich dadurch genügend Zeit, Erfahrungen auszutauschen. Für mich sind Schweizer Meisterschaft und Champions League Neuland, dafür kann ich etwas über internationale Grossturniere erzählen.

Mit Ihrem Leistungsausweis hätten Sie sich für Ihr Comeback auch einen Profiklub in Italien, Russland, Brasilien oder in den USA aussuchen können. Weshalb fiel Ihre Wahl auf Volero?

Opon: Ich habe mich zuvor mit Nancy Carillo und Rosir Caldéron (nun in der türkischen Liga aktiv, die Red.) unterhalten, zwei Landsfrauen, die schon für Volero aktiv sind beziehungsweise waren. Beide waren, als sie zu Volero kamen, in einer ähnlichen Situation wie ich jetzt und haben mir den Wechsel wärmstens empfohlen. Klar, Brasilien hat eine stärkere Liga als die Schweiz. Aber da spielen schon genug Kubanerinnen, da muss ich nicht auch noch hin (lacht).

Sie sprechen ausser Spanisch nur wenige Brocken Englisch. Wie funktioniert da die Verständigung im Team?

Opon: Zum Glück spricht eine Mitspielerin auch Spanisch und übersetzt, wenn immer möglich. Ich versuche auch, viel über Beobachtung zu verstehen, und google zu Hause einzelne Wörter. Jedenfalls bin ich bis jetzt in den Trainings immer dort gestanden, wo mich der Trainer haben wollte.

Was ist bislang Ihr Eindruck von Ihrem neuen Verein?

Opon: Im Vergleich zu Kuba wird hier öfter gespielt, und es gibt mehr praktische Übungen, während dort mehr trainiert und mehr Wert auf Theorie gelegt wird. Ausserdem erhalte ich bei Volero viel Aufmerksamkeit und Unterstützung. Kurz: Hier kümmert man sich um dich. Das ist etwas, was ich sehr schätze.

Welche Ziele haben Sie sich mit Ihrem neuen Club vorgenommen?

Opon: Vor allem wieder mein spielerisches Level zu erreichen, dass ich vor meinem Rücktritt aus dem kubanischen Nationalteam hatte. Ich möchte für Volero eine Stütze sein. Und ausserdem will ich nächste Saison in der Champions League im Gegensatz zur vergangenen Spielzeit die Playoffs erreichen.

Im Hinblick auf die Frauen-EM in der Schweiz im September stehen Sie und andere ausländische Spielerinnen dem heimischen Team als Sparringspartner zur Verfügung. Kann die Schweiz mit dieser Volleyball-Entwicklungshilfe das Niveau von Kuba erreichen?

Opon: Aaahhh (lacht). Nun, grundsätzlich ist nichts unmöglich, und die Schweizerinnen haben viel Talent. Was fehlt, ist internationale Erfahrung. Bekommen sie diese, ist dieses Vorhaben in fünf bis zehn Jahren durchaus realisierbar.

Curriculum Vitae

Geboren

23. Januar 1986 in Holguin, Kuba.

Karriere

Kenia Carcaces Opon begann ihre Volleyball-Laufbahn bei ihrem Heimatklub Holguin, wechselte 2005 nach Japan zu Hisamitsu Springs, kehrte aber ein Jahr später nach Kuba zurück, wo sie zuletzt für das Nationalteam des Inselstaats und Ciudad de la Habana spielte. Die 1,89 Meter grosse Aussenangreiferin absolvierte bislang 85 Länderspiele, gewann mit Kuba unter anderem die Pan American Games 2007 und erreichte 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking Rang 4.

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