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Lifestyle

Buchautor Charles Lewinsky.

Bücher, über die man spricht

Von: Isabella Seemann

07. Oktober 2014

Neue Zürcher Bücher: Der Bücherherbst hat begonnen – wir empfehlen die Werke zweier grosser Literaten und die Kolumnensammlung der «Tagblatt»-Kolumnistin.

Charles Lewinsky: «Kastelau», Verlag Nagel & Kimche, Aug. 2014,
34.90 Fr.

Tausendsassa Charles Lewinsky erheiterte das Schweizer Fernsehpublikum mit Sitcoms wie «Fertig lustig», schrieb TV-Episoden für das «Traumschiff», realisierte Hörspiele und Theaterstücke, analysierte in Essays Politik und Gesellschaft und erlangte literarischen Ruhm mit den Bestsellern «Melnitz» und «Gerron». In seinem neuen Roman «Kastelau» verbindet er seine Stärken und wagt zugleich eine heikle Gratwanderung: eine humorvolle Geschichte über das Dritte Reich. Winter 1944, die Bomber der Alliierten fliegen über Berlin. Da kommt dem UFA-Filmteam der Auftrag von Goebbels Propagandaministerium, einen vermeintlich kriegsentscheidenden Film in den bayerischen Alpen zu drehen, gerade recht. Die Schauspieler wollen dort ausharren bis zum Kriegsende. In dem bald vom Schnee eingeschlossenen Bergdorf Kastelau wird das Drehen einer erfundenen Geschichte immer mehr zur erfundenen Geschichte eines Drehs. Als klar wird, dass Deutschland den Krieg verliert, wird der Propagandafilm kurzerhand zu einem Widerstandsfilm umgeschnitten. Und aus den anpasserischen, mitlaufenden Schauspielern werden plötzlich Helden des Widerstands. Aus immer neuen Lügen und Ausflüchten entspinnt sich ein Netz aus Intrigen, sodass bald niemand mehr zwischen Schein und Wirklichkeit zu unterscheiden weiss.

Der neue Roman von Charles Lewinsky ist wohl das wichtigste Buch des Schweizer Bücherherbsts und wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert.

 

Kaspar Schnetzler: «Das Modell», Bilger-Verlag, Aug. 2014, 34 Fr.

Ein lustvoller Schreiber war Kaspar Schnetzler schon als Kantonsschullehrer für Deutsch und Kunstgeschichte in der Kantonsschule Enge; er publizierte Romane, Erzählungen, Essays und Reportagen. Aber seine Meisterwerke «Die Gilde» und «Das Gute» schrieb er erst als Rentner. Nun legt der Stadtzürcher im Alter von 72 Jahren erneut einen geistreichen Roman vor. Der kleine Werber Jonathan Flint, Protagonist von «Das Modell», wird mehr per Zufall als aus Ehrgeiz zum Star seiner Branche. Er gewinnt den Wettbewerb für ein Stadtmarketingkonzept, das die Frau Bürgermeisterin ausgeschrieben hatte. Gross Münsterburg – kurz: GMB – wird zur Marke und zum Spitzenreiter in internationalen City-Rankings. Jonathan Flint, der seine Heimatstadt quasi verinnerlicht hat, wird zum Ehrenbürger ernannt. Doch plötzlich bricht er aus seinem biografischen Korsett aus, schwänzt die Feier und fliegt an die amerikanische Ostküste, wo er sich in den Wäldern von Maine in sein eigenes Leben zurückziehen will. Man kann «Das Modell» auf verschiedene Arten lesen: als Gesellschafts­satire, als Entwicklungsroman, aber vor allem auch als Denkmal für eine wohlbekannte Stadt, die gerne grösser wäre, als sie ist.

Am Dienstag, 14. Oktober, 20 Uhr, stellt Kaspar Schnetzler im Kaufleutensaal «Das Modell» vor.

Marianne Weissberg: «Tränen ins Tiramisu – 110 Kolumnen & Essays», Edition Vollreif, Sept. 2014, 30 Fr.; erhältlich bei www.vollreif.ch

Schlechter Sex muss nicht schlimm sein. Das ist ein gewagter Gedanke, der gewagt werden muss. Marianne Weissberg schrieb darüber in einer Zeitungsglosse, die sich nun im Sammelband «Tränen ins Tiramisu» wiederfindet. Denn Gutes kann man ja schliesslich nicht oft genug wiederholen. 110 Kolumnen und Essays dürfen sich im Glanz des Prädikats «best of» sonnen. Fast immer geht es um die Verpaarung, mal heiter, mal sentimental. Wehmut und Liebeszweifel stehen da neben finsterem Hohn und Ironie mit Noblesse. Sie nennt die Kolumnen- und Essay-Sammlung denn auch «mein bittersweetes Liebes-Testament». Zu Hochform läuft sie auf, wenn sie über ihre Dating-Erlebnisse im Internet berichtet («Es ist wie fettiges Fast Food, von dem muss man auch immer mehr und mehr reinschlingen.»).

Oft nur eine Zeile braucht Weissberg, um einfühlsam über Enttäuschungen zu schreiben, und zu diesen liefert sie gleich noch das Rezept für ein tränenreiches Tiramisu, das man samstagabends allein essen kann. Ist das zu bitter? Aber nein! Man wird lesen und lachen und sagen: So ist es.

Wer die «Tagblatt»-Kolumnistin persönlich kennen lernen möchte, hat heute Mittwoch die Gelegenheit dazu: Signier- und Plauderstunde mit Marianne Weissberg bei Orell Füssli Buchhandlung am Bellevue, Zürich, ab 16.30 Uhr.

 

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