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Lifestyle

Bücher von Sehnsucht, Liebe und Herz

Von: Isabella Seemann

03. Februar 2015

Zum Valentinstag stellt das Tagblatt literarische Liebeserklärungen vor.

Mascha Kaléko: «Liebst du mich eigentlich? Briefe an ihren Mann»,
Jan. 2015, DTV Verlag, 14.90 Fr.

«Auf nichts war Verlass. Nur auf Wunder», heisst es in einem Gedicht von Mascha Kaléko, die als Jüdin im nationalsozialistischen Deutschland in der Tat auf Wunder angewiesen war. Einzelne ereigneten sich – so ihre gerade noch gelungene Flucht nach New York. Ein Wunder im heiteren Sinne war ihre 40 Jahre währende Liebe zu Chemjo Vinaver. «Zwei Singulare», die «kein Plural» waren, und doch war da ein «tiefes und nie unterbrochenes Einverständnis». 1956 kehrte sie nach Deutschland zurück, wo die Lyrikerin 23 Jahre zuvor Schreibverbot erhalten hatte und ihre Bücher auf dem Scheiterhaufen brannten. Von dieser Reise quer durch Europa schreibt sie ihrem Chemjolein in den USA fast täglich seitenlange Briefe. Dabei ging es um die Auseinandersetzung mit der alten Heimat, wo sie nun vom Publikum gefeiert wurde, aber auch um die Sehnsucht nach den «Temps perdus» – und jene nach dem Liebsten. Fast jeder Brief endet mit «LDME». Denn «Liebst Du mich eigentlich?» fragt nur jemand, der in tiefstem Herzen sicher ist, geliebt zu werden.

Mascha Kalékos Melancholie und ihr Esprit, die man aus den Gedichten kennt, treffen auch in Briefform mitten ins Herz. Den Tod ihres Mannes in ihrer neuen Heimat Israel verkraftete sie nicht mehr. Während eines Aufenthalts in Zürich starb Mascha Kaléko am 21. Januar 1975. Auf dem Israelitischen Friedhof Oberer Friesenberg liegt sie begraben, in Oerlikon ist ein Strässchen nach ihr benannt.

 

Giulia Marthaler / René Donzé: «Unzertrennlich», Till Schaap Edition,
Dez. 2014, 39.90 Fr.

Das Fell ist struppig und stumpf, seit er vor 30 Jahren in eine Baugrube fiel. Der Vater musste hinuntersteigen und den Hund aus dem Schlamm ziehen. Trotz seines desolaten Zustandes wird das Plüschtier gehütet wie ein Schatz. Liebe kann lange halten, manchmal sogar ewig. Seit Kindheitstagen unzertrennlich sind der Zürcher Zauberer Christian D. Link und sein Hund mit dem fantasievollen Namen «Hund». Oder das 50-jährige tätowierte Mannsbild und sein fast ebenso alter Teddybär. Frappant wie sehr an jedem Kuscheltier der Schatten des Besitzers hängt. Innige Verbundenheit meint man auch zwischen Äffchen Hugo und der Primarlehrerin Ästi zu sehen, den sie auf jede Reise mitnimmt.

Ästis Horrorvorstellung: Hugo könnte am Zoll aufgeschlitzt werden, um nachzuschauen, ob er Drogen im Bauch hat. Die Zürcher Fotografin Giulia Marthaler hat in staunenswerten Schwarzweissbildern 25 Menschen festgehalten, berühmte und unbekannte, aus Zürich und anderswo, die mit ihren Bäbi und Stofftierchen aus Kindheitstagen posieren. Die stummen Geschöpfe sind ein Seelenöffner. Jeder der Porträtierten erzählt eine sehr persönliche Geschichte. «NZZ am Sonntag»-Redaktor René Donzé hat sie aufgeschrieben. Es sind Geschichten von Einsamkeit und Vertrautheit, Verzweiflung und Courage; manche Gspändli trösteten über die Schrecken der Nacht, begleiteten beim Trauern, wichen nicht von der Seite im Spital, im Internat, fernab der Heimat in Afrika. Etliche Porträts wirken wunderbar feinsinnig. Es wird deutlich, wie bedingungslos der Mensch Liebe schenken kann.

Anne Rüffer: «Fräulein Franzen besucht das Glück», Langen Müller Verlag, Aug. 2014, 28.90 Fr.

Jeder hat sein Geheimnis. Und jeder hat seinen Grund, dieses niemandem zu verraten. Fräulein Franzen beispielsweise – die Mittfünfzigerin besteht darauf, so tituliert zu werden – würde niemandem im Büro der Tageszeitung, wo sie Traueranzeigen entgegennimmt, von ihrer liebsten Freizeitbeschäftigung erzählen. Ihr Hobby: Sie schreibt herzerwärmend poetische Briefe auf Kontaktanzeigen, lässt sich auf Verabredungen ein, die sie immer kurzfristig platzen lässt – und beobachtet die einsamen Herzen am Treffpunkt, der Konditorei Selig, vom Nischenplatz aus. An einem Samstagmorgen wird sie allerdings schwer verletzt in ihrer Wohnung aufgefunden. Kommissar Schröder glaubt, als er in der Wohnung anzügliche Briefe und Fotos findet, eine notorische Heiratsschwindlerin aufgespürt zu haben. Aber welcher der Männer kann ihr nach dem Leben getrachtet haben? Die «Tagblatt»-Kolumnistin und Verlegerin Anne Rüffer hat einen ebenso eigenwilligen wie amüsanten Debütroman geschrieben. So beginnt bereits der Buchtitel geheimnisvoll: «Fräulein Franzen besucht das Glück» – Wer besucht nun wen?

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