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Lifestyle

Der heutige Luxus beim Essen? Autarkie!

Von: Isabella Seemann

01. September 2015

Eine Spice-Tour durch Oerlikon, ein Stadt-Tomaten-Fest oder das 4. Street Food Festival: Dies sind nur drei von vielen Veranstaltungen, die im Rahmen des Erlebnismonats «Zürich isst» im September stattfinden. Das «Tagblatt» spricht mit Andrin C. Willi, Chefredaktor von «Marmite», über die Trends der Esskultur.

«Tagblatt der Stadt Zürich»: Herr Willi, welchem Trend hängen Sie derzeit selber an?

«Nova Regio», so beschreibt Gastrokritiker Jürgen Dollase einen Stil, bei dem konsequent regionale, teils in Vergessenheit geratene Produkte verwendet und traditionelle Verarbeitungsmethoden wie das Einmachen oder Fermentieren angewendet werden, die jedoch fantasievoll und modern umgesetzt sind.

Veganismus ist einer der kontroversesten Trends. Welche Erkenntnisse haben Sie bei dieser Debatte gewonnen?

Dass es sich dabei um einen Medienhype handelt. Die Zahl der Leute, die sich vegan ernähren, ist verschwindend klein. Der Fleischkonsum hat 2014 pro Kopf sogar zugenommen. Grundsätzlich ist es positiv, sich über das Essen Gedanken zu machen. Wo kommt es her, wie wurde es verarbeitet? Nun sind aber gerade viele vegane Lebensmittel wie Quorn künstliche, hochverarbeitete Industrieprodukte, die viel Energie zur Herstellung benötigen und zudem völlig überwürzt sind. Das ist weder gut, gesund noch nachhaltig.

Bei radikalen Ernährungsformen spielt Ideologie eine grosse Rolle. Ist Essen politisch oder Privatsache?

Mit Essen wurde immer Politik gemacht, man denke nur an den Ausspruch der Königin Marie Antoinette auf die Vorhaltung, die Armen könnten sich nicht mal Brot leisten: «Dann sollen sie eben Kuchen essen!» Heute mischt sich die Politik in Ernährungsfragen ein, beispielsweise ob Produzenten zum Ampelsystem verpflichtet sein sollen, damit Konsumenten erkennen können, welche Lebensmittel gesund sind. Damit ein mündiger Bürger freie Entscheidungen treffen kann, braucht er Informationen.Deshalb gehört das Thema Ernährung, Kochen und Esskultur auch in den Schulunterricht.

Wo sehen Sie einen individuellen Ansatzpunkt, um das Bewusstsein für gutes Essen zu entwickeln?

Auf sich selber hören. Der Körper sagt einem, was er braucht und worauf er Lust hat. Salat, ein Schmorgericht oder wieder mal Fisch? Nicht bloss gedankenlos konsumieren, was einem die Nahrungsmittelindustrie im Supermarktregal vorsetzt, sondern selber bestimmen, was man essen möchte. Und dann selber kochen – und zwar alles von A bis Z, inklusive der Mayonnaise. Eine Zero-Convenience-Woche einführen. Damit erfährt man den Wert des Essens. Von einer selbst gemachten Lasagne, in die man Stunden investierte, wirft man garantiert kein Stück weg.

Was ist heute Luxus beim Essen?

Autarkie. Wenn man sich von dem ernährt, was man selber angepflanzt oder aufgezogen hat.

Was ist für Sie derzeit ein spannender Trend in der Gastronomie Zürichs?

Pop-up-Restaurants, also temporäre Lokale in leer stehenden Fabrikhallen oder Kellern, von Profis geführt. Die Küche ist innovativ und oft Impuls gebend für die gesamte Gastronomie. Wie beispielsweise derzeit das Soi Thai in der alten Seilerei beim Kunsthaus.

Wie ist Zürich international als Gourmetstandort positioniert?

Zürich hat ein enorm vielfältiges Angebot. Die Zürcher sind interessiert an gutem Essen und neugierig auf Innovationen. Die jungen Leute gehen zu Zehntausenden an ein Street Food Festival. Aber Zürich ist kein Hotspot wie Kopenhagen, San Sebastián, Barcelona oder Tokio. Zürich steht noch nicht dort, wo es sein könnte.

Andrin C. Willi moderiert am 16. September um 18.45 Uhr den «Marmite»-Talk über Regionalität mit Roland Frefel, Leiter Frischprodukte Coop, und Alfred von Escher, Artisan en Comestibles. Marmite Food Lab, Badenerstrasse 587. Siehe Programm: www.zuerich-isst.ch

 

 

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