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Lifestyle

"Die Jugendeuphorie ist vorbei"

Von: Ginger Hebel

10. März 2015

Die Firma Visberg mit Sitz im Seefeld ist eine Stellenvermittlung für Arbeitskräfte ab 65. Damit nimmt das Unternehmen auf dem Schweizer Markt eine Pionierrolle ein. Mitgründer Michael Büchel ist überzeugt, dass sich das Bedürfnis nach erfahrenen Arbeitskräften in Zukunft noch verstärken wird.

Michael Büchel, Sie sind Mitgründer der Firma Visberg – der schweizweit ersten Stellenvermittlung für Arbeitskräfte ab 65. Warum ist es wichtig, dass Pensionäre weiterbeschäftigt ­werden?

Michael Büchel: Viele Gründe sprechen dafür. Die Erfahrung von älteren Arbeitskräften ist gefragt wie nie, doch das Fachwissen geht je länger, je mehr verloren. Unternehmen müssen sich zudem überlegen, wie alt ihre Kundschaft eigentlich ist. Die Älteren haben eine dreimal so hohe Kaufkraft wie die 20- bis 40-Jährigen. Gerade im Dienstleistungsbereich wollen die Konsumenten auf Augenhöhe bedient werden, ältere Kunden wünschen sich nicht selten ältere Ansprechpartner, die ihre Bedürfnisse entsprechend verstehen. Auch sind diese Arbeitskräfte motiviert, hinzu kommen die enorme Zuverlässigkeit und die tiefe Krankheitsrate. Und: Ältere Leute sind flexibel. Bessere Mitarbeiter kann man sich gar nicht vorstellen.

Die Leute werden zwar immer älter, dennoch haben viele Mühe, im Alter noch eine Stelle zu finden. Hinzu kommt die Angst, ausgelacht zu werden, wenn man sich als Rentner für einen Job bewirbt.

Es sollte niemandem peinlich sein, denn es ist erwiesen, dass altersgemischte Teams – wenn sie gut geführt sind – die Produktivität steigern. Zudem verfügen ältere Personen über eine hohe Berufs- und Lebenserfahrung, und das ist extrem viel wert. Die Schweiz steht vor einer beispiellosen Pensionierungswelle. Bis 2025 werden mehr als 1 Million Frauen und Männer das Pensionsalter erreicht haben. Ich bin überzeugt, dass sich das Bedürfnis nach erfahrenen Arbeitskräften in Zukunft noch verstärken wird, denn der demografische Wandel und die gesteigerte Lebenserwartung verändern die Schweiz und den Arbeitsmarkt nachhaltig. Medizinisch gesehen ist 70 das neue 60 und 60 das neue 50. Bei den Unternehmen findet schon länger ein Umdenken statt. Die Jugend­euphorie ist vorbei.

Sie engagieren sich dafür, branchenspezifische und saisonale Arbeitsplätze und Beschäftigungsmöglichkeiten für ältere Menschen anzubieten. Finden Sie für alle einen Job?

Wir sind kein klassischer 100-Prozent-Stellenvermittler, aber Vollzeit will die 65-plus-Generation auch gar nicht mehr arbeiten, sondern Teilzeit, auf Abruf oder projektbezogen. Wer sich bei uns für eine Stelle bewerben möchte, kann dies einfach und diskret online tun, wir laden die Personen im Anschluss zu einem persönlichen Gespräch ein. Wir kennen die Bedürfnisse von älteren Fach- und Hilfskräften und wissen, welche Branchen auf diese Kompetenzen angewiesen sind. So haben wir beispielsweise eine Zusammenarbeit mit SIA, dem Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein, wo wir pensionierte Architekten reaktivieren, um sie dann gezielt für Projekte zu vermitteln. Wir suchen im Moment in diversen Bereichen Personal, auf unseren Social-Media-Kanälen sind diese Jobs ausgeschrieben. Wer in unseren Pool aufgenommen wird, bekommt keine Garantie, hat aber auch nichts zu verlieren.

Die einen freuen sich auf die Pensionierung und die neue Freiheit, andere würden lieber weiterarbeiten, auch, weil bei vielen das Geld knapp ist.

Das ist richtig. Grob geschätzt kann man sagen, dass sich ein Drittel auf den neuen Lebensabschnitt und das süsse Nichtstun freut und nicht mehr arbeiten möchte. Ein Drittel will oder muss aus finanzieller Sicht weiterhin arbeiten, und das andere Drittel möchte zusätzlich gerne weiterbeschäftigt werden, soziale Kontakte pflegen und Wertschätzung erfahren. Wer pensioniert wird, erlebt das oft sehr abrupt, doch manche würden es sich wünschen, langsam herunterzufahren und das Pensum schrittweise zu reduzieren. Nur im Schaukelstuhl sitzen und TV schauen, das ist vorbei.

Die Visberg AG wurde 2014 von Michael Büchel (43), Marco Eberhard und drei weiteren Partnern gegründet und beschäftigt derzeit sechs Mitarbeiter. Die Firma hat ihren Sitz an der Mühlebachstrasse 162 im Seefeld. www.visberg.ch

 

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