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Lifestyle

Alfred Bodenheimer erhielt den Zürcher Krimipreis 2014.

Düsteres für die hellen Tage

Von: Isabella Seemann

21. April 2015

Neue Zürcher Bücher: Das «Tagblatt» stellt drei gute Krimis vor. Darunter den neuen Roman des Gewinners des Zürcher Krimipreises 2014.

Anne Cuneo: «Gedächtnislücken», Bilger-Verlag, März 2015, 35.90 Fr.

Einen Monat nach ihrem Tod erschien ihr letzter Krimi auf Deutsch im Buchhandel. Anne Cuneo hatte «Gedächtnislücken» bereits 2006 auf Französisch geschrieben. Letzten Februar starb die Schriftstellerin im Alter von 78 Jahren an Krebs. Viele Jahrzehnte hatte sie im Zürcher Niederdorf gewohnt und Dutzende Erzählungen, mehrere Romane und Krimis publiziert. Als sie zur Jahrtausendwende die charmante Privatdetektivin Marie Machiavelli als Serienheldin einführte, war das eine Novität. Bislang waren die meisten Schweizer Krimifahnder – von Glausers Studer über Dürrenmatts Bärlach bis zu Schneiders Hunkeler – ältere Herren, die an der Welt litten. Marie Machiavelli, das merkt man sogleich, ist eine lebensfrohe und neugierige Frau. Im mondänen Zauberberg-Davos hat ein Don Juan namens Denis Joly das Zeitliche gesegnet. Die Polizei findet Machiavellis Freundin, die Modedesignerin Aurora Jonain, mit einer Pistole in der Hand. Die Frau erinnert sich an nichts. Marie, überzeugt von der Unschuld ihrer Freundin, reist quer durch die Schweiz bis nach Paris auf der Suche nach der Wahrheit. Wie schon Anne Cuneos historische Romane so ist auch ihre Machiavelli-Reihe geprägt von akribischen Recherchen. Und noch eine Gemeinsamkeit haben sie: Sie sind anregend und sehr lebendig geschrieben.

Alfred Bodenheimer: «Das Ende vom Lied», März 2015, Nagel-&-Kimche-Verlag, 26.90 Fr.

Die Jury des Zürcher Krimipreises 2014 zeichnete just den Erstling eines Baslers aus: «Kains Opfer» von Alfred Bodenheimer, Professor für Jüdische Literatur- und Religionsgeschichte an der Universität Basel. Dies sei mit einem Applaus vermerkt. Zumal sein Ermittler, Rabbi Gabriel Klein von der Cultusgemeinde Zürich, gar keine kriminalistischen Ambitionen hegt. Doch schon ist er wider Willen in einen zweiten Fall verstrickt: Als im Bahnhof Zürich-Enge eine Frau vom Intercity überfahren wird, ahnt er, dass es weder Selbstmord noch ein Unfall war. Rabbi Klein hat die Tote gut gekannt. Carmen Singer war ein aktives Mitglied der Cultusgemeinde, aber auch eine nervenaufreibende Frau, die ihn im Liebeswahn stalkte. Deshalb gerät nach ihrem gewaltsamen Tod auch seine Ehefrau Rivka ins Visier der Polizei. Schubste sie aus Eifersucht die Nebenbuhlerin aufs Geleise? Rabbi Klein schnüffelt derweil dort rum, wo die Staatsgewalt nicht hinreicht, und kommt mit seiner talmudisch geschulten Denkmethodik der Wahrheit auf die Spur. Die Geschichte, man sieht, gibt dem Autor Gelegenheit, zürcherisch-jüdisches Gemeindeleben zu schildern und vor allem in den Dialogen des Rabbi über Religion und Riten der Juden zu belehren. Er tut das unaufdringlich und unterhaltsam, mit menschenfreundlichem Witz. «Das Ende vom Lied» ist erneut ein gescheiter und geschmackvoller Roman. Kommt noch ein dritter Fall für Rabbi Klein dazu, darf man gewiss von der kultiviertesten Schweizer Krimi-Reihe reden.

Mirko Beetschen: «Schattenbruder», Bilger-Verlag, Sept. 2014, 35.90 Fr.

Mirko Beetschen ist hauptberuflich von schönen Dingen umgeben und schreibt darüber. Der gebürtige Berner führt als Fachjournalist für Interieurdesign und Architektur die Kommunikationsagentur Bergdorf in Zürich mit. Nun debütiert der 40-Jährige mit einem klassischen Psychothriller und lässt die Leser in die finstersten Abgründe der menschlichen Seele blicken. Samuel Bach führt ein saturiertes Leben als glücklicher Single und geachteter Architekturkritiker. Nichts Böses ahnt er, als er Raymond in einer Bar kennen lernt und ihn in seine Wohnung mitnimmt. Ginge es nach ihm, wäre es beim One-Night-Stand geblieben. Allein, der obskure Raymond verschwindet nicht mehr aus seinem Leben. Raymond ruft an, kreuzt mit Geschenken in der Redaktion auf, frequentiert die gleichen Bars und Boutiquen, ahmt seinen Lebensstil nach. Samuel vertraut lange auf Vernunft und Höflichkeit. Doch alles gute Zureden nützt nichts, er wird zunehmend hilflos gegenüber dem unerbittlichen Stalker. Die zerstörte Sicherheit erschüttert Samuel im Innersten. Er sieht nur noch einen Ausweg: den Spiess umdrehen und sich in das Leben des Verfolgers begeben. Dabei macht er eine erschütternde Entdeckung. Der gut komponierte Roman hält einige Überraschungen und Volten parat. Mirko Beetschen nimmt einen mit auf eine dramatische Achterbahnfahrt, in der er die Untiefen der menschlichen Psyche meisterhaft auslotet.n

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