mobile Navigation

Lifestyle

Mord in jedem Winkel der Stadt

Von: Isabella Seemann

29. April 2014

An der Limmat wird gerne gemordet – zumindest in den ­neusten Krimis hiesiger Autoren.

Michael Herzig: «Frauen hassen», Grafit-Verlag, März 2014, 28.90 Fr.

Undercover im Rockermilieu: Johanna di Napoli, hartgekochte Stadtpolizistin in Aussersihl, weiss Bescheid über organisierte Kriminalität, Zwangsprostitution und Menschenhandel im Grossstadtsumpf. Jetzt wird sie für ­einen Undercover-Einsatz nach Deutschland geschickt. Sie soll einem unter Motorradgangs ermittelnden Beamten als Rockerbraut zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen und ihm dadurch Zutritt in die innersten Kreise der Berliner Unterwelt verschaffen.

Der Einsatz geht voll in die Hose: Johannas Tarnung fliegt auf. Dabei erkennt Johanna ihrerseits, dass die heisse Spur direkt zurück zur Stadtpolizei Zürich führt. Autor Michael Herzig, der jahrelang als Drogenbeauftragter der Stadt Zürich arbeitete und noch bis Ende Juni als Leiter der Sozialen Einrichtungen und Betriebe im Sozialdepartement amtet, hat ein gutes Gespür für Milieubesichtigungen. Es gibt kein Profiler-Gelaber, keine «CSI»-Forensik-­Monologe. Stattdessen: ausgiebige, realitätsnahe Action und Momente der Melancholie.

 

Andri Perl: «Die Luke», Salis-Verlag, 2013, 34.80 Fr.

Schauplatz ist ein Mietshaus in einer Stadt ohne Namen. Das Quartier könnte in irgendeiner westeuropäischen Metropole liegen. Für Zürcher ist sie aber unschwer als Zürich zu erkennen. Der Autor und Rapper Andri Perl, 1984 in Chur geboren, hat an der Universität Zürich Germanistik, Kunstgeschichte und Filmwissenschaft studiert und schrieb mit seinem zweiten Roman eine Hommage an den Kreis 4, wo er einst selbst in einem Mietshaus wohnte. Die titelgebende Luke beschreibt programmatisch die fast ­voyeuristische Erzählerperspektive des Buches. Wie ein nächtlicher Dieb durch das Fenster dringt Perl in das Mietshaus ein; und wie in einer Puppenstube verschwinden dabei die Wände und Türen.

So wird der Leser Zeuge der intimsten Details im Leben der Bewohner und Besucher des Hauses. Da ist Abwart Hans Segmüller, der an zu viel und zu wenig Arbeit gleichzeitig leidet. Sein 16-jähriger Sohn Gil erlebt gerade sein sexuelles Erwachen. Und da ist der pensionierte Antiquitätenhändler Ottavio Solari, der eigentlich nach Brasilien reisen wollte, dann aber tot in seiner Wohnung gefunden wird. Schlau konstruiert Andri Perl einen kriminalistischen Plot um diese unterschiedlichen Menschen und steuert schliesslich auf eine dramatische Enthüllung zu. Dennoch ist «Die Luke» kein klassischer Krimi. Es geht um nicht weniger als das Existenzielle.

Severin Schwendener: «Schach & Matt », Edition 8, 35 Fr.

20 Jahre nach dem ungeklärten Mord an der Edelprostituierten Rosi im Nobelhotel Baur au Lac wird in Zürich wieder eine Tote gefunden. Thomas K. Hilvert, damals ein blutjunger und vielversprechender Fahnder, jetzt Anwärter auf den Posten des Polizeikommandanten, erkennt das Tatmuster und ist überzeugt, dass beide Fälle zusammengehören und ein Serienmörder unterwegs ist: jemand von der Polizei, der ihm und seinem Assistenten Jaun eine tödliche Falle stellen will. Gemeinsam folgen die beiden den längst erkalteten Spuren. Sie führen in die Vergangenheit der Stadt und in die Vergangenheit des Hauptmanns Thomas K. Hilvert. Auch der Mörder ist ein Teil dieser Geschichte, an deren Anfang der Fall Rosi steht. Jetzt setzt er zum letzten Akt des Dramas an. Als Bruno Jaun die Zusammenhänge erkennt, ist es fast zu spät. Ein aussergewöhnlicher Krimi: Man kann ihn von hinten und von vorne ­lesen.

Ein aussergewöhnlicher Autor: Severin Schwendener, aufgewachsen in einem kleinen Dorf am Bodensee, 30  Jahre alt, ist Doktorand der Neurowissenschaften an der ETH. Nahezu einstimmig verlieh ihm die 9-köpfige Jury letzten März den 6. Zürcher Krimipreis. «Spannend bis zur letzten ­Zeile. Fingernägelkauend wird die Bettlektüre zur Sucht! Man kann es kaum erwarten, bis die Lösung der Geschichte endlich schlafen lässt. So fesselnd muss ein veritabler Züri-Krimi sein!», hiess es in der Laudatio, der man sich vorbehaltlos anschliessen wird.

 Sind Sie auf Facebook? Werden Sie Fan von tagblattzuerich.ch

 

zurück zu Lifestyle

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare