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Lifestyle

"Und wenn man sich für ein Studium einschreibt, muss man seine Hautfarbe angeben. Zwingend"

Von: Désirée Klarer

16. September 2013

Als Schweizerin weiss man um das Ende der Apartheid. Wenn man sich jedoch für längere Zeit in Südafrika aufhält, stellt man fest, dass diese eher theoretischer Natur ist: Die Wohngegenden sind, wenn auch nicht per Gesetz, meist nach Hautfarbe getrennt, und im Nachtleben trifft man selten auf gemischtrassige Clubs. Und wenn man sich für ein Studium einschreibt, muss man seine Hautfarbe angeben. Zwingend.

Auch die Tatsache, dass man im „niederen“ Dienstleistungsbereich selten auf Weisse trifft, hängt nicht nur damit zusammen, dass sie sich zu fein wären, in einem solchen Beruf zu arbeiten. Man trifft Weisse schliesslich auch auf der Strasse stehend an, mit dem Bettelschild in der Hand: „Please help me! I got no job, i`m hungry, i have no money and i need to eat. God bless you!“ Sie werden schlicht nicht eingestellt, denn:

Nach dem Ende der Apartheid wurde durch den Afrikanischen Nationalkongress, ANC im Jahr 2004 das „Black Economic Empowerment“ ins Leben zu rufen – zur Förderung der zuvor benachteiligten Bevölkerungsgruppen, also der Nicht-Weissen.

Das Ziel des BEE ist es, in jedem Unternehmen die sozio-demografische Struktur der Bevölkerung widerzuspiegeln: 80% der Südafrikaner sind schwarz, 10% sind weiss, und die übrigen gelten als farbig, asiatisch- oder indischstämmig . Ob das sinnvoll ist, sei dahingestellt. Denn Bildung ist noch immer ein ungleiches Gut: In 2011 hatten gerade mal 8,6% der Schwarzen einen Universitätsabschluss – im Unterschied zu 36,5% der Weissen.

Die Kritik am BEE reisst seit der Gründung nicht ab. Es wird bemängelt, dass auch Leute, die ungenügend qualifiziert sind, aufgrund ihrer Hautfarbe eingestellt werden, bloss um die Quote aufrecht zu halten. Diese scheint mittlerweile wichtiger zu sein als die Ausbildung der Mitarbeitenden. Im Durbanville Childrens Home, in dem ich ein halbes Jahr lang gearbeitet habe, gibt es beispielsweise Childcareworker (am ehesten mit unseren Sozialarbeitern zu vergleichen. ), die noch nicht mal lesen oder schreiben können. Einige wenige haben eine Ausbildung absolviert, bekommen aber den gleichen Lohn wie solche ohne Qualifikation.

Ein weiterer Zweig des BEE ist ein Punktesystem, anhand dessen bewertet wird, inwieweit ein Unternehmen diesen Vorgaben gerecht wird. Der BEE-Status eines Unternehmens ist so zu einem wichtigen Kriterium für wirtschaftliche Entscheidungen und unternehmerische Gestaltung geworden: Staatliche Aufträge werden vorzugsweise an Unternehmen vergeben, die grösstenteils in schwarzer Hand sind, auch wenn diese Unternehmen mehr dafür verlangen. Und auch dort, wo Lizenzen zu vergeben sind, haben die früher benachteiligten Bevölkerungsgruppen Vorrang. Als weisser Südafrikaner einen Job zu finden, wird so zunehmend schwieriger. Von weissen Ausländern ganz zu schweigen.

Mit dem Ende der Apartheid wollte man der Rassentrennung eigentlich den Rücken zukehren. Doch die Hautfarbe spielt nach wie vor eine sehr grosse Rolle. Mit dem BEE hat der ANC genau das wieder ins Rollen gebracht, wovon er eigentlich Abstand nehmen wollte: Die Andersbehandlung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe. Von Gleichberechtigung keine Spur.

Eine Bevorzugung aufgrund der Hautfarbe, oder, wie in der Schweiz, des Geschlechts – ich denke da beispielsweise an die Frauenquote – ist in meinen Augen eine sehr fragwürdige Praxis.

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