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Lifestyle

Von Liebe, Glück und Mut

Von: Isabella Seemann

29. Juni 2020

Lesen macht Mut

Seit jeher hat das kleine Mädchen eine winzige Freundin namens «Angst». Wie ein fluffiges Gespenst sieht die Angst aus, weich, warm und hell. Sie begleitet das kleine Mädchen durchs Leben, macht sich nützlich, beschützt es vor Gefahren: vor bösen Hunden oder dem Sturz aus der Höhe. Doch: «Seit wir in dieses neue Land gekommen sind, ist die Angst nicht mehr so klein», erzählt das kleine Mädchen. Die Angst wächst auf einmal, vom kleinen Wölklein, zum kindsgrossen Kissen bis zum Koloss, der den ganzen Raum einnimmt. Das neue Zuhause, die neue Schule, das neue Quartier.

Winzig wirkt nun das Mädchen gegen diese Riesen-Angst! Und die ist nicht nur gross und stark, sondern auch mächtig. Die Angst redet ihr ein, dass die Schule hassenswert ist, denn das Mädchen kann sich in der fremden Sprache ja nicht verständigen. Sprachlos und einsam wird das Kind. Doch als ein Bub mit ihm spielen will, erkennt das Mädchen, dass auch er von so einem weissen Wesen umgeben ist. Und nicht nur er: Jedes Kind hat eine Angst als Begleiterin. Und trotzdem können alle miteinander spielen. Wie auch ihre Ängste. Sogar die kleinen oder grösseren Ängste spielen schliesslich mit.

Die in Zürich lebende Sardinierin Francesca Sanna schliesst mit dieser einfühlsam erzählten Geschichte an ihr erfolgreiches und mehrfach ausgezeichnetes Debüt «Die Flucht» an und zeigt auf, dass wir Zuspruch und Freundschaft finden können, wenn wir es wagen, über unsere Ängste zu sprechen und sie mit anderen zu teilen.

Francesca Sanna: «Ich und meine Angst», NordSüd Verlag, 2019, 23.90 Franken. Ab vier Jahren.

 

Liebe in allen Facetten

Mit seinen Krimis mit dem indischstämmigen Privatdetektiv Vijay Kumar, der gerne im Langstrassenquartier um die Häuser zieht, wurde er bekannt und mit Preisen überhäuft. Nun hat der Zürcher Autor Sunil Mann seinen ersten Jugendroman publiziert – und wurde damit gleich für den Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis nominiert.

Was immer Olaf macht, wohin auch immer der Teenager geht, stets begleitet ihn das Gefühl, ein Totsch zu sein, ein ungeschickter Tölpel. Dabei hat er stets eine grosse Schnurre und handelt sich mit allen Ärger ein: mit der Lehrmeisterin, mit den Halbstarken einer Gang, mit sich selber. Nur wenn es um sein Geheimnis geht, wird Olaf ganz still. Ist das überhaupt möglich, eine Freundschaft, vielleicht sogar mehr, zwischen einem unsportlichen Pummelchen und dem coolsten Typen der Stadt? Wie soll er nur Jannick, den Nachbarsbuben, den er anhimmelt und für den sein Herz schlägt, sagen, dass er sich im nahe fühlt – ohne dass das peinlich wird?

Der Autor erzählt eine einfühlsame und spannende Geschichte über die Herausforderungen der Identitätssuche und der ersten Liebe, die umso grösser sind, wenn man nicht gleich tickt wie über neunzig Prozent seiner Schulkameraden.

Das vom Schweizer Jugendbuch Verlag Da Bux herausgegebene, 60 Seiten dünne Buch ist bewusst in einfach verständlicher Sprache gehalten, um lesescheue Jugendliche zu erreichen, darunter auch solche, die die deutsche Sprache noch nicht beherrschen. Dabei schafft es Sunil Mann gleichwohl, die Figuren lebendig wirken zu lassen und bei allen ihren Sorgen und Nöten noch eine gehörige Portion Action einzubringen.

Sunil Mann: «Totsch», 2019, Da Bux Verlag, ca. 15.90 Franken.

 

Alles Familie

Just mit seinem Debüt gewann der 27-jährige Zürcher Grafiker und Illustrator Nando von Arb den erstmals verliehenen Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis 2020. Die Graphic Novel «3 Väter» über das Leben einer unbeständigen Patchwork-Familie ist in Bild und Wort äusserst ausdrucksstark – und auch authentisch. Denn die Geschichte hat ein autobiographisches Fundament. Der kleine Nando wächst mit zwei Geschwistern und der alleinerziehenden, psychisch instabilen Mutter auf.

Dabei werden ihre drei Lebensabschnittspartner für ihn zu prägenden Vaterfiguren: Zum leiblichen Vater, er hat sich von der Mutter getrennt, als Nando zwei Jahre alt war, hat er eine wehmütige Beziehung; zu Kiko, der Vater seiner Schwester, eine komplizenhafte, und zu Zelo, dem neuen Partner der Mutter, eine aufbauende. Die comicartig erzählten Episoden mit tier- und fabelwesenähnlichen Figuren sind mal melancholisch, mal heiter. Und manchmal beides.

Es geht um Trennungsschmerz und Neuanfang, um die Sehnsucht nach Nestwärme, Verlässlichkeit und erneute Enttäuschung. Nando von Arb hat dafür eine eigenwillige Sprache und Form gefunden und erreicht damit Jugendliche und Erwachsene gleichermassen. Das hochwertig gestaltete Buch ermöglicht auch ein ästhetisches Geniessen der Bilder, die im Stil zwischen zeitgenössischer Kunst und Art-Brut-ähnlichen Kinderzeichnungen changieren. Nicht von ungefähr fängt auch der kleine Nando bald an zu zeichnen und zu malen, und sich in der Kunst zu spiegeln.

Nando von Arb: «3 Väter», Edition Moderne, 2019, 49 Franken.

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