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«Sex ist lernbar»: Sexual- und Psychotherapeutin Dania Schiftan. Bilder: PD

Wenn Sex plötzlich unheimlich Spass macht

Von: Jan Strobel

10. Januar 2017

Über Sex zu reden, das fällt vielen Schweizerinnen und Schweizern schwer, das Thema bereitet manchen Unbehagen, Scham und löst Ängste aus. Das möchte die Zürcher Sexualtherapeutin Dania Schiftan endlich ändern – mit einem Sexratgeber der etwas anderen Art.

«Let’s Talk About Sex», so hiess der Hit des New Yorker Hip-Hop-Trios Salt-n-Pepa, mit dem es 1991 die Charts auch in der Schweiz stürmte. Der Song brachte damals eine ganze Generation von Teenagern in eine schamhaft hinter pickligen Gesichtern verschlossene Wallung. Schon beim Wort «Sex» verloren viele die Fassung, war es doch das Codewort für eine dunkle, abgründige und doch im Geheimen so herbeigesehnte Welt. Einfach mal über Sex zu reden, das war also gar nicht so einfach, das war es natürlich nie gewesen – und ist es auch heute in unserer vermeintlich so übersexualisierten Gesellschaft immer noch nicht. Viele Männer mögen sich in den eigenen vier Wänden noch so versaute Pornoclips herunterladen; wenn die Rede aber auf Penis und Vagina kommt, löst sich das virtuell herbeimasturbierte Selbstbild vom Sexgott schnell auf. Sie fangen an zu stottern oder spätpubertär zu witzeln. Sie werden von einem grossen Unbehagen übermannt.

«Sex», sagt die Zürcher Sexualtherapeutin Dania Schiftan, «ist heute omnipräsent. Aber darüber geredet wird nicht. Wir haben immer noch keine Sprache für Sex gefunden.» «Lets Talk About Sex» –diese Aufforderung scheint also nichts von ihrer Dringlichkeit verloren zu haben. Und auch deshalb hat Schiftan ihr aktuelles Buchprojekt genau so betitelt. «Ich wollte schon immer einen Ratgeber herausbringen», sagt sie. «Allerdings finde ich diese klassischen Sexratgeber unglaublich öde und immer viel zu ernsthaft. Das Buch sollte eine andere, leichtere, lebhafte und witzige Form erhalten.»

Gemeinsam mit der Illustratorin und Comiczeichnerin Kati Rickenbach kam sie schliesslich auf die Idee, den Ratgeber in Form eines Comics, einer Art «Graphic Novel zu allen Themen rund um Liebe, Sexualität und Partnerschaft», zu konzipieren. Innert kürzester Zeit konnten Schiftan und Rickenbach dank grosszügiger Unterstützer auf der Crowdfunding-Plattform «Wemake­it» ein Grundkapital für die Produktion zusammentragen. Im Lauf ­dieses Jahres soll der Comic ausgearbeitet werden.

Der Penis im Fundbüro

Erzählt werden in «Lets Talk About Sex» unter anderem Fälle und Episoden, denen Schiftan während der letzten zehn Jahre in ihrem Praxisalltag begegnet ist. «Ich selber komme bei jeder Episode als beratende oder kommentierende Figur vor», erzählt sie. «Die Leser sollen bei der Lektüre etwas lernen, neue Ideen erhalten.» Diese Absicht folgt ganz Schiftans These, nach der Sex für jedermann und jedefrau lernbar ist, «lernbar und vor allem geniessbar», präzisiert sie.

Die Therapeutin begreift Sex als einen lebenslangen Lernprozess. Genau so, wie sich die Menschen und die Bedürfnisse im Lauf der Zeit änderten, könne sich auch das Sexleben stetig erweitern und wandeln, wenn die Bequemlichkeit, das Unbehagen und die Macht der Gewohnheit abgeworfen würden. «Wer ein spannendes Sexleben will», so Schiftan, «muss genauso viele Stunden investieren wie in anderen Bereichen, wie beim Sprachenlernen zum Beispiel oder beim Fitnesstraining.»

Seit 2008 arbeitet Schiftan als selbstständige Sexual- und Psychotherapeutin im Zentrum für interdisziplinäre Sexologie und Medizin beim Kreuzplatz. Bekanntheit erlangte sie besonders durch Ratschläge zu Liebe und Sex im TV-Jugendsender Joiz, der mittlerweile geschlossen ist, «was ich ungemein bedaure. Ich liebe es, Fernsehen zu machen.» Hier beantwortete sie zum Beispiel die Fragen, ob Schweizer wirklich so verklemmt seien, wie Flirten klappen könnte (Schiftan: «Lächelt euch an!») oder was der Mann tun kann, wenn er beim Sex zu früh kommt, «übrigens eines der häufigsten Themen, vor allem bei jungen Männern», sagt Schiftan.

Wie notwendig es ist, über Sex zu reden, zeigte auch ihre Lizentiats- und Doktorarbeit zum Sexualverhalten der deutschsprachigen Schweizer, mit der sie ihr Psychologiestudium an der Uni Bern abschloss. Darin kam sie unter anderem zum Schluss, dass rund zwei Drittel der Schweizer Frauen beim Sex keinen Orgasmus haben. «Sie haben es schlicht nicht gelernt. Sie wissen nicht wirklich, wie ihre Scheide als inneres Organ funktioniert, also jenseits von Klitoris und Schamlippen», meint dazu Schiftan. «Diese Unwissenheit über das eigene Geschlechtsteil ist einer der Hauptgründe für ein unbefriedigtes Sexleben. Das sollte Basisschulstoff sein.» Das gelte natürlich auch für Männer, und sie wirft sogleich eine Frage in die Runde: «Angenommen, Sie hätten Ihren Penis verloren und müssten ihn nun im Fundbüro unter Hunderten von anderen wiederfinden; würden Sie ihn erkennen?»


Ein Auszug aus dem Sexcomic: So könnte es im Bett wieder etwas prickelnder werden.


Weitere Infos zum Buchprojekt:  

www.letstalkaboutsex.ch
www.daniaschiftan.ch

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