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Lifestyle

Wie blutig darf es denn sein?

Von: Isabella Seemann

29. Februar 2016

Das «Tagblatt» stellt zwei neue Krimis und einen Klassiker für spannendes und kluges Lesevergnügen vor.

Ein Zürcher Rabbi in Basel


Alfred Bodenheimer: «Der Messias kommt nicht», Verlag Nagel & Kimche, Februar 2016, 22.40 Fr.

Auch der gutmütigste Rabbi benötigt mal eine Pause von seiner Gemeinde, und so beantragt Gabriel Klein, Rabbiner der jüdischen Gemeinde zu Zürich, ein Sabbatical. An der Universität Basel übersetzt er vom Gelehrten Sebastian Münster einen fiktiven Disput zwischen einem Juden und einem Christen über das Kommen des Messias. Doch unfehlbar gerät der Detektiv wider Willen in seinen dritten Fall. Bei einem Seminarwochenende soll er helfen, einen Konflikt innerhalb der Gemeinde zu schlichten. Noch bevor Rabbi Klein vermittelnd eingreifen kann, liegt ein Vorstandsmitglied erschossen auf der Wiese, und sein Kontrahent ist verschwunden. «Wenn du dich in Teufels Küche begibst, schau wenigstens, dass du sie als Chefkoch verlässt und nicht als Hackbraten.» Diesen Spruch seines Vaters hat Rabbi Klein im Ohr, als er sich von einem jungen Kommissar bei den Ermittlungen einspannen lässt. Doch schliesslich ist es das Nachdenken über den Messias, was ihn auf die richtige Spur bringt. Rabbi Kleins dritter Fall besticht wie seine vorherigen nicht durch pure Krimiqualität. Seine Fälle sind sozu­sagen unsensationell, wenn auch auf sanfte Weise eindringlich. Der Autor, Alfred Bodenheimer, Professor für Jüdische Literatur- und Religionsgeschichte, flicht in ­seinen Kriminalroman gscheite Interpretationen theologischer und philosophischer Natur ein und hat damit erneut einen geschmackvollen Krimi geschrieben.

Ein Mord macht Schlagzeilen

Bruno Ziauddin: «Bad News», Verlag Nagel & Kimche, Feb. 2016, 22.40 Fr.

Das Blut fliesst noch vor dem ersten Kapitel. Ein Patient, männlich, Mitte 30, wird mit schweren Stichverletzungen in den Schockraum gerollt. Ob die Notfallärzte sein Leben retten können und um wen es sich bei dem Mann auf der Liege überhaupt handelt, das erfährt der Leser erst am Schluss. Dazwischen packt der Zürcher Journalist Bruno Ziauddin auf 200 Seiten die Islam- und Zuwanderungsdebatte im Spiegel der Medien. Der ambitionierte Jungjournalist M. fühlt sich gebauchpinselt, als ihn der brillante, aber «diabolische» Chef­redaktor einer Zürcher Wochenzeitung umwirbt. Dieser will das einst liberale Blatt zu einem nationalkonservativen Medium umbauen. «Gemeinsam können wir dieses Land verändern», sagt der Chef beim Nachtessen. M. ist es zwar suspekt, wie sich die Haltung der Redaktion zunehmend radikalisiert, passt sich aber über weite Strecken aus Gründen der Opportunität an. Parallel dazu wird die Geschichte der Radikalisierung des jungen Bosniers Damir erzählt, der in einer Hinterhofmoschee in die Fänge von Islamisten gerät. Diese fühlen sich von der «Hetzer-Zeitung» provoziert. Am Anfang des Buches steht ein Zitat von Joseph Roth: «Wir sind gezwungen, ‹Farbe zu bekennen›, sonst sind wir ‹ohne Gesinnung›. Es ist das Kennzeichen der engen Welt, dass sie das ­Undefinierbare verdächtigt.» Doch was als Plädoyer für Besonnenheit in einer sich zunehmend polarisierenden Gesellschaft steht, mündet im Roman in Kraftlosigkeit. Die spitze Feder und das scharfe Schwert gelten als ­verwerflich. Die Figuren wirken blass, die Geschichte glatt, eine Langzeitwirkung bleibt aus. Nimmt man «Bad News» aber schlicht als zeitgeistigen Zürcher Medienroman, so ist er durchaus unterhaltsam.

Krimis ohne Verfallsdatum

Friedrich Glauser: «Die Kriminalromane mit Wachtmeister Studer», Diogenes-Verlag, Dez. 2013, 39.90 Franken.

Zum 120. Geburtstag Friedrich Glausers und der Ausstellung im Museum Strauhof «Ce n’est pas très beau» sei hier die schmucke Sammlung aller Krimis mit dem legendären Wachtmeister Studer empfohlen, die da sind: «Wachtmeister Studer», «Matto regiert», «Die Fieberkurve», «Der Chinese», «Krock und Co», dazu ein ­erhellendes Nachwort über Glauser und sein Werk. Glausers Romane mit dem bärbeissigen Wachtmeister Studer gelten als Meilenstein der Kriminalliteratur, Glauser-Neulinge werden sich erst mit dessen etwas behäbig wirkender Erzählweise vertraut machen müssen. Doch bald gerät man in den Sog dieser Geschichten mit ihren eigenwilligen Figuren und sonderbaren Schauplätzen. Denn obgleich die Geschichten um die 1930er-Jahre spielen, sind sie von zeitloser Aktualität. Der Schweizer Polizist kommt den Tätern auf die Spur, weil er die menschliche Psyche kennt und weil er warten kann: «Nicht drängen! Es kommt alles von selbst, wenn man genügend Geduld hat . . .» 

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