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Institution des Zürcher Kulturlebens: Auf der Bühne des X-tra geben regelmässig internationale Stars Konzerte. Bild: X-tra

Abstimmung als letztes Mittel

Von: Jan Strobel

02. März 2022

Der Konzert- und Partytempel X-tra im Limmathaus soll bis Ende 2023 ausziehen und dem Impact Hub Platz machen. X-tra-CEO Jürg Burkhardt wehrt sich weiter und will das Stimmvolk mitreden lassen. 

Die Nachricht ereilte im August 2020 die Zürcher Nachtkultur mitten im Corona-bedingten Krisenmodus. Angekündigt wurde damals die Schliessung des X-tra im Limmathaus, eines der profiliertesten Konzert- und Partyhäuser der Stadt. Seit den 1990er-Jahren prägte das X-tra ein Stück Stadtzürcher Kultur und mithin Generationen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit. Die Stiftung Limmathaus als Eigentümerin der Liegenschaft möchte den denkmalgeschützten Gebäudekomplex ab Ende 2023 vollumfänglich sanieren.

Die X-tra Production AG betreibt den Club, die Konzerthalle sowie das angrenzende ehemalige Hotel – heute ein Haus für gemeinschaftliches Wohnen mit 34 Zimmern. Den Vertrag mit der X-tra Production AG indessen hat die Stiftung Limmathaus, in deren Stiftungsrat auch die Stadt Zürich vertreten ist, nicht mehr erneuert. Stattdessen soll ab 2025 der Impact Hub in das Limmathaus einziehen und dort sogenannte «Co-Working Spaces» für Start-ups einrichten. Damit möchte die Stiftung dem Limmathaus einen langfristigen Erhalt sichern und eine «attraktive Perspektive» eröffnen. Das Limmathaus soll zu einem regelrechten «Leuchtturm für die Zukunft im Zeichen von Arbeit, sozialer Vernetzung, Kultur und Nachhaltigkeit» werden. Eine umfassende Renovierung der Liegenschaft sei dringlich. Zum letzten Mal sei das Gebäude, Baujahr 1931, im Jahr 1989 vollumfänglich saniert worden. Eine Investition sei nötig, um den Wert des Gebäudes erhalten zu können.

Den Entscheid der Stiftung, den Vertrag mit dem X-tra nicht mehr zu erneuern, traf Jürg Burkhardt, CEO der X-tra Production AG, «völlig unerwartet», wie er sagt. Bei den Verhandlungen um eine Vertragsverlängerung seien er und sein Team plötzlich mit dem Mitbewerber Impact Hub konfrontiert worden. Die Stiftung ihrerseits dementiert diese Darstellung. Man habe sich, so Stiftungspräsident Bruno Hohl jüngst gegenüber der «NZZ», immer bemüht, den Klubbetreibern entgegenzukommen und den beiden Bewerbern zur gleichen Zeit immer die gleichen Fristen gesetzt. Jürg Burkhardt möchte sich nun mit allen Mitteln gegen den Rauswurf aus dem Limmathaus wehren. Es geht ihm einerseits ganz persönlich um den Erhalt seines Lebenswerks, andererseits auch um die Rettung eines gewichtigen Pfeilers des Zürcher Kultur- und Nachtlebens.

Für Burkhardt ist die vorgesehene komplette Sanierung des Limmathauses nicht nötig und auch nicht nachhaltig. «Es steht heute in einem besseren Zustand da als bei unserem Mietantritt 1997», so der X-tra-Betreiber. «Während der letzten 25 Jahre konnten wesentliche Sanierungen bereits vorgenommen werden, etwa mit Schallschluckfenstern, neuen Brandmeldeanlagen oder der Rauchgasentlüftung» Eine Machbarkeitsstudie habe zudem aufgezeigt, dass eine sanfte Sanierung ohne Betriebsunterbruch durchaus möglich sei.

In die Peripherie gedrängt

Frustriert zeigte sich Jürg Burkhardt noch im vergangenen November durch den fehlenden politischen Rückhalt für seinen Kampf um die Erhaltung des X-tra. Ausgerechnet die SP wolle im Zürcher Gemeinderat im Namen der Innovationsförderung nicht nur Arbeitsplätze und Kulturgut beseitigen, sondern auch günstigen Wohnraum im Quartier – welcher das ehemalige Hotel biete – zugunsten von Büroräumen des Impact Hub auflösen.

In der Zwischenzeit allerdings hat sich im Stadtparlament etwas bewegt – und zwar auch aus den Reihen der von Burkhardt kritisierten SP. Die beiden Gemeinderäte Alan David Sangines (SP) und Stefan Urech (SVP) reichten am 9. Februar eine Schriftliche Anfrage zum Thema ein. Es sei zwar zu begrüssen, dass der Stadtrat die Wichtigkeit des Impact Hub anerkenne, heisst es im Text des Geschäfts; dennoch handle es sich beim X-tra um einen der letzten Clubs der Stadt Zürich, in welchem Veranstaltungen für bis zu 1500 Personen stattfinden könnten. Nach der Schliessung der Maag-Halle gebe es dafür nur noch das Volkshaus, die Rote Fabrik und das Komplex in Zürich-Altstetten. Mit dem X-tra verschwinde damit eine weitere Lokalität aus dem Stadtzentrum für kulturelle Veranstaltungen. Es sei unklar, weshalb ein Nicht-Kulturunternehmen nun in diese Lokalität einziehen soll. Laut X-tra-CEO Jürg Burkhardt würde die Stadt Zürich mit einer Schliessung des Betriebs 30 Prozent der Konzertkapazität verlieren, die Kulturstätten in die städtische Peripherie gedrängt.

«Der Impact Hub ist ein offener und vielfältiger Begegnungsort, an dem zufällige Kontakte entstehen können. Dabei sind eine zentrale Lage in HB-Nähe sowie einladende und grosse Räumlichkeiten für Gastronomie, Veranstaltungen und Kultur ganz entscheidend», sagt demgegenüber Laura Olgiati von Impact Hub Zürich. «Wir wurden von der Stiftung Limmathaus angefragt, ein Konzept für das Limmathaus der Zukunft zu präsentieren. Kernpunkte unseres Konzepts sind der Ausbau vielfältiger kultureller Veranstaltungen, beispielsweise durch die zusätzliche Nutzung des Foyers, die Öffnung und Verbindung aller drei grossen Gebäudeteile des Limmathauses sowie die Wiederbelebung des Limmathauses als Ort für die Quartierbevölkerung und die Arbeiterschaft im Industriequartier, beispielsweise durch einen offenen Arbeitsbereich im heutigen Hoteltrakt.»

Das Limmathaus könne so zu einer «neuen Art von Quartierzentrum, zu einem offenen Treffpunkt im Industriequartier» werden, so Laura Olgiati. Neben grossen Konzerten und Partys soll auch jungen Kulturschaffenden, Laienkultur und Quartierveranstaltungen im Limmathaus Raum geboten werden.

Wichtig für das Konzept des Impact Hub sei das enge Zusammenspiel aller drei Gebäudeteile. «Daher wurden wir von der Stiftung Limmathaus als Gesamtpächterin, inklusive Konzerthalle, ausgewählt. Natürlich werden wir auch in der Konzerthalle mit Partnern zusammenarbeiten», so Laura Olgiati. Die X-tra Production AG habe sich allerdings bisher wenig interessiert an einer Kooperation gezeigt.

Das bestätigt X-tra-CEO Jürg Burkhardt. Auch für ihn kommt nur ein Betrieb des gesamten Gebäudekomplexes infrage. «In den letzten 25 Jahren haben wir im Limmathaus ein fein austariertes System entwickelt, wie wir den Hotelbetrieb und den Konzert- oder Partybetrieb aufeinander abstimmen können. Diese Expertise fehlt externen Veranstaltern völlig», sagt er. Ein alternativer Standort für das X-tra kommt für ihn nicht infrage. «In der Stadt Zürich stehen aktuell 136 000 Quadratmeter Nutzfläche leer. Da sollte es für den Impact Hub ein Leichtes sein, einen anderen Standort als das Limmathaus zu finden.»

Burkhardt schwebt stattdessen für das Limmathaus die Schaffung einer «Musikfabrik» vor, ein Kulturzentrum für junge Musiker mit Ton- und Tanzstudios. Und er will erreichen, dass die Stadtzürcher Stimmberechtigten über die zukünftige Nutzung des Limmathauses entscheiden sollen. «Wir arbeiten diesbezüglich gerade an einer Strategie.»

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