mobile Navigation

News

Miese Online-Bewertungen sind auch Zürcher Restaurants ein Thema. Bild: Adobe Stock

Ärgernis und Chance

Von: Sacha Beuth

14. Mai 2024

Laut einer Analyse von Respondelligent werden Schweizer Restaurants von Kunden immer schlechter bewertet. In Zürich ist jedoch teilweise das Gegenteil der Fall. Generell wünschen sich lokale Gastroexperten mehr Fairness.

Die gute Nachricht vorweg: Laut dem Datenanalyse-Spezialisten Respondelligent sind zwei Drittel der Online-Bewertungen bei Tripadvisor, Google und Co. zu Schweizer Restaurants für das Jahr 2023 mit der Bestnote versehen. Die Kunden sind also grundsätzlich zufrieden. Dennoch gibt es Grund zur Sorge, denn die negativen Bewertungen nehmen offenbar zu, weshalb die Ratings den tiefsten Stand seit drei Jahren erreicht haben. Zudem wird ein Trend zur Polarisierung festgestellt, das heisst, es werden immer öfter entweder fünf Sterne oder nur ein Stern vergeben. Hauptkritikpunkt ist gemäss Respondelligent offenbar der Service.

Verzerrt und unrealistisch

Doch wie sieht die Situation konkret in der Stadt Zürich aus und wie wird diese eingeschätzt? Das «Tagblatt» hat sich dazu bei den hiesigen Gastroexperten umgehört und ist dabei sowohl auf Verärgerung wie auf Verständnis gestossen. Michel Peclard (u. a. Pumpstation, Fischer’s Fritz) bestätigt zwar den festgestellten Trend, weil sich «Bewertungsplattformen immer mehr zu Schmäh-Deponien von Wutbürgern und notorischen Nörglern entwickeln». Die meisten Bewertungen seien aber verzerrt und unrealistisch. «So ist unser Lokal Fischer’s Fritz gemäss Tripadvisor nur die Nummer 1407 von 1541 Restaurants in Zürich. Seltsamerweise sind wir trotzdem fast immer ausverkauft.» Dennoch würden die beleidigenden Voten Peclards Crew zum Teil sehr treffen, was ihn dann schon sehr ärgere.

«Mir fällt auf, dass mir Gastronomen berichten, dass die Gäste immer höhere Anforderungen stellen und höhere Erwartungen haben. Und leider neigt der Mensch tendenziell dazu, eher die negativen Erfahrungen weiterzugeben», bemerkt Urs Pfäffli, Präsident von Gastro Kanton Zürich. Auch können die allgemeinen Preiserhöhungen bei der gestiegenen Zahl schlechter Bewertungen eine Rolle spielen. Das wiederum glaubt Nicolas Kern, Präsident von Gastro Stadt Zürich und Betreiber der Wirtschaft Degenried, nicht. Er vermutet wie Peclard eher einen Mangel an Fairness hinter dem Ganzen. «Wir hatten kürzlich eine 1-Stern-Bewertung, weil wir ausgebucht waren und beim besten Willen keinen Platz mehr hervorzaubern konnten. Dennoch sollten uns die zunehmenden Erwartungen der Gäste anspornen, noch besser zu werden und zum Ziel haben, die Erwartungen zu übertreffen.»

Bei der Familie Wiesner Gastronomie AG (u. a. Nooch, Negishi) verlaufen die Bewertungen offenbar entgegen dem Schweizer Trend. «Unsere Ratings sind über die letzten Jahre konstant geblieben und für 2023 konnten wir über alle Betriebe sogar eine leichte Steigerung der positiven Bewertungen feststellen», schreibt das Unternehmen. Zudem geht Wiesner mit Bewertungen offensiv um. «Wir fordern aktiv Feedbacks ein, da wir jede Bewertung als Chance zur Verbesserung sehen.» Auch bei Kramer Gastronomie AG seien «keine verstärkte Neigung zu negativen Bewertungen» festgestellt worden, so CCO David Augustin.

Bei der Frage, weshalb vor allem der Service bemängelt werde, gibt es laut Peclard eine einfache Erklärung: «Der Service ist die greifbare Kontaktperson – egal, ob er tatsächlich selber für einen Missstand verantwortlich ist oder ob etwas in der Küche nicht geklappt hat.» Mit der Einführung von Umsatzlöhnen habe man «dieser Misere» aber entgegenwirken können. Augustin hält es für durchaus möglich, dass die Kritik an der Servicequalität wegen des Fachkräftemangels in einigen Betrieben seine Berechtigung haben könnte. Pfäffli wiederum glaubt nicht, dass die Qualität des Service abgenommen habe, aber die Gastgeber «selbstbewusster auftreten».

Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

zurück zu News

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare