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Die Coronavirus-Krankheit fordert das Pflegepersonal ganz besonders. Hier auf der Abteilung Intensivpflege des Stadtspitals Waid und Triemli. Bilder: Triemli

Applaus, Dankbarkeit und der neue Weg zur Normalität

Von: Ginger Hebel

05. Mai 2020

So viel Anerkennung wie in Zeiten von Corona hat das Gesundheitspersonal noch nie erfahren. Unermüdlich kämpft es an der Front gegen das Virus. Jetzt wird der Normalbetrieb langsam wieder hochgefahren. Es seien Herausforderungen, wie man sie in Zürcher Spitälern noch nie erlebt habe. 

Quarantäne, Lockdown, Kurzarbeit. Das Corona-Virus verändert die Arbeitsbedingungen und Tagesabläufe vieler Menschen, drängt sie ins Homeoffice und in die Isolation. Das Pflegepersonal jedoch ist gefordert wie nie. Die Bevölkerung applaudierte auf Balkonen und Strassen, weltweit. Eine Form der Anerkennung, wie sie das Gesundheitspersonal noch nie erlebt hat. «Diese allgemeine Wertschätzung und Dankbarkeit zu erfahren, war ein sehr schönes Gefühl», sagt Alexandra Heilbronner, Leiterin Departement Pflege, Soziales und Therapien des Stadtspitals Waid und Triemli. Ärzte und Pflegefachkräfte dankten dem Volk dafür, dass es sich strikte an die Vorlagen des Bundes hielt, um die Spitäler in ihren Kapazitäten nicht zu überlasten. «Dieser Plan ist aufgegangen», betont Alexandra Heilbronner. Unermüdlich kämpft das Gesundheitspersonal an der Front gegen das Virus. «Es sind Herausforderungen, wie wir sie noch nie hatten», sagt Heilbronner.

Am 12. Mai findet der Internationale Tag der Pflege statt. Er soll darauf aufmerksam machen, was das Pflegepersonal das ganze Jahr hindurch leistet. Gewerkschaften drängen auf bessere Anstellungsbedingungen, wie sie die Pflege-Initiative fordert, aber auch mehr Lohn für das Pflegepersonal. «Es geht nicht nur um das Salär. Wichtig sind auch die Arbeitsumgebungsfaktoren sowie verlässliche Dienstpläne», erklärt Alexandra Heilbronner.

«Brauchen mehr Leute»

Der Pflegeberuf liegt der 49-Jährigen am Herzen. «Es ist eine anspruchsvolle, sinnvolle Tätigkeit mit einer grossen Verantwortung.» Nach der Grundausbildung arbeitete sie als Anästhesiepflegefachfrau, danach wurde sie Leiterin Pflege in der Notfallorganisation des Kantonsspitals Winterthur. Seit 2019 leitet sie die gesamte Pflegeabteilung des Zürcher Stadtspitals Waid und Triemli. Unter ihr arbeiten 1500 Mitarbeitende und 400 Lernende. Es sei nie ihre Intention gewesen, beruflich so weit zu kommen. «In der Pflege stehen einem wirklich viele Türen offen. Ich hatte das Glück, diesen Weg gehen zu können», erzählt sie. Trotz der vielfältigen beruflichen Perspektiven herrsche in der Branche aber ein Fachkräftemangel. «Wir brauchen Leute, die wir ausbilden und im System halten können», sagt Alexandra Heilbronner.

Die Branche hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert, neue Berufsbilder sind hinzugekommen, wie die Ausbildung zur Fachfrau / Fachmann Gesundheit, aber auch ein Pflege-Studiengang wird angeboten. Zudem gibt es neue Technologien. Wurde früher bei einer Blinddarm- oder Gallenstein-Operation der gesamte Bauchraum geöffnet, wird heute die schonende Schlüsselloch-Technik angewandt. «Patienten können dadurch das Spital viel schneller wieder verlassen. Es ist auch Aufgabe der Pflege, dass ein schneller Austritt möglich wird.»

Start für Normalbetrieb

Dankbare Patienten und Angehörige seien im Alltag einer Pflegefachperson wichtige Motivatoren. «Momente der Freude teilen zu können, das ist in diesem Beruf sehr schön.» Wo Licht ist, ist aber immer auch Schatten. Ausweglosen Situationen gegenüberzustehen, ist Teil des Jobs. Heilung ist nicht immer möglich, aber Linderung. «Ein wichtiger Teil der Ausbildung bezieht sich auf den professionellen Umgang mit Verlust und Trauer, dazugehören verschiedene Bewältigungsstrategien», erklärt Alexandra Heilbronner. Die Corona-Krise hat von den Spitälern ein rasches und entschiedenes Handeln gefordert. Neue Abteilungen wie die Isolations-Station wurden erschaffen, ein Krisenstab gegründet. Vom Pflegepersonal wird höchste Flexibilität verlangt. Durch die momentane Situation komme es zu internen Verschiebungen und anderen Einsatzorten innerhalb der Spitäler.

Seit den ersten Lockdown-Lockerungen wird der Normalbetrieb langsam hochgefahren. Auch weniger dringende Operationen können wieder stattfinden. «Corona ist ein weltumspannendes Ereignis, welches die Öffentlichkeit beherrscht. Intern dreht sich bei uns aber nicht alles nur um Corona, wir behandeln auch Patienten mit anderen Krankheiten, ebenso Notfälle. Es ist uns wichtig, dass auch sie die volle Aufmerksamkeit bekommen», sagt Alexandra Heilbronner. Sie freut sich, wenn sich die Türen wieder öffnen. Sie möchte zum Coiffeur und wieder einmal ein feines Essen im Restaurant mit ihrem Mann geniessen. Und für die Pflege wünscht sie sich, «eine selbstbewusste Branche, die als wichtiger Pfeiler in der Gesundheitsversorgung anerkannt wird».

"Die Spitäler müssen sich auf eine lang andauernde Epidemie einrichten"

Wie viele Patienten werden im Stadtspital Waid und Triemli derzeit wegen Corona behandelt? Andreas Zollinger: Aktuell behandeln wir in unseren Isolationseinheiten im Triemli 14 Patientinnen und Patienten mit nachgewiesener COVID-19-Infektion und zusätzlich mehrere Verdachtsfälle. Im Waid sind keine COVID-Fälle hospitalisiert. Wie beurteilen Sie als Medizinischer Direktor die Situation? Der aktuell deutliche Rückgang der Erkrankungswelle und damit die Entlastung der Spitäler erlaubt uns einen raschen Übergang in Richtung Normalbetrieb. Es gibt aber weiterhin zahlreiche an COVID-19 erkrankte Menschen in den Spitälern, darunter auch Schwerkranke auf den Intensivstationen. Die Spitäler müssen sich auf eine lang andauernde Epidemie einrichten und jederzeit bereit sein, um eine wieder zunehmende Anzahl an Erkrankten aufzunehmen. Dies erfordert besondere, aufwändige Planungs- und Vorhalteleistungen.

Die Lockerungen des Bundes betreffen auch das Spitalwesen. Wie gelingt der Schritt zurück in die Normalität?

«Zurück in die Normalität» bedeutet für die Spitäler eine schrittweise Auflösung der Krisen- und Sondermassnahmen mit dem Ziel, möglichst rasch wieder alle Abklärungen und Behandlungen durchzuführen, auch die nicht dringlichen und die regelmässigen Jahreskontrollen von Patientinnen und Patienten, beispielsweise mit chronischen Lungen- oder Herzerkrankungen. Dazu haben wir bereits die meisten der baulichen COVID-Massnahmen wieder rückgängig gemacht. Die Mitarbeitenden sind wieder an den angestammten Stellen in ihren Abteilungen tätig und wir haben eine grosse Zahl von Patientinnen und Patienten auf unseren Wartelisten kontaktiert, um neue Termine mit ihnen zu vereinbaren. Ein definierter Teil für COVID-19 Erkrankte bleibt aber bestehen, sodass diese weiterhin völlig getrennt vom übrigen Spitalbetrieb behandelt werden können.

Niemand weiss, ob eine zweite Welle folgen wird. Sind Sie gewappnet?

Trotz des wieder hochgefahrenen, normalen Spitalbetriebs betreiben wir die Isolationseinheiten zur Behandlung der COVID-19-Erkrankten weiter. Wir sind zudem in der Lage, innert kurzer Zeit diese geschützten, vom Regelbetrieb des Spitals abgetrennten Isolationseinheiten wieder auszubauen, falls dies erforderlich sein sollte. Dies ist wichtig und wird seitens Kanton auch so gefordert, weil wir mit einem Wiederanstieg der Erkrankten rechnen müssen. Niemand weiss allerdings genau, wann und in welchem Ausmass dies eintreffen wird.

 

Es kursieren viele Horrorgeschichten über Corona.

Weil es sich um ein völlig neues Virus handelt, muss die medizinische Fachwelt durch einen intensiven Austausch von Daten und Erkenntnissen ein Bild zum Wesen dieser Erkrankung entwickeln. Wie in einem Puzzle wird dieses Bild jetzt, knapp sechs Monate nach Ausbruch der Pandemie, langsam klarer und besser lesbar. Wir sind aber noch lange nicht fertig: Vieles bleibt weiterhin unklar, neue Erkenntnisse kommen hinzu, bisherige Annahmen erweisen sich als falsch oder richtig. Es wird noch Monate dauern, bis das ganze Bild dieser SARS-CoV-2-Erkrankung im Detail geklärt ist.

Am 12. Mai ist Internationaler Tag der Pflege. Das medizinische Personal wird als Helden des Alltags gefeiert. Was löst diese Anerkennung in Ihnen aus?

Dieser Tag der Pflege hat diesmal aufgrund der weltweiten Pandemie und des von diesen Berufsleuten geleisteten grossen Einsatzes eine ganz besondere Bedeutung. Pflegende erfüllen aber immer, unabhängig von COVID-19, wichtige und in manchen Fällen auch herausfordernde oder gar belastende Aufgaben für die ganze Gesellschaft. Die Pflege hat sich sehr entwickelt und ist heute ein nach wissenschaftlichen Prinzipien arbeitender Berufsstand mit vielen Spezialbereichen. Das grosse Thema ist der in allen Pflegeberufen dringend erforderliche Nachwuchs. Entsprechend freue ich mich, wenn die Pflege und andere wichtige Berufe im Gesundheitswesen als Folge von COVID-19 einen Aufschwung und eine Imageverbesserung erfahren können.

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