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Armee verliert Zürcher Männer an Zivildienst
Von: Ginger Hebel
Verschärfung: Zürcher Männer engagieren sich lieber sozial, statt der Armee zu dienen. Jetzt will der Bund den Zugang zum Zivildienst erschweren.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Der Run auf den Zivildienst ist bei jungen Männern ungebrochen. Dies hat unter anderem mit der Abschaffung der Gewissensprüfung im Jahr 2009 zu tun. Die Bereitschaft, einen Dienst zu leisten, der anderthalbmal so lange dauert wie der Militärdienst, sei Tatbeweis genug, dass ernsthafte Gründe vorliegen. Jetzt will der Bundesrat den Riegel schieben, indem er den Zivildienst mit diversen Massnahmen unattraktiver machen möchte. Dies stösst der GSoA, der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee, sauer auf. «Wir halten von dieser Verschärfung nichts. Viele Männer sehen keinen Sinn im Militärdienst und möchten sich lieber sozial engagieren», sagt Ronja Jansen von GSoA mit Sitz in Zürich. «Dass man ihnen Steine in den Weg legt, ist unfair.»
Wer künftig zum Zivildienst zugelassen wird, soll mindestens 150 Diensttage leisten, zudem sollen Einsätze im Ausland abgeschafft werden. Primär möchte man mit der neuen Regelung jedoch verhindern, dass Ausgebildete der Armee abhandenkommen. Aus diesem Grund soll der Wechsel aus der Armee in den Zivildienst erschwert und eine Wartezeit von 12 Monaten eingeführt werden. Während dieser Frist müssen die Betroffenen weiterhin Militärdienst leisten.
Von den 6205 Zivildienstzulassungen im Jahr 2018 handelte es sich bei 2264 um Männer mit bestandener Rekrutenschule und bei 350 um Unteroffiziere und Offiziere. Diese Entwicklung ist der Schweizer Armee ein Dorn im Auge. «Die Abgänge nach absolvierter Grundausbildung (RS) schmerzen besonders, weil die entsprechenden Armeeangehörigen über mehrere Wochen und teilweise Monate ausgebildet und betreut wurden», sagt Armeesprecher Stefan Hofer. Dies sei personalintensiv und verursache hohe Kosten. Mit dem Abgang in den Zivildienst würden diese Investitionen verpuffen.
Kein Imageproblem
Dass die RS bei vielen Männern nicht besonders beliebt ist, erklärt sich Hofer so: «Die Armee ist im Vergleich mit dem Zivildienst nicht attraktiv. Die Männer können nicht auswählen, wann sie Dienst leisten wollen, Nachtarbeit gehört dazu, das Zimmer muss mit anderen geteilt werden, und sie müssen beispielsweise bei minus 20 Grad das WEF bewachen.» Er betont jedoch, dass die Armee kein grundsätzliches Imageproblem habe.
Wenn immer weniger Männer ihre Dienstpflicht bis zum Schluss erfüllen, stellt sich die Frage, ob die Bevölkerung noch genügend gut geschützt ist. «Die Armee hat einen Leistungsauftrag vom Parlament, diesen können wir erfüllen», sagt Hofer.
Um auch in Zukunft genügend Personal zur Verfügung zu haben, seien einerseits Massnahmen erforderlich, um die Abgänge in den Zivildienst zu reduzieren. Andererseits unternehme auch die Armee viel, um für junge Leute attraktiver zu werden. Als Beispiele nennt Hofer zwei Jokertage als frei wählbare Ferientage und die Tatsache, dass die militärische Ausbildung an Schweizer Fachschulen als Praktika angerechnet werden kann.
Zürcher Männer leisten am liebsten Zivildienst in Alters- und Pflegezentren. In der Stadt Zürich gibt es 236 Einsatzbetriebe, darunter 138 im Sozialwesen. «Für uns sind Zivildienstleistende wichtig und unterstützend. Ihr Einsatz entlastet uns in der Betreuung oder bei Ausflügen. Zudem tragen die jungen Menschen zu einer guten Kultur bei und helfen, das gängige Bild einer Alters- und Pflegeinstitution zu ändern», sagt Andreas Hauri, Zürcher Stadtrat und Gesundheitsvorsteher.
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Immer mehr Zivis
Zwischen 2011 und 2017 ist die Zahl der Zulassungen für den Zivildienst von 4670 auf 6785 gestiegen. 2018 wurden schweizweit 6205 neue Zivildienstleistende zugelassen. Im ersten Quartal 2019 sind die Zulassungen gegenüber dem ersten Quartal 2018 um 1,7 Prozent gestiegen. Letztes Jahr leisteten Zivis in Einsatzbetrieben in der Stadt Zürich 114 966 Diensttage.(Quelle: Bundesamt für Zivildienst)
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Agnes Hohl - Lieber sozial im Zivildienst als asozial in der Armee