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Christian Relly (Ex-QV-Präsident) und die neue Oerliker QV-Präsidentin Monika Wicki wehren sich gegen den Abbruch zu vieler historischer Gebäude in Neu-Oerlikon. Vom MFO-Park blicken sie auf den letzten Hochkamin. Bild: GH

Aufruhr in Oerlikon

Von: Ginger Hebel

15. Juni 2021

Abriss: Das ehemalige Industriegebiet in Neu-Oerlikon soll überbaut werden. Der Quartierverein Oerlikon befürchtet, dass dadurch die Identität des Quartiers verschwindet. Er setzt sich für den Erhalt historischer Bausubstanz ein.

Vom Stahlturm des MFO-Parks in Neu-Oerlikon geht der Blick auf den letzten Hochkamin. Auch die historischen Backsteingebäude der ABB sind gut sichtbar. «Leider sollen die Bauzeugen der grossen industriellen Vergangenheit Oerlikons weitgehend verschwinden», bedauert Quartiervereinspräsidentin und SP-Kantonsrätin Monika Wicki. Mit dem Vorstand des Quartiervereins, dem Ortsgeschichtlichen Verein und Vereinsmitgliedern wehrt sie sich gegen den Abbruch zu vieler historischer Gebäude. Auch Christian Relly, der nach zehn Jahren an der Vereinsspitze zurücktrat, tun die städtischen Umgestaltungspläne im Herzen weh. «Veränderung ist wichtig. Dennoch muss Neu-Oerlikons Vergangenheit sichtbar bleiben. Wenn alles plattgemacht und alte Bausubstanz rücksichtslos beseitigt wird, verschwindet der Charakter eines Quartiers», sagt er überzeugt.

Nicht nur verdichten

Um den Max-Frisch-Platz – und von der Binzmühlestrasse bis zur Birchstrasse – sollen in den nächsten Jahren grössere Gebäude entstehen, darunter Hochhäuser mit 54 und 80 Metern Höhe. Das Amt für Städtebau hat mit den Grundeigentümern dieser Baufelder – ABB Immobilien, AXA und das Immobilienamt Kanton Zürich – einen Masterplan für die Teilrevision der Sonderbauvorschriften erarbeitet. «Wenn der Gemeinderat diese genehmigt, werden weitere bauliche Zeitzeugen für immer verschwinden», befürchtet Monika Wicki. Der Quartierverein fordert daher, die Teilrevision in der vorliegenden Form abzulehnen.

Fabian Korn vom Zürcher Amt für Städtebau sagt auf Anfrage: «Der Erhalt der noch bestehenden Industriegebäude in Neu-Oerlikon ist ein sehr wichtiges Thema und Ziel.» So können das ABB Historic Building (87T) und grosse Teile der Halle 550, die als Kultur-Location genutzt wird, durch die Sonderbauvorschriften bestehen bleiben. «Bisher waren sie in keiner Weise rechtlich bindend geschützt», erklärt Korn. Auf weitere Unterschutzstellungen habe jedoch in einer gesamtheitlichen Abwägung verzichtet werden müssen. Es seien aber Anreize definiert, um weitere Gebäude («blue corner», angrenzend an Halle 550, und «Chicago», angrenzend an 87T) ebenfalls zu erhalten.

Zudem werde es im konkreten Bauprojekt für das Areal, das die Stadt übernehmen könne, allenfalls Möglichkeiten geben, weitere historische Elemente wie den Hochkamin zu erhalten. Auch ABB begrüsst die Weiterentwicklung. So werde das markante Backsteingebäude <87T> Bestand haben und müsse nicht der ursprünglich vorgesehenen Erweiterung des MFO-Parks weichen. «Der Erhalt dieses Zeitzeugen wie auch der industriegeschichtlich wertvollen Teile der Halle 550 sind ein wichtiger Beitrag an das künftige Quartierbild», sagt Lukas Matt von ABB.

Weltbekannte Industrie

Mitte des 19. Jahrhunderts war Oerlikon ein Weiler, es gab nur wenige Häuser um die Dorflinde herum, wo sich heute das städtische Alterszentrum befindet. Ende der Achtzigerjahre begann die Planung für die Umnutzung der Fabrikareale. Um die Jahrtausendwende entstand mit Neu-Oerlikon eines der grössten städtischen Entwicklungsgebiete der Schweiz mit heute circa 5000 Einwohnern und 9000 Arbeitsplätzen.

Prägend für Oerlikon war stets die Entwicklung der Eisenbahn, beginnend 1855 mit der Strecke nach Winterthur. 2016 wurde der Bahnhof für 685 Millionen Franken umgebaut. Heute gehört er zu den zehn grössten der Schweiz. «Auf den Bahnhof sind wir alle stolz. Er ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, auch dank der Durchmesserlinie», sagen Christian Relly und Monika Wicki und steigen auf das von Pflanzen umrankte Metallgerüst des MFO-Parks, wo sich das Zentrum der 1876 gegründeten Maschinenfabrik befand. Hier wurden nicht nur «Krokodil»-Lokomotiven gebaut, es entstanden auch die stärksten Motoren, Generatoren und Hochspannungsschalter jener Zeit.

Die Maschinenfabrik Oerlikon wurde 1967 von BBC übernommen. 1988 fusionierten BBC und ASEA zum Engineering-Unternehmen ABB (Asea Brown Boveri). «Durch den Konzernhauptsitz und die lange Geschichte der Vorgängerunternehmen sind wir immer noch eng mit dem Standort Oerlikon verbunden», heisst es bei ABB. Der gebürtige Oerliker Christian Relly denkt zurück: «Wo die Menschen heute wohnen und flanieren, befand sich früher eine abgeriegelte Industriezone.» Heute erinnern nur noch wenige Gebäude an die riesigen Fabrikanlagen. «Diese letzten Zeitzeugen gilt es zu erhalten», ist der Quartierverein Oerlikon überzeugt.

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

 

 

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