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Bruno Bekowies, stv. Leiter Bestattungs- und Friedhofamt Zürich vor dem neuartigen Themen-Mietgrab Staudengarten im Sihlfeld. Bild: GH

Bestattungskultur im Wandel der Zeit

Von: Ginger Hebel

11. Mai 2021

Tod: Auf den Zürcher Friedhöfen gibt es immer weniger Erdbestattungen und Urnen-Reihengräber. Dadurch entstehen Freiflächen für neuartige Bestattungsformen; bei Reben, Birnbäumen und im Blumenbeet. 

Die Bepflanzung ist noch frisch. Bald jedoch werden hier Zittergras und Wiesensalbei wachsen und Blumen blühen, die Wildbienen anlocken. Letzten Herbst wurde auf dem Friedhof Sihlfeld in Wiedikon – der grössten Ruhestätte der Stadt – das neue Themen-Mietgrab Staudengarten geschaffen. «Naturnahe Bestattungsformen werden in der Stadt Zürich vermehrt nachgefragt», sagt Bruno Bekowies, stv. Leiter Bestattungs- und Friedhofamt.

Auf den neunzehn städtischen Friedhöfen gibt es mittlerweile sieben verschiedene Themen-Gemeinschaftsgräber. Neben dem Staudengarten besteht auf dem Friedhof Schwandenholz in Seebach die Möglichkeit, die Urne in einem Birnenhain beizusetzen. Das Grab ist in einer blühenden Naturwiese bei Hochstamm-Birnbäumen integriert. Oder aber der spezielle Begräbnisort auf dem Friedhof Enzenbühl inmitten alter Schweizer Rebstöcke, was Weinliebhabern gefallen dürfte. «In den nächsten Jahren werden wir die Zürcher Friedhöfe um diese Grab-Möglichkeiten ergänzen», sagt Bruno Bekowies.

Weniger Reihengräber

Im Jahr 2020 gab es in der Stadt Zürich 3380 Todesfälle. Fast alle Zürcherinnen und Zürcher liessen sich kremieren. «Der Anteil an Erdbestattungen sank letztes Jahr erstmals unter zehn Prozent», sagt Bruno Bekowies. Dadurch entstünden auf den Zürcher Friedhöfen viele Freiflächen, die für naturnahe Bestattungen genutzt werden können. Auch die Nachfrage nach Urnen-Reihengräbern sinke stetig. «Viele alte Leute möchten kein Urnengrab, weil sie befürchten, dass sie ohnehin niemand mehr besuchen kommt», erklärt Bekowies. Familien leben heute verstreut, es fehlen Angehörige, die sich um die Grabpflege kümmern. Auch stören sich viele daran, dass Urnen-Reihengräber nach der obligatorischen Ruhezeit von 20 bis 22 Jahren automatisch aufgehoben werden. «Wenn ein Mensch früh stirbt, ist es für die Hinterbliebenen sehr schwierig, wenn die Ruhestätte plötzlich nicht mehr existiert», sagt Bekowies. Auch aus diesem Grund hat das Zürcher Bestattungs- und Friedhofamt die Themen-Mietgräber geschaffen, die beliebig lang gemietet werden können (Kostenpunkt: 2000 Franken für 20 Jahre inklusive Grabunterhalt). Zudem verfügen sie – anders als anonyme Gemeinschaftsgräber – über eine Stele mit Namensinschrift und eine Stein- oder Eisenplatte als Ablageort für Blumenschmuck, Gedenkzeichen und Kerzen.

 

Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Zürich haben unentgeltlich Anspruch auf einen Grabplatz auf dem Friedhof, der ihrem Wohnkreis zugeordnet ist, oder auf zahlreichen weiteren städtischen Friedhöfen. Meret Tobler, Leiterin Grabmalkultur Stadt Zürich, bewilligt jährlich bis zu 800 Grabsteingesuche. Klassische Kreuze, Metall-Skulpturen oder ausgefallene Steine, vieles sei erlaubt und eine individuelle Gestaltung erwünscht. «Die gesellschaftliche Vielfalt darf sich auch in den Grabfeldern zeigen», sagt Meret Tobler. Sie verwaltet auch die rund 750 historischen Grabstätten, wo Persönlichkeiten wie Johanna Spyri, Gottfried Keller oder Gustav Gull begraben liegen. «Die Grabmäler sind kulturelle und historische Zeitzeugen und als Bestattungsort beliebt.» Die Preisspanne für ein historisches Urnengrab liegt zwischen 3000 und 6000 Franken.

Kein Friedhof-Zwang

Mehr als ein Drittel aller Zürcherinnen und Zürcher entscheidet sich mittlerweile jedoch für ein Gemeinschaftsgrab ohne Grabstein. «Früher galten sie als Gräber der Einsamen und Armen. Heute finden hier sowohl Sozialhilfeempfänger als auch Millionäre ihre letzte Ruhe», sagt Bruno Bekowies, der die Gräberadministration leitet.

Zehn Prozent aller Zürcher Urnen gehen direkt an die Angehörigen. «Mit dieser Freiheit umzugehen, ist nicht immer einfach, viele Hinterbliebene sind manchmal überfordert und wissen nicht genau, was sie mit der Urne machen sollen», sagt Bruno Bekowies. Die Hälfte dieser Urnen werde aber früher oder später doch noch auf dem Friedhof beigesetzt. «Viele Leute schätzen einen festen Ort, an dem sie trauern können.» Oft wird die Asche aber auch verstreut, zum Beispiel weit draussen im Zürichsee. Die Bestattungsverordnung erlaubt dies, wenn die Bestimmungen des Forst-, Gewässerschutz-, Luftfahrt-, Bau- und Umweltrechts eingehalten werden und wenn Urnen und Asche nicht als solche erkennbar sind und nach kurzer Zeit nicht mehr wahrgenommen werden können.

Auch freie Bestattungen im Wald erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Der Gedanke, an der kraftvollen Wurzel eines Baumes die letzte Ruhe zu finden, gefällt vielen Menschen. Vor zwanzig Jahren hat Ueli Sauter die Friedwälder gegründet, 80 gibt es mittlerweile schweizweit, einer davon befindet sich in Zürich-Altstetten. «Hier gibt es noch genügend wunderbare Bäume zur Nutzung», sagt Ueli Sauter. Schweizweit finden jährlich um die 200 Waldbestattungen statt. Im zürcherischen Birmensdorf beispielsweise sind die Plätze derzeit ausgebucht. Ungefähr die Hälfte der Interessenten suche sich zu Lebzeiten einen geeigneten Baum aus. Ein Nutzungsrecht kostet ab 4900 Franken. Beim Baum dürfen bis zehn Bestattungen vorgenommen werden.

Neuer Bestattungswald

Auch die Stadt Zürich hat auf die Nachfrage reagiert. Angrenzend an die Friedhöfe Hönggerberg und Leimbach befindet sich der Wald für Aschenbeisetzungen mit Gemeinschafts- und Familienbäumen. In den Wäldern wachsen Eichen, Fichten und Ahorn. Es ist jedoch keinerlei Bepflanzung und Kennzeichnung erlaubt. Die Stadt Zürich verzichtet auf die Nutzung der Bäume und pflanzt bei Sturmschäden neue. Diesen Sommer wird das Angebot um einen Bestattungswald beim Friedhof Fluntern auf dem Zürichberg ergänzt. «Wir wollen damit aber keinesfalls die Friedwälder konkurrieren. Doch wo der Wald an den Friedhof grenzt, lassen sich Möglichkeiten realisieren; diese nutzen wir», erklärt Bruno Bekowies.

Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Tod und ist häufig mit traurigen Schicksalen konfrontiert. Todesfälle von Kindern und Unfälle gehen ihm persönlich sehr nahe, umso mehr schätze er die Dankbarkeit und Wertschätzung der Hinterbliebenen. «Wir möchten, wenn immer möglich, alle Bedürfnisse sämtlicher Kulturen wahrnehmen.» So wurden gemäss islamischer Begräbniskultur die muslimischen Grabstätten im Friedhof Witikon soeben um 320 Grabplätze erweitert. Bruno Bekowies ist sehr oft der allerletzte Wunscherfüller. «Das ist eine schöne, ehrenvolle Aufgabe.»

Weitere Informationen zum Thema und Bestattungsmöglichkeiten:

www.stadt-zuerich.ch/themen-mietgrab

www.friedwald.ch

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

 

 

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