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Das Central gehört zu den 68 von 182 Tramhaltestellen in Zürich ohne ebenerdigen Ein- und Ausstieg. 34 davon seien rampentauglich, der Rest werde noch ausgebaut oder liege in einer Kurve, so der Stadtingenieur. Bild: SWE

Central: Zumutung für Gehbehinderte

Von: Stine Wetzel

19. September 2017

Eigentlich hätte das Central nach dem grossen Umbau behindertengerecht sein sollen – mit einer Ausnahmebewilligung vom Bund wurde das entsprechende Gesetz aber unterwandert.

Am Central steigt Rosmarie Kneubühl ungern um: Die Haltekanten sind zu niedrig. Die 73-Jährige hat multiple Sklerose. «Damit ich mit meinem Elektro-Scooter ohne Probleme ins Tram komme, müsste der Einstieg ebenerdig sein», sagt sie. «Ich habe nicht schlecht gestaunt, dass das soeben mit riesigem finanziellem und zeitlichem Aufwand sanierte Central ohne Höhen­anpassung der Zusteigekanten erfolgt ist», sagt Hans Peter Kneubühl. «Dass damit ausgerechnet der Zugang zum grössten Spital der Stadt für Rollstuhlfahrer stark erschwert wird, ist unverständlich.»

Das Central ist einer der grössten Knotenpunkte, rund 45 200 Personen steigen hier täglich ein oder aus. Gerade hat die Haltestelle einen 20-Millionen-Franken-Umbau hinter sich: Die Gleise wurden ersetzt, die Haltestelleninseln angepasst, neue Dächer montiert. Eigentlich sollten auch die Kanten erhöht werden. Das Behindertengleichstellungsgesetz sieht vor, dass der öffentliche Verkehr bis 2024 hindernisfrei zugänglich ist. Doch am Central kann das Gesetz nicht greifen. Platzprobleme sind der Grund: Die Gleise konnten nicht begradigt und damit auch die Haltekanten nicht erhöht werden, so die Erklärung des Tiefbauamts. Das Bundesamt für Verkehr gab eine Ausnahmebewilligung.

Für Menschen mit Gehbehinderung heisst das, im Central auf den Rampeneinstieg angewiesen zu sein. «Wenn Sie im Rollstuhl auf der Höhe der Führerkabine warten, wird der Fahrer oder die Fahrerin die Einstiegsrampe einrichten», sagt Stadtingenieur Vilmar Krähenbühl. Marianne Rybi, Geschäfts­leiterin der Behindertenkonferenz Kanton Zürich, nennt das eine «unbefriedigende Notlösung». «Das entspricht keinem autonomen Zugang.» Eine Rampe sei besser als nichts, aber die schlechteste aller Lösungen. «Rampen sind oft kaputt, die Bedienung klappt nicht, jemand ist unfreundlich oder erwartet unangemessene Dankbarkeit.»

«Kommt nicht infrage»

Nach Angaben der VBZ werden die Rampen in den Trams nur wenige Male pro Tag in Anspruch genommen. Rosmarie Kneubühl hat selbst noch nie eine Rampe benutzt. «Wenn ich nicht mit meinem Mann unterwegs bin, werde ich oft von Passanten gefragt, ob ich Hilfe beim Einsteigen benötige.» Mit beiden Händen kann sie sich selbst ins Tram ziehen, aber den Scooter muss jemand nehmen. «Ich habe Glück. Aber was ist mit all jenen, die im Rollstuhl sitzen?»

Die Bauberatung der Behindertenkonferenz hatte in der Planungsphase des Central-Umbaus eine teilweise Verlegung der Tramhaltestellen angeregt, so Geschäftsleiterin Rybi. Stadtingenieur Krähenbühl bestätigt: «Die einzige Lösung wäre, die Haltestellen ins Limmatquai, in die Weinbergstrasse und auf die Bahnhofbrücke zu verlegen» – mit dem Resultat, die «Umsteigebeziehungen» zu erschweren. «Das kommt an so einem stark frequentierten Umsteigeknoten aber nicht infrage.»

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