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Schnelle Bahnen am Zürcher Knabenschiessen. Zürichs grosses Herbstfest schrumpft wie schon im vergangenen Jahr zu einem kleinen Lunapark. Peter Howald, Präsident des Schaustellerverbands, kämpft für seine Branche. Bild: Adobe Stock

Chilbi wird nicht aussterben

Von: Werner Schüepp

16. August 2021

Kampf: Fast alle Chilbis sind abgesagt. Die Schausteller, häufig Familienbetriebe, plagen Existenzängste. Vielen fehlt wegen Corona die Einkommensgrundlage. Peter Howald, Präsident des Schweizer Schaustellerverbands, kämpft für seine Branche und sagt, wie das Zürcher Knabenschiessen 2022 werden wird. 

In zwei Wochen ist es so weit: Im Albisgüetli wird sich wieder der Duft von Bratwürsten, Crêpes und Zuckerwatte verbreiten, die untrüglichen Zeichen der Chilbizeit. Doch vieles ist dieses Jahr am Knabenschiessen anders, als es sein soll. Zum Schiesswettbewerb treffen sich statt wie bisher ungefähr 4000 schiesswillige Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur alle ehemaligen Schützenköniginnen und -könige. Sie machen bei einem Ausstich am 11. September den Sieg unter sich aus. Die Schützengesellschaft der Stadt Zürich als Organisatorin hoffte bis zuletzt, den Anlass im traditionellen Stil durchführen zu können. Vergeblich. Wegen der Corona-Pandemie und der Grösse des Anlasses gibt es zu viele Planungsunsicherheiten. Zürichs grosses Herbstfest schrumpft wie schon im vergangenen Jahr zu einem kleinen Lunapark.

«Natürlich ist eine solche Mini-Chilbi auf keinen Fall mit dem normalen Knabenschiessen zu vergleichen, aber uns Schaustellern wird gerade eine Chilbi nach der andern gestrichen, da greift man nach jedem Strohhalm», sagt Peter Howald. Der Präsident des Schweizer Schaustellerverbands und Inhaber der Howald Imbiss und Vergnügungsbetriebe AG, hat sich wie schon im vergangenen Jahr für eine Mini-Chilbi im Albis­güetli eingesetzt, ohne Festzelt, ohne grosse Bahnen. Eigentlich müsste die Stimmung bei Howald bestens sein, sind doch die Monate August bis Oktober für die Schausteller-Branche die Saisonhöhepunkte. Im Herbst wird der Hauptumsatz verdient, denn normalerweise führt in dieser Zeit im Kanton Zürich jede Gemeinde, die etwas auf sich hält, eine Chilbi durch. «Das war einmal», sagt der Verbandspräsident, «Tatsache ist, dass 90 Prozent solcher Anlässe in diesem Jahr nicht stattfinden.»

Düstere Bilanz

Peter Howald hat vieles erlebt, schon sein Vater und Grossvater waren Schausteller. Er kennt das Gewerbe von der Pike auf. Der heute 67-Jährige stieg mit 20 Jahren in den elterlichen Betrieb ein und packte mit an. Grillstände, Imbissbuden und Karusselle sind seine Welt. Aber in seinen kühnsten Träumen hätte er sich nicht vorstellen können, wie ein Virus eine ganze Branche lahmlegt. Er will nicht klagen, aber er zieht eine düstere Bilanz: «Im vergangenen Jahr erwirtschaftete ich lediglich acht Prozent von meinem normalen Umsatz. So etwas habe ich in meinem ganzen Leben nie erlebt», sagt Howald. Sein Einkommen sei praktisch null gewesen. Trotzdem müssen die Rechnungen Ende Monat bezahlt werden, zum Beispiel die Hallenmieten für seine 65 Fahrzeuge.

Wie hat er das gemacht? «Grösstenteils von meinem Ersparten bezahlt und mit der finanziellen Unterstützung sprich Härtefallgelder des Kantons Zürich.» Einem Grossteil der 350 Mitglieder im Verband, sagt er, gehe es schlecht. Viele seien Familienbetriebe, die von Existenzängsten geplagt werden, weil ihnen das Wasser bis zum Hals steht. Konkurs musste zwar noch niemand anmelden, aber wenn es mit den strengen Auflagen so weitergeht, werde es für einige Schausteller-Kollegen sehr schwierig zu überleben. Es seien auch manche Lieferanten betroffen, die von Messen und Märkten lebten. Howald: «Viele haben in der Zwischenzeit Hilfsjobs angenommen, um zu überleben.» Ein Kollege habe sein gesamtes Geschäft verkauft und den Erlös in ein Taxigeschäft investiert. Solche Fälle seien bis jetzt zwar Ausnahmen, aber er befürchtet, dass es in den nächsten Jahren in seiner Branche zu einer Bereinigung kommen wird. «Zehn Prozent werden diese Corona-Pandemie geschäftlich nicht überleben.»

Aussenstehende, sagt er, können sich nicht vorstellen, was Schausteller durchmachen mussten. «Es gibt Kolleginnen und Kollegen von mir, die haben seit Ausbruch der Pandemie nicht mehr gearbeitet.» Howald ist ein Kämpfer. Er stand in den vergangenen Monaten ständig in Kontakt mit den Amtsstellen, fünf dicke Ordner in seinem Büro zeugen von der Korrespondenz mit den Behörden. «Ich hoffe, der Bundesrat lockert bald die strengen Auflagen.» Derzeit gilt: Am Knabenschiessen sind höchstens 1000 Besucher pro Chilbi auf einmal zugelassen, in anderen Kantonen sogar nur 300. Um die Besucherströme zu kontrollieren, braucht es an den Ein- und Ausgängen Zählsysteme, Drehkreuze, Informationstafeln und Sicherheitspersonal. «Der Zusatzaufwand ist enorm. Ich habe im vergangenen Jahr fürs Albisgüetli ein Vermögen für Desinfektionsmittel ausgegeben», so Howald.

Tropfen auf heissen Stein

Wie lief die Mini-Knabenschiessen-Chilbi letztes Jahr? Das erste Wochenende im Albisgüetli war verregnet, am zweiten Wochenende tummelten sich bis zu 650 Besucher auf dem Platz. «Wir waren insgesamt zufrieden. Finanziell war es aber ein Tropfen auf den heissen Stein», sagt der Verbandspräsident. Immerhin habe die Chilbi light geholfen, die Fixkosten zu decken. Aus diesem Grund hat er sich wieder für eine zweite Auflage eingesetzt. Sie findet im Albis­güetli vom 3. bis 13. September statt. «Wir unternehmen alles, damit sich die Leute auf der Chilbi nicht anstecken, die Schutzmassnahmen sind gewährleistet», sagt Peter Howald.

Er ist überzeugt: Bei solchen Anlässen würden die Leute von Stand zu Stand zirkulieren und nicht lange am selben Ort stehen bleiben. «Das verringert die Gefahr einer Ansteckung.» Er ist felsenfest überzeugt, dass die Chilbi von früher wieder ihr Comeback feiern wird. «Das ist eine uralte Tradition, die wird sicher nicht wegen einem Virus aussterben.»

Weitere Informationen: www.knabenschiessen.ch

 

 

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